„Schlämmer“ – Koalition lenkt nach Hin und Her ein – Antrag auf Aufhebung des Aufstellungsbeschlusses

Die Koalition lenkt ein, die zusätzliche Fläche, hier mit einer Menschenkette markiert, wird aus dem Bebauungsplan herausgenommen.Foto: Judith Ulbricht

Kelkheim
(ju) – Kopfschüttelnd verlässt Hans-Georg Sachs den Plenarsaal im Kelkheimer Rathaus. Der Mitinitiator der Bürgerinitiative „Schlämmer“ ist mehr als ratlos. „Üblicherweise kommt man nach dem Besuch eines Rathauses klüger heraus als man hineingegangen ist. Das kann ich von meinem Rathausbesuch heute nicht behaupten“, so der Naturschützer.

Was war passiert? An diesem Abend tagte der Haupt- und Finanzausschuss. Erster Punkt auf der Tagesordnung: Bürgerbegehren zum geplanten Baugebiet „Vor dem Schlämmer“ - Bebauungsplan Nr. 194-12 in Kelkheim-Münster. Ergebnis: Der Ausschuss hat in diesem Punkt nichts beschlossen und gibt damit keine Empfehlung an die Stadtverordnetenversammlung. „Ich hätte mir gewünscht, dass zumindest der Teil des Beschlussvorschlages, der die Ordnungsmäßigkeit des Bürgerbegehrens bestätigt, mit einer entsprechenden Beschlussempfehlung behandelt worden wäre, denn nur nach diesem Beschluss gibt es die Möglichkeit auch einen neuen Sachbeschluss zu fassen“, resümiert Sachs den ernüchternden Abend.

Vorausgegangen war eine denkwürdige Diskussion zwischen der Koalition (CDU,FDP und SPD) und der ukw und eine Sitzungsunterbrechung, beantragt von der Koalition. Maximilian Alter, Fraktionsvorsitzender der ukw, hatte noch kurz vor der Ausschusssitzung einen Änderungsantrag in die Hände der Ausschussmitglieder gegeben, in der Hoffnung, einen Konsens zu finden und die Angelegenheit „Schlämmer“ ohne Bürgerentscheid „endlich in die Umsetzung zu bringen“. Der Änderungsantrag für eine neue Beschlussfassung enthielt folgende Punkte:

1. Das Bürgerbegehren zum geplanten Baugebiet „Vor dem Schlimmer“ – Bebauungsplan Nr. 194-12 in Kelkheim-Münster ist zulässig.

2. Dem Bürgerbegehren wird stattgegeben. Der Beschluss der Stadtverordnetenversammlung der Stadt Kelkheim vom 07.03.2022 zur Ausstellung eines Bebauungsplans Nr. 194-12 mit der Bezeichnung „Vor dem Schlämmer“ wird aufgehoben.

3. Das Planungsverfahren „Vor dem Schlämmer“ wird auf Grundlage der Vorlage 3L-009/21 vom 22. Juli 2021 mit der damaligen Planung als ordentliches Bebauungsplanverfahren mit anschließender amtlicher Umlegung fortgeführt.

4. Die Stadtverordnetenversammlung spricht sich dafür aus, die übrige Fläche des „Schlämmer“ im regionalen Flächennutzungsplan von einer Bebauung auszunehmen.

Von Seiten der Koalition gab es für diesen Änderungsantrag keine Zustimmung. Vielmehr wurde moniert, dass der Antrag erst jetzt auftauche und die Parteien keine Zeit gehabt hätten, diesen intern zu besprechen. „Ich maße mir hier nicht an, über die Köpfe meiner Fraktionsmitglieder zu entscheiden“, erklärte Michael Trawitzki, Fraktionschef der FDP. Außerdem wurde die Rechtmäßigkeit des Änderungsantrags angezweifelt, was aber von der anwesenden Leiterin des Haupt- und Rechtsamt, Dr. Karin Schmitges-Thees, nicht bestätigt werden konnte.

