Kelkheim (ju) – An diesem Abend in der Stadthalle kann Nicole John, Leiterin der Kindertagesstätte „Regenbogen“ schon wieder lächeln. Die Chancen, dass die Stadtverordneten grünes Licht geben für die Übernahme der Evangelischen Kita durch die Stadt Kelkheim, standen mehr als gut. Und am Ende des Tagesordnungspunktes, bei der Abstimmung, hoben die Abgeordneten von SPD, CDU, ukw, FW und die fraktionslose Ivaloo Schölzel ihre Hand und ebneten damit den Weg zur Übernahme. Nur die FDP enthielt sich bei der Abstimmung.
Sondersitzung der Ausschüsse
Vergangenen Donnerstag war das Gesicht von Nicole John noch gezeichnet von den Strapazen und der Ungewissheit, wie es mit der Kita weitergeht. Sie war gemeinsam mit ihrer Stellvertreterin Yvonne Schwainer und einer Elternbeirätin zur gemeinsamen Sondersitzung des Ausschusses für Soziales, Vereine, Kultur und Integration und des Haupt- und Finanzausschusses gekommen, um zu erfahren, ob sich die Ausschüsse dafür entscheiden, einen Beschluss zur Übernahme zu fassen, den das Parlament dann absegnen soll. Nervös und mit geröteten Augen verfolgte sie die einführenden Worte des Bürgermeisters, der den Mitgliedern noch einmal einen kleinen Abriss der Ereignisse vortrug.
So hatte sich die evangelische Stephanusgemeinde im Dezember mit einem Schreiben an den Rathauschef gewendet und den Wunsch geäußert, die Kindertagesstätte „Regenbogen“ zum 1. Januar 2024 der Stadt Kelkheim zu übergeben. Die ehrenamtlich geführte Kirchengemeinde sah und sieht sich nicht mehr in der Lage, die Trägerschaft mit allen umfassenden Aufgaben und die Verwaltung des Gebäudes weiter auszuüben. Man befände sich im „ständigen Krisenmodus“ und wolle den Mitarbeitern die Unsicherheit nehmen. Zahlreiche Gespräche mit Kirchenvorstands-Chef Thomas Kirst, der evangelischen Kirche, den Mitarbeitern der Kita und dem Landkreis folgten, Kündiger wollte so schnell wie möglich handeln. Andere Kirchengemeinden hatten kein Interesse an der Übernahme der Einrichtung bekundet, die Zeit drängte.
So war auch sein Appell an die Ausschussmitglieder eindringlich. „Wir brauchen einen Grundsatzbeschluss der Politik, der den Mitarbeitern signalisiert, dass ihre Zukunft gesichert ist.“ Kündiger hatte dabei auch die ohnehin angespannte Erziehersituation im Blick. „Wenn wir jetzt nicht handeln, wandern Mitarbeiter ab. Sie können sich jetzt schon ihren Arbeitsplatz aussuchen, also sollte es unsere dringlichste Aufgabe sein, sie hier in Kelkheim zu halten“, so seine Worte an die Ausschussmitglieder. Die ukw stimmte in den Canon des Bürgermeisters mit ein und wies auf die Vorteile hin, wenn die Stadt den Kindergarten übernehmen würde. „Wir haben derzeit 2 Kindergärten und eine Krippeneinrichtung in städtischer Hand, wir könnten es leisten, auch eine dritte dazu zu nehmen und Synergien zu nutzen, gerade in Hinblick auf den Fachkräftemangel“, mahnte Doris Salmon an. Mit einer weiteren Einrichtung könnte man bei Personalmangel auch mal Mitarbeiter verschieben und so eventuell drohende Schließzeitenänderungen abwenden.
Vielleicht doch eine Ausschreibung?
Die Koalition tat sich schwer, den Weg zu gehen. Zu viel Unwägbarkeiten, noch keine vertraglichen Regelungen, wird die Betriebserlaubnis reibungslos übergehen können, kann die Verwaltung eine weitere Einrichtung stemmen – die Koalitionäre waren sich unsicher. Michael Trawitzki (FDP) hätte gern mehr Zeit, um sich eingehender damit zu beschäftigen, würde gern mit anderen Trägern Gespräche führen. Auch eine Ausschreibung wird von CDU, FDP und SPD in den Ring geworfen. Bürgermeister Kündiger wird allerdings nicht müde, immer wieder zu betonen, dass für eine Ausschreibung keine Zeit wäre. „Die Vergabe der neuen Kitaplätze erfolgt im März, wenn wir bis dahin keine Sicherheit vermitteln können, haben wir schlechte Karten“, so Kündiger. Eine Ausschreibung würde mehrere Wochen in Anspruch nehmen, Zeit, die nach Ansicht des Bürgermeisters nicht da ist. Doch die Koalition hakte nach. „Ist die Stadt wirklich der beste Träger?“ oder „Ist die Verwaltung in der Lage, eine weitere Einrichtung zu betreuen, müsste dafür nicht aufgestockt werden?“ waren nur einige Fragen, die aufkamen. Die Fronten schienen verhärtet, eine schnell und zufriedenstellende Lösung in weite Ferne zu rücken.
Emotionaler Auftritt
Bis jemand in den Reihen der Ausschussmitglieder auf die Idee kam, doch der anwesenden Leitung das Wort zu erteilen. Das war der von Markus Göllner (ukw) festgestellte „Game-Changer“. Überaus emotional berichteten John und Schwainer von der „Berg und Tal-Fahrt“ der letzten Monate. Der herrschenden Unsicherheit, dem Gefühl, „von der Kirche im Stich gelassen worden zu sein“, wie Schwainer es in Worte fasste. Man brauche Sicherheit, doch die könne die Leitung nicht geben, erklärte auch Nicole John. Die Mitarbeiterinnen, viele von ihnen schon lange in der Kita beschäftigt, bangen um ihren „sicheren Job“. „Die Zeit drängt für einen Trägerwechsel. Wir sind von der Stadt immer gut betreut worden, haben immer ein offenes Ohr vorgefunden, man hat uns mit Rat und Tat begleitet“, lobt die Leiterin. Dieses Vertrauensverhältnis möchte man beibehalten. „Wir möchten die Stadt als Träger, weil wir wissen, dass es gut wird“, waren dann die alles entscheidenden Worte von ihr.
Damit hatten sie die Ausschüsse. Sabine Heffter (CDU) dankte für die Ehrlichkeit und fügte an: „Sie sind das wichtigste Gut in diesem Kindergarten.“. CDU-Fraktionschef Carsten Schrage, der seine Kinder in der Einrichtung hat, fand die Abschlussworte, auf die John und Schwainer gehofft hatten. „Wir denken, man sollte ihrem Wunsch folgen.“
Das hat das Stadtparlament dann am Montag auch getan.
Gemäß der aktuellen Betriebserlaubnis sind in der Einrichtung in 3 U3-Gruppen mit je 10 Plätzen und in 3 Ü3-Gruppen mit je 20 Plätzen genehmigt. Aufgrund des derzeitigen Fachkräftemangels musste eine Ü3 Gruppe geschlossen werden. Rund 20 Mitarbeiter/innen einschließlich Fachkräfte, Aushilfen, Koch, Hauswirtschaftskraft usw. sind in der Kindertagesstätte beschäftigt.