Kelkheim (ju) – Verletzte Pfoten, eingefallene Bäuche, ein stumpfes, verfilztes Fell – so sieht der Alltag vieler Streunerkatzen aus. Sie streifen durch die Straßen, auf der Suche nach Futter, nach einem trockenen Platz zum Schlafen. Manche sind ausgehungert, andere krank. Vor allem trächtige Katzen oder Jungtiere kämpfen ums Überleben. Oft werden sie Opfer von Krankheiten, Hunger oder Verkehrsunfällen. Doch das Problem wächst weiter, denn ohne Eingreifen steigt die Zahl dieser Katzen unkontrolliert. Genau hier soll die neue Katzenschutzverordnung, die von der SPD im vergangenen Jahren als Antrag ins Stadtparlament eingebracht wurde, helfen. Sie tritt ab dem 1. Juni in Kraft.
Ein wachsendes Problem
Die Zahl der Streunerkatzen in Kelkheim steigt stetig. Jedes Jahr werden neue Tiere entdeckt, viele von ihnen in schlechtem Zustand. Dabei sind es nicht nur wilde Katzen, sondern oft auch ausgesetzte oder entlaufene Tiere, die sich auf der Straße durchschlagen müssen. Die meisten von ihnen sind nicht kastriert – und das bedeutet: Sie bekommen Nachwuchs. Ein einziges Katzenpaar kann in wenigen Jahren Hunderte Nachkommen zeugen. Ohne Kontrolle wächst das Problem ins Unermessliche.
Die steigende Zahl in Teilen des Stadtgebiets ruft dringend zu einem gemeinschaftlichen Umdenken auf. Der Umgang mit diesem Problem ist nicht nur eine Frage des Tierschutzes, sondern auch der Verantwortung gegenüber unserer Umwelt und den Mitmenschen. Stefan Jerzembek, Jurist und Experte vom Hessischen Ministerium für Landwirtschaft und Umwelt, Stabsstelle Landesbeauftragter für Angelegenheiten des Tierschutzes, hat in einem fundierten und bewegenden Vortrag eindringlich auf die Wichtigkeit und Dringlichkeit einer Katzenschutzverordnung hingewiesen. Rund 20 Bürgerinnen und Bürger waren der Einladung zum Infoabend im Plenarsaal gefolgt. Deutlich weniger als bei der Diskussion um die Leinenpflicht, aber es besteht doch Interesse daran, zu verstehen, was die Verordnung für Otto Normalverbraucher bedeutet.
„Es ist kein Mittel, mit dem die Verwaltung die Bürger drangsalieren will“, erklären Bürgermeister Albrecht Kündiger und Stefan Jerzembek unisono. Aber „die Zahl der Streunerkatzen steigt, und das ist nicht nur ein Problem für die Tiere selbst, sondern auch für die Stadt. Es gibt gesundheitliche Risiken, Anwohner fühlen sich gestört, und das Leid der Tiere kann nicht ignoriert werden.“ Deshalb habe man sich entschieden, eine Katzenschutzverordnung einzuführen.
Was bedeutet die Verordnung für Katzenhalter?
Mit der neuen Verordnung sind Katzenhalter in Kelkheim verpflichtet, ihre Freigängerkatzen kastrieren und registrieren zu lassen. Das bedeutet: Wer seine Katze nach draußen lässt, muss sicherstellen, dass sie sich nicht unkontrolliert fortpflanzt. Zudem sollen herrenlose Katzen, die eingefangen werden, kastriert und anschließend wieder freigelassen werden, um die Vermehrung zu stoppen.
Die Kosten für die Registrierung und Kastration von Katzen – je nach Tierart zwischen 120 und 170 Euro – seien für die meisten Haushalte erschwinglich. Zudem gebe es Unterstützung für Findeltiere und verwilderte Katzen, sodass auch finanziell benachteiligte Personen einen Beitrag leisten können. Denn eine einzige unkastrierte Katze kann innerhalb eines Jahres bis zu zwölf neue Streuner in die Welt setzen – eine Spirale ohne Ende.