Die ukw, die nach Aussage von Alter, schon seit längerem versucht hätte, die Koalition zu Gesprächen miteinander zu bewegen, zeigte sich überaus kompromissbereit. „Wir können über alles reden, was zum Beispiel die Höhe der Bebauung anbelangt oder auch andere Punkte, die der Koalition und den Anwohnern des Schlämmers wichtig sind“, signalisierte der Fraktionsvorsitzende. Wichtig war ihm auch noch mal zu betonen, dass nicht das gesamte Baugebiet „Vor dem Schlämmer“ angegriffen werden sollte, sondern nur die 6.000 Quadratmeter, die nachträglich hinzukamen. „Es wird Zeit, dass wir den Bürgern das Signal geben ’Ja, wir haben es verstanden!’ und endlich beginnen, den dringend benötigten Wohnraum zu schaffen, ohne unbedingt 20.000 Euro für einen Bürgerentscheid ausgeben zu müssen“, plädierte Alter und spielte damit auf die Kosten an, die auf die Stadt im Falle eines Bürgerentscheides zukommen würden. Denn schließlich müssten Wahlbenachrichtigungen verschickt, Wahllokale geöffnet und mit Personal besetzt werden. Allgemein zeigten sich einige Ausschussmitglieder und die Besucher der Ausschusssitzung, vornehmlich Unterstützer der Bürgerinitiative, irritiert ob der Haltung der Koalition, hatte doch ein Artikel im Höchster Kreisblatt ein Entgegenkommen der Koalition suggeriert. „Stand heute werden wir keine Entscheidung treffen. Diese wird in der Stadtverordnetenversammlung fallen“, erklärte Trawitzki dann auch noch einmal unmissverständlich. Und so kam es, dass Carsten Schrage, Fraktionsvorsitzender der CDU, nach der einstündigen Diskussion den Antrag auf „keine Beschlussfassung“ stellt und das Ergebnis das Kopfschütteln von Hans-Georg Sachs verursachte.

Kehrtwende

Doch jetzt, eine Woche später und kurz vor Redaktionsschluss die Kehrtwende von Seiten der Koalition. In einem Antrag an die Stadtverordnetenvorstehenerin Julia Ostrowicki zur Sitzung der Stadtverordnetenversammlung am 11. Juli bittet die Koalition darum, die Stadtverordnetenversammlung möge die Aufhebung des Aufstellungsbeschlusses vom 07.03.2022 bezüglich des Bebauungsplans 194-12 beschließen und somit dem Bürgerbegehren entsprechen. Begründung: Die gemeinsamen Fraktionen der CDU, der SPD und der FDP haben, um die Massivität der geplanten Bebauung im Baulandentwicklungsplan „Vor dem Schlämmer“ zu vermindern, den Antrag gestellt, das Gebiet um eine Fläche von etwas über 6.000 Quadratmeter zu erweitern und das Baugebiet in nordwestlicher Richtung auszuweiten. Dies hätte den Vorteil, dass aufgrund der neuen Flächenberechnung durch das Umlegungsverfahren gemäß § 58 BauGB mehr Verteilfläche für die Stadt Kelkheim zur Verfügung gestanden hätte. Diese Fläche reichte aus, um durch städtische Hand sowohl Verkehrswege gemäß § 55 BauGBals auch 60 Wohnungen im Bereich des bezahlbaren Wohnens gemäß § 9 BauGB und eine Kindertagesstätte sowie ein Mehrgenerationenhaus zu errichten. Dies ist unter der Planung des ursprünglichen Gebietes nicht möglich. Um dem nun vorliegenden Bürgerbegehren – durch das es zu einer erheblichen Verzögerung der Bautätigkeit käme – Rechnung zu tragen und im Hinblick darauf, dass Kelkheim schnellstmöglich Wohnraum benötigt, nehmen die Fraktionen der CDU, der SPD und der FDP Abstand von dem Vorhaben der Baugebietserweiterung und empfehlen die Rücknahme des oben genannten Beschlusses. Dies hat den Preis, dass die Realisierung einer großen Zahl bezahlbarer Wohneinheiten nicht umsetzbar sein wird. Außerdem wird das Wohngebiet keinen Kindergarten und kein Mehrgenerationenhaus erhalten können.



X