Naturbetrachtungen aus Kelkheim und UmgebungDer Rotrückenwürger hat wieder zugeschlagen

Warten auf Beute: Der Rotrückenwürger in Wartestellung, um dann gleich Beute zu jagen – auch Schmetterlinge.

Kelkheim (kez) – Der Rotrückenwürger oder Neuntöter ist bei uns ein seltener Vogel und an vielen Stellen seines Vorkommens stark rückläufig. Im Juni letzten Jahres sah ich die Art nach 30 Jahren erneut hinter meinem Garten.

Über das Erscheinen dieser von mir so lange nicht mehr gesehenen Art war ich doch erstaunt, denn die Bedingungen für sein Vorkommen haben sich nicht verbessert. In den folgenden Tagen sah ich den Vogel regelmäßig immer entweder auf Baumwipfeln oder aber auf waagrechten Ästen. Hier verharrte er manchmal fünf Minuten oder länger, um dann abzufliegen. Es war ein Männchen, denn der rötliche Rücken und der schwarze Augenstreif ließen keine Zweifel aufkommen.

Doch warum war er hier? Viele Stunden geduldigen Beobachtens waren nötig, um den Grund seiner Anwesenheit aufzuklären.

Vorsichtig näherte ich mich einem seiner Lieblingssitzplätze, einem dornigen Strauch inmitten einer großen Wiese. Da tauchte ein zweiter Würger auf, der deutlich weniger markant gezeichnet war und daher sofort als ein weiblicher Vogel derselben Art zu erkennen war.

Die Beiden waren ausgezeichnete Insektenjäger. Immer wieder stiegen sie fast senkrecht in die Luft auf, um dort ein Insekt zu fangen. Bei genauerem Hinsehen konnten Hummeln und Käfer identifiziert werden. Doch sie jagen auch gerne auf dem Boden, dort waren es dann Heuhüpfer oder Raupen.

Ein paar Tage danach, die große Überraschung: der Würger hatte in dem Busch sein Nest. Und nur ein paar Tage später sah ich –zusammen mit einem Kollegen - zwei Jungvögel im Geäst, die auf Futter warteten.

Kurz darauf wurde die Wiese rund um den Nistplatz gemäht. Es stand zu befürchten, dass die fast flugfähigen Jungvogel abwandern könnten. Doch der Verdacht war unbegründet, denn die Beiden wurden einen Tag darauf erneut gesichtet und blieben noch einige weitere Tage in ihrem Busch. Wir hatten um diese Zeit viele Falter auf einem Schmetterlingsstrauch außerhalb unseres Gartens.

Da tummelten sich Augenfalter , Tagpfauenauge, Kleiner Fuchs, Admiral, C-Falter, Kaisermantel und Dickkopffalter, jeder wollte am süßen Nektar naschen. Doch tags darauf waren bis auf die Dickköpfe und ein paar kleinere Augenfalter die Flattermänner verschwunden.

Die beiden Neuntöter kamen mir zuerst nicht in den Sinn, denn der unberechenbare Flug der Schmetterlinge schützt sie eigentlich gut vor Nachstellungen. Weitere Beobachtungen ergaben aber, dass diese Jäger sich oft ganz in der Nähe, manchmal aber sogar auf dem Schmetterlingsflieger zeigten. Doch es gelang auch in den Folgetagen nicht, den Fang der Schmetterlinge direkt zu beobachten.

Das glückte erst in diesem Jahr, denn der Würger ist wieder zurück. Zwar scheint er bisher allein, doch die Schmetterlinge haben es ihm erneut angetan. Jetzt wurde tatsächlich gesehen, wie er einen Falter direkt auf dem Schmetterlingsstrauch erbeutete. Doch er hatte wohl nicht richtig zugepackt, denn er entkam in letzter Sekunde.

Kurz darauf flog der Vogel senkrecht nach oben, um einen Schmetterling in der Luft zu erhaschen. Damit war der Beweis erbracht, dass Neuntöter so geschickte Jäger sind, dass sie diese Insekten erbeuten können. Jetzt erinnerte ich mich auch, dass man in der Natur manchmal Schmetterlinge sieht, denen ein Teil eines Flügels fehlt. Dies dürfte darauf zurückzuführen sein, dass sie von einem Vogel gejagt wurden. Wenn sich dadurch der seltene Vogel erneut bei uns vermehrt, dann muss man diesen Aderlass wohl akzeptieren.

Klaus Schurian

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