Kelkheim (ju) – Eppenhain, Kelkheims kleinster Stadtteil und ein malerisches Taunusdorf, hat eine faszinierende Geschichte. Erstmals urkundlich erwähnt wurde es gegen Ende des 12. Jahrhunderts. Allerdings beruht die bisherige angebliche Ersterwähnung von 1285 auf einer fehlerhaften Auskunft des Hessischen Hauptstaatsarchivs. Eppenhain war Teil des alten Kirchsprengels von Schloßborn und vermutlich bereits damals ein Eisenerzabbaugebiet. Alte Stollen sind noch heute in der gesamten Gemarkung zu finden. Bis ins 19. Jahrhundert führten die Eppenhainer ein karges Leben mit Ackerbau und Viehzucht, doch eine Besserung trat ein, als der ehemalige Lehrer August Gasser sich um die Belebung der örtlichen Wirtschaft und des Fremdenverkehrs bemühte. Auf einer Führung durch Eppenhains Straßen mit dem Stadtarchivar Julian Wirth und der ehemaligen Museumspädagogin Marianne Bopp erfährt der wissbegierige Zuhörer allerlei, denn nach Aussage von Wirth „ist es Wahnsinn, was in dem kleinen Dorf so drinsteckt“.
Schlüsselfigur Gasser
August Gasser, engagierter Lehrer und eine Schlüsselfigur in der Geschichte von Eppenhain, hat die Entwicklung des Ortes maßgeblich beeinflusst. Geboren im Jahr 1834, begann er seine Lehrtätigkeit in Eppenhain im Jahr 1864 und war bis 1867 Direktor. 1895 kehrte er als Pensionär mit einer Vision in den Ort zurück. Seine Vorstellung war es, das Dorf zu beleben und den Fremdenverkehr zu fördern. Hier sind einige bemerkenswerte Aspekte seines Wirkens:
Wirtschaftliche Impulse: Gasser setzte sich für die Förderung der örtlichen Wirtschaft ein. Er unterstützte die Landwirte und Handwerker und trug dazu bei, dass Eppenhain als Luftkurort anerkannt wurde. Dies zog wohlhabende Frankfurter Bürger zur Sommerfrische in den Taunus.
Tourismus und Infrastruktur: Gasser engagierte sich für den Ausbau der Infrastruktur. Er setzte sich für den Bau von Wanderwegen und Aussichtspunkten ein, um die Attraktivität des Ortes zu steigern. Seine Bemühungen führten dazu, dass Eppenhain als Erholungsort bekannt wurde.
Bildung und Gemeinschaft: Als Lehrer war Gasser nicht nur im Klassenzimmer aktiv. Er organisierte kulturelle Veranstaltungen, Vorträge und Ausflüge für die Dorfgemeinschaft. Sein Einsatz für Bildung und Zusammenhalt prägte das soziale Leben in Eppenhain.
Erbe und Gedenken: August Gasser verstarb im Jahr 1914. Sein Wirken bleibt jedoch unvergessen. In Eppenhain erinnern Straßennamen und Gedenktafeln an den Mann, der das Dorf geprägt hat.
Landschulheim
Und nicht nur das. Sein 1866 geborener Sohn Dr. August Gasser führte das Lebenswerk seines Vaters weiter. Er erbaute 1907 das „Haus Tanneck“, das nach dem 1. Weltkrieg als Landschulheim des damaligen Frankfurter Viktoria-Schule, einer Mädchenschule, dem heutigen Bettina-Gymnasium, genutzt wurde. Hier trafen ab 1920 Mädchen wohlhabender Familien auf Kinder der ärmeren Schichten zur Erholung, aber auch zum täglichen Arbeitseinsatz in den landwirtschaftlichen Betrieben in der Nähe. Unter der Leitung von Dr. Reinhold genossen die Mädchen die Sommerfrische und waren begierig darauf, im nächsten Jahr wiederkommen zu dürfen.
Sein Vater, der Lehrer Gasser, unterstützte mit seiner Aktivität auch den Aufbau eines örtlichen Hotelbetriebs, der als Fremdenpension „Haus Montesita“ gegründet wurde. Gasser initiierte einen Kur- und Verkehrsverein, der sich um die Belange der Fremden kümmerte – und sorgte unter anderem dafür, dass sonntags keine Wäsche mehr aufgehängt wurde und die Misthaufen von den Straßenrändern in den Hinterhof verschwanden. Die Geschichte von Eppenhain wäre ohne August Gasser nicht dieselbe. Sein Engagement und seine Ideen haben das Dorf nachhaltig geprägt und machen ihn zu einer wichtigen Persönlichkeit in der lokalen Historie.
