Französische Revolution zum Anfassen auf dem Rettershof

Die Kanoniere in voller Montur beim Abfeuern ihrer Kanone. Ohren zuhalten!

Die Französische Revolution kennt jeder zumindest aus den Schulbüchern. Dass sie aber direkt vor der Haustür in und um Kelkheim stattfand, ist kaum jemandem bekannt. „Freiheit und Gleichheit“ der ersten Jahre der Revolution wich 1792 der Schreckensherrschaft der Jakobiner in Paris, und bald schon entstand daraus ein Krieg, der Europa 23 Jahre in Atem halten sollte. Als das erste Revolutionsheer sich vor Fischbach ankündigte, überlegten die Leute im Ort keinesfalls, was denn überhaupt die Französische Revolution sei – nein, sie fragten sich, was denn Franzosen seien. So erinnerten sich die Ältesten, dass die Franzosen „so etwas wie Türken“ wären und man bastelte daraufhin eine weiße Freiheitsfahne mit einem Halbmond aus Goldpapier an der Spitze. Umso größer das Erstaunen, dass das Heer der Franzosen weitgehend deutsch sprach, denn die meisten stammten aus dem Elsass. Ihr Feldherr General Custine hatte aber ein eigenes Verständnis von der neuen „Freiheit und Gleichheit“, hatte ohne Befehl seiner Vorgesetzten den Feldzug begonnen und plünderte im Taunus die Ämterkassen, um seine Armee zu versorgen und Überschüsse davon nach Paris zu senden. Bald schon hatte er hier den Spitznamen „Freiheitsschwindler“ weg. Frankfurt wurde um zweieinhalb Millionen Gulden erpresst, weshalb der Magistrat in die politische Trickkiste griff: Er bot allen Bürgern für ihre Einlage eine Verzinsung von vier Prozent an. Mit durchschlagendem Erfolg, denn vom Fischer bis hin zum Bankier trug jeder nun gerne sein Erspartes auf den Römer. Gleichzeitig nahm der Unmut gegen die neuen Besatzer zu. Bald schon erschien in der Wetterau ein Heer von Preußen und Hessen. Erst gelang es ihnen, die eilig von den Franzosen bei Oberursel aufgeworfenen Custine-Schanzen zu umgehen. Eine zweite Verteidigungslinie hinter dem Rettershof hielt ebenfalls nicht lange.

Heute wie damals mit dabei war das 1er Régiment d‘artillerie à pied, das sich am ersten Oktoberwochenende originalgetreu mit Laubhütten und einigen Zelten auf der Wiese des Obst- und Gartenbauvereins am Rettershof niedergelassen hatte. Zur Freude der kleinen und großen Besucher, die Geschichte zum Anfassen bekamen, denn die Kanoniere waren originalgetreu in ihrer Ausrüstung und Kleidung jener Jahre erschienen. Genagelte Schuhe, geflickte Kleidung und Suppe aus dem Erdofen gehörten natürlich mit dazu. Und die Erkenntnis, dass ein friedliches Beisammensein der Nationen das Allerwichtigste ist. Die Vorführung mit dem Ritt auf der Kanonenkugel à la Münchhausen fiel zwar mangels Übung der Artilleristen aus, aber insbesondere gerade die jüngsten Zuschauer durften es wagen, auf dem Kanonenrohr zu sitzen. Die Veranstaltung war, wie schon zwei Jahre zuvor, von der in Kelkheim ansässigen Stiftung Historische Kommission für die Rheinlande 1789-1815 organisiert worden, wofür in bewährter Weise wieder der Leiter der Stiftung, Mark Scheibe aus Fischbach, zur Freude der Zuschauer sorgte.

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