Ein weiteres Ziel der Verordnung ist die Verantwortungsübernahme durch Katzenbesitzer. Wer eine Katze hält, muss sich bewusst sein, dass dies auch mit Verpflichtungen einhergeht. Viele Streunerkatzen stammen ursprünglich aus Haushalten, wurden ausgesetzt oder sind weggelaufen. „Es gibt immer wieder Fälle, in denen sich Menschen ein süßes Katzenbaby anschaffen und später feststellen, dass sie sich nicht mehr kümmern wollen. Diese Tiere landen dann auf der Straße“, erklärt Irene Schimmelpfennig von der Katzeninitiative Kelkheim und die Frau, die den Anstoß für die Notwendigkeit einer Katzenschutzverordnung gab.
Was passiert mit bereits streunenden Katzen?
Ein großer Teil der aktuellen Streunerkatzen stammt aus früheren Würfen unkontrollierter Freigängerkatzen. Doch was geschieht mit diesen bereits herrenlosen Tieren? Hier kommen Tierschutzvereine ins Spiel. „Wir arbeiten bereits seit Jahren daran, Streuner zu kastrieren und wenn möglich zu vermitteln“, so eine Sprecherin des Tierheims Kelkheim. Aber man stoße an die Grenzen des Machbaren und erhoffe sich von der Verordnung mehr Handhabe und Rechtssicherheit. Die Stadt will den Tierschutz weiter unterstützen, damit eingefangene Katzen tierärztlich versorgt und in einigen Fällen in Pflegestellen oder neue Familien vermittelt werden können. Katzen, die sich nicht an Menschen gewöhnen lassen, sollen nach der Kastration wieder in ihrem gewohnten Revier freigelassen werden.
Warum ist die Verordnung so wichtig?
Jerzembek verdeutlichte zunächst die besorgniserregenden Auswirkungen der zunehmenden Zahl streunender Katzen. Diese Tiere sind oft nicht nur selbst gesundheitlich gefährdet, sondern stellen auch eine Bedrohung für heimische Tierarten dar. Insbesondere Vögel, kleine Säugetiere und Amphibien sind durch Katzen gefährdet. Zudem können streunende Katzen Krankheiten verbreiten, die andere Tiere und in seltenen Fällen auch Menschen betreffen können. Außerdem stellen sie auch eine Gefahr für den Autoverkehr dar. Ohne eine verbindliche Regelung würde sich die Situation weiter verschärfen. Andere Städte, die bereits eine Katzenschutzverordnung eingeführt haben, berichten von positiven Entwicklungen. „Die Zahl der Streuner sinkt deutlich, und die Tierheime sind entlastet“, heißt es aus vergleichbaren Gemeinden.
Verantwortung teilen
Die Katzenschutzverordnung setzt auf eine klare Struktur: Katzenhalter müssen ihre Tiere registrieren und kastrieren lassen, um eine unkontrollierte Vermehrung zu verhindern. Stefan Jerzembek betonte in seinem Vortrag, dass dies kein Versuch sei, den Bürgern neue Lasten aufzuerlegen. Vielmehr gehe es darum, gemeinsam eine nachhaltige Lösung für ein wachsendes Problem zu finden. Er führte aus, dass diese Maßnahmen langfristig sowohl den Katzen als auch der Stadt und ihren Bürgern zugutekommen werden.
Doch der Erfolg hängt von der Mitarbeit der Bürger ab. Wer sich weigert, seine Freigängerkatze kastrieren zu lassen, riskiert nicht nur ein Bußgeld, sondern trägt dazu bei, dass das Problem bestehen bleibt. „Es geht nicht darum, Menschen zu bevormunden, sondern darum, Tierleid zu verhindern“, betont Bürgermeister Kündiger. „Jeder, der Katzen liebt, sollte verstehen, dass eine Kastration das Beste ist – für die Tiere und für die Gemeinschaft.“ Auch Jerzembek appellierte an die Katzenhalter in Kelkheim und darüber hinaus, ihren Teil zu leisten. Es sei wichtig, die langfristigen Vorteile dieser Maßnahmen zu erkennen und aktiv mitzuwirken.
Die Katzenschutzverordnung in Kelkheim ist ein klares Zeichen dafür, dass Tierschutz nicht nur auf institutioneller, sondern auch auf individueller Ebene gelebt werden muss. Mit der Unterstützung und dem Engagement jedes Einzelnen kann diese Herausforderung gemeistert und eine bessere Zukunft für Mensch und Tier geschaffen werden. Stefan Jerzembek hat dies mit Leidenschaft und Nachdruck verdeutlicht – ein Appell, der gehört und umgesetzt werden muss.