St. Josef-Kirche
Die Eppenhainer verdanken einige ihrer ansehnlichen Bauten den reichen Familien aus dem Rhein-Main-Gebiet, aber auch einer Mäzenin aus Breslau, Hedwig Ecke, die für den Bau eines wahren Juwels verantwortlich ist – der St. Josef-Kirche. Da der Ort bis zum Jahr 1908 über keine eigene Kirche verfügte und die Gläubigen lange Wege zu den Gottesdiensten hatten, schenkte sie Eppenhain 30.000 Goldmark, die zum Bau des Gotteshauses verwendet werden sollten. So entstand ab 1907 ein Bauwerk aus den Steinen der Umgebung, das 1908 geweiht wurde. Noch heute erinnern die alten, wunderschön verzierten Bleifenster an die Familien, die im Ort lebten und für die Fenster spendeten, so zum Beispiel die Familien Racky und Gottschalk.
Und wieder war es eine Frau, die sich um das Wohl ihrer Mitmenschen sorgte: Theodore von Knoop, Ehefrau den reichen Textilkaufmanns Julius von Knoop, ließ 1895 das „Haus Theodor“, benannt nach ihrem verstorbenen Sohn, errichten. Hier sollten sich entkräftete Näherinnen aus Wiesbaden für zwei bis drei Wochen von ihrer schweren Arbeit erholen. Bis heute steht das Haus fast unverändert im Ort, allerdings steht es nicht unter Denkmalschutz.
Unterrichtete Gasser damals noch im 1815 errichteten Rathaus, wurde 1932/33 die Ros-sertschule am Ortseingang erbaut. Die Zwergenschule, die von Handwerkern aus der Umgebung erschaffen wurde, verfügte über ein Kellergeschoss, in dem sich das Gemeindebad mit zwei Duschen und einem Kinderbecken befand. Im 1. Geschoss fand der Lehrer seine Bleibe. Noch heute dient das Gebäude dem Zwecke der Wissensvermittlung.
Unrühmliches Kapitel
Im frühen 20. Jahrhundert war Eppenhain als Luftkurort anerkannt und lockte wohlhabende Frankfurter Bürger zur Sommerfrische. Viele historische Bauten im Ort zeugen noch von dieser Zeit. So auch die „Villa Hochschild“, ein stattlicher Gutshof am Rande von Eppenhain mit einer bewegenden und tragischen Geschichte. Der deutsche Kaufmann Zachary Hochschild, Königlicher Kommerzienrat, erster und alleiniger Vorstand der Metallgesellschaft AG und der Metallurgischen Gesellschaft AG sowie Aufsichtsrat der Berg- und Metallbank AG in Frankfurt am Main, ließ 1911/12 das Domizil für über 1 Million Goldmark errichten. Es verfügte über ein Eishaus, eine Kegelbahn, einen Tennisplatz, Schwimmbecken, Stallungen und ein Rosarium. Leider verstarb Hochschild 1912 und seine Witwe Philippine wohnte von daran alleine mit den vier Kindern auf dem Gutshof. Nach dem 1. Weltkrieg stellte sie die Gebäude als Erholungsheim für Kriegsversehrte zur Verfügung. Sie verstarb 1931 und musste nicht miterleben, wie 1933 die Erben im Rahmen der „Entjudung“ gezwungen wurden, das Gut an die Stadt Frankfurt zu verkaufen. Für lächerliche 110.000 Reichsmark kam es zu einer Art Enteignung. Der damalige Frankfurter Bürgermeister Friedrich Krebs verpachtete das gesamte Gelände an die SA (Sturmabteilung), die hier eine Reichsschule errichtete. Nach dem Krieg blieb die Stadt Besitzerin und hat bis heute keine ausgleichende Zahlung an die jüdischen Erben, zu der sie gesetzlich verpflichtet ist, geleistet.
Heute ist Eppenhain ein Erholungsort, der zwar seine staatliche Anerkennung verloren hat, aber nichtsdestotrotz mit gut beschilderten Wanderwegen und einem waldreichen Plateau im Hohen Taunus Erholungssuchende anlockt. Der höchste Berg der Gemarkung ist der Rossert, der Hausberg Eppenhains. Nebenan auf dem Atzelberg thront der Luisenturm, der heutige Atzelbergturm, von dem aus man einen beeindruckenden Ausblick auf das kleine, verträumte Örtchen Eppenhain und den Taunus hat. Es lohnt sich, hier einmal Station zu machen.