Politik zum Anfassen – Oberstufe des Richter Gymnasiums diskutiert mit Hessenwahl-Kandidaten

Fabian Beine (CDU), Konstantin Lotz (Die Linke), Elias Shieh, (FDP), Gianina Zimmermann (Grüne) und Lisa Henties (SPD) stellten sich den Fragen der Schülerschaft. Mal herrschte Konsens, mal gingen die Meinungen auseinander – aber der Ton war ein freundlicher und umgänglicher. So sollte Politik funktionieren.Foto: Judith Ulbricht

Kelkheim (ju) – Die Schule soll heute vieles – am besten gleichzeitig: Wissen vermitteln, Werte weitergeben, Integrationsarbeit leisten und den sozialen Aufstieg für alle ermöglichen. Dass sie dem nicht immer nachkommen kann, war auch Thema bei der Diskussionsrunde der Oberstufe des Dr. Richter Gymnasiums, zu dem Vertreter aller im hessischen Landtag vertretenen Parteien eingeladen waren.

Erstwähler

Denn die Landtagswahl steht vor der Tür und unter den rund 150 anwesenden Schülerinnen und Schülern befand sich der ein oder andere Erstwähler. So fasste es auch Schulleiterin Marion Polydore zusammen, die in der Diskussion einen Beitrag zur politischen Bildung sieht. „Die beiden Fachlehrer Dr. Carsten Rast und Markus Bähr haben die Schüler im Politikwissenschaftsunterricht gut vorbereitet, es wurde ein Fragenkatalog erarbeitet und jetzt haben sie die Möglichkeit, die Standpunkte der unterschiedlichen Parteien zu hören und zu entscheiden, ob sie die Interessen des Einzelnen vertreten.“

Und so sahen sich Fabian Beine (CDU), der den Direktkandidaten Christian Heinz vertrat, Konstantin Lotz (Die Linke), Elias Shieh (FDP), Gianina Zimmermann (Grüne) und Lisa Henties (SPD und Ersatzkandidatin für Nancy Faeser) einer gut vorbereiteten Schülerschaft gegenüber. Die Moderation übernahmen Ava (17) und Felix (18), beide im Leistungskurs Politikwissenschaft und sehr daran interessiert, eine ausgewogene und nicht ausschweifende Diskussion zu führen. Felix als Erstwähler gab dann auch zu, dass er schon eine gewisse Tendenz für seine Wahlentscheidung habe, „aber vielleicht werde ich ja heute noch anderweitig überzeugt.“

Meinungsbild

Um die Diskussion etwas anschaulicher zu gestalten, wurde sie in zwei Veranstaltungsteile geteilt. Nach einer kurzen Vorstellungsrunde ging es für die Politiker auf die Bühne der Stadthalle für ein These-Reaktions-Spiel, dass das Meinungsbild der Politiker wie einer Auswahl von Schülerinnen und Schülern widerspiegeln sollte. Vor der Bühne waren in den Farben grün (Zustimmung) und rot (Ablehnung) Bereiche abgeklebt, in denen sich die Schüler bewegen konnten. Themen waren Bildung, Umwelt, Soziales/Sicherheit und Wirtschaft. Und schon gleich bei der ersten These zeigten sich Diskrepanzen zwischen dem Empfinden der Politik und der Schülerschaft. Denn auf die Aussage: Digitale Medien werden ausreichend eingesetzt – reagierte die Politik eher mit Zustimmung, die Schüler eher mit Ablehnung oder besser gesagt einem klaren „Da geht noch was!“. Da waren sich dann auch die Vertreter der Parteien einig – mehr Endgeräte, bessere digitale Ausbildung der Lehrkräfte schon im Studium, Cybersicherheit und höheres Investment in Bildung generell waren allen ein Anliegen. Fabian Beine dachte Schule und Bildung noch weiter, erachtete es als wichtig, dass auch Experten für bestimmte Fachgebiete an Schulen arbeiten sollten, gerade was den Bereich Medienkompetenz und Sicherheit im Netz anbelangt. Bei all der Problematik verwunderte es auch nicht, dass die Schüler der These „Die Lehrer verfügen über ausreichende Kompetenzen im digitalen Bereich“ eine Absage erteilten. Dass das Thema Schule und Bildung bewegt, liegt nahe und so drehten sich noch weitere Thesen um den Föderalismus und das Schulniveau.

Sicherheit

Interessant wurde es dann beim Thema Sicherheit, das auch in der Diskussionsrunde noch einmal Gegenstand sein sollte. Auf die These „Es ist an Bahnhöfen in Kelkheim, Frankfurt und Umgebung sicher“ rückte die Politik ganz auf Zustimmung, wohingegen die Schülerschaft gespalten war. Es waren die Mädchen, die in den roten Bereich rückten und damit signalisierten, dass sie sich nicht mehr so sicher fühlen. Dass in diesem Bereich Handlungsbedarf besteht, wurde von den Politikern nicht negiert. Man müsse ehrlich über die Migrationspolitik reden, aber auch wieder in mehr Vertrauen in die Polizei investieren. Generell fühlen sich Schüler wie Politiker in Deutschland aber sicherer als in anderen europäischen Ländern (weitere These). Konsens herrschte bei den Aussagen zum Pflegepersonal und dem ÖPNV.

Fragerunde

Großes Thema in der Fragerunde der Schüler war der überall vorherrschende Lehrermangel, der vor keiner Schule Halt macht. Elias Shieh sieht die Problematik auch und stellt die Überlastung der Lehrkräfte in den Vordergrund. Zuviel Verwaltungsaufgaben, zu wenig Zeit für Unterricht und Unterrichtsvorbereitung. Warum also nicht für diesen Bereich Verwaltungsfachkräfte anstellen, um Lehrer zu entlasten? Auch den Quereinstieg möchte er erleichtern und attraktiver machen. Und: Vielleicht sollte man zentralistischer denken.

Zustimmung für seine Aussagen gab es von Lisa Henties, die auf ein weiteres Problemfeld aufmerksam machte, das angegangen werden sollte – die befristeten Verträge von Lehrkräften. Diese sollten ihrer Meinung nach entfristet werden, um Sicherheit zu schaffen und eine Bindung an die jeweilige Schule fördert. Auch Fabian Beine sieht die Notwendigkeit, auf die demografischen Entwicklungen (in den nächsten Jahren gehen viele sogenannte Boomer in Rente) zu reagieren, auch wenn Hessen derzeit zahlenmäßig ein Überangebot an Lehrern hat. Konstantin Lotz sieht eine Chance für mehr Lehrer auch in der Vereinfachung der Anerkennung von ausländischen Abschlüssen.

Zum Thema Migration und Sicherheit machte Elias Shieh einen Vorschlag, der den Namen schnelle Integration verdiene – ein Punktesystem nach Neuseeländischem und Kanadischem Vorbild. Kriterien wie Ausbildung, die beruflichen Qualifikationen, die Sprachfähigkeit oder die Arbeitserfahrung spielen da hinein und werden in einem Punktesystem zusammengefasst. Je nach Qualifikationen und Erfahrungsstand erhalte jede Person eine bestimmte Punktzahl, die sie dann für einen Job qualifiziere. Dafür müsse seiner Ansicht nach, aber erstmal Struktur in die Debatte kommen, denn „Migration ja, aber dann bitte auch Integration.“



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