Kelkheim (ju) – Wozu braucht man eigentlich einen Wald? Piksen die Stachel von einem Igel wirklich? Und wie flauschig ist das Fell eines Waschbären? Diesen und noch vielen weiteren Fragen gingen die Vorschulkinder der Kita Arche Noah Kelkheim bei ihrem Waldprojekt nach. Denn nur im Kindergarten hocken und draußen spielen, das war den wissbegierigen Sechsjährigen nicht genug und so kam die Kitaleitung auf die Idee, gemeinsam mit der Waldjugend das Waldprojekt ins Leben zu rufen. Und so kam es, dass 46 Jungen und Mädchen an der neuen Hütte der Waldjugend ihre „Zelte“ aufschlugen, den Kindergarten Kindergarten sein ließen und sich dafür wissbegierig ins Abenteuer Wald stürzten.
Was leistet der Wald?
Den Wald gilt es erst einmal kennenzulernen, aber nicht gleich live, sondern an einem liebevoll gestalteten Infotisch, an dem die Kinder anschaulich die verschiedenen Funktionen des Waldes unter aktiver Mitarbeit für sich erschließen. Denn so ein Wald hat neben der Nutzfunktion auch eine Erholungs- und Schutzfunktion, wie die Kinder erfahren. Kleine bebilderte Holzplättchen, die die Kinder aus einem Säckchen ziehen müssen, helfen bei der Beantwortung der vielen Fragen, die ihnen Franziska Pitz vom Waldjugendhaus stellt. Womit kann man im Wald Geld verdienen? Na klar, mit dem Verkauf des Holzes. Und wer arbeitet alles im Wald? Auch das wissen die Kinder schon – Förster, Jäger und natürlich Holzarbeiter. So tasten sie sich Schritt für Schritt an das Ökosystem Wald heran und lernen eine Menge über Erholung, warum man den Wald schützen muss und warum er für uns Menschen so wichtig ist.
Fruchtbare Kooperation
Kitaleiterin Natascha Brade freut sich über diese fruchtbare Kooperation. Bisher verbrachten die Vorschulkinder ihre letzten Kitawochen ebenfalls im Wald, aber als Unterkunft dienten zwei Bauwagen und „alles war nicht ganz so komfortabel wie jetzt“, gesteht sie. Umso besser ist die jetzige Situation. „Die Kinder werden morgens hier am Waldjugendhaus abgegeben und verbringen den ganzen Tag im Wald, sogar das Essen lassen wir uns hierher liefern, und wenn ab 15 Uhr die Kids abgeholt werden, geht unsere Reinigungskraft nochmal durchs Haus und macht alles wieder blitzeblank“, so die Leiterin. Außerdem ermöglicht die Kooperation es auch, dass zwei Kinder mit Beeinträchtigungen am Waldprojekt teilnehmen können. „Hier haben wir genügend Platz für Rollstühle, die sanitären Anlagen sind auch behindertengerecht, so dass wir die zwei teilhaben lassen können, was nicht nur für sie schön ist, sondern für die ganze Gruppe“, schwärmt Brade.
Anfassen erlaubt
Doch natürlich sollen die Waldprojekttage den Kindern nicht nur Wissen vermitteln, sondern sie auch stark machen für die Schule. Gemeinsam Lösungen finden, Konflikte friedlich lösen, einander helfen, dass sind nur einige Dinge, die den Kindern hier ganz nebenbei vermittelt werden.
Franziska Pitz sieht das gern. Sie geht ganz auf in ihrer Aufgabe, den Kindern etwas beizubringen. Die sitzen gerade bei ihrem zweiten Frühstück und ahnen noch gar nicht, was gleich auf sie zukommt. Da steht die junge Waldjugendlerin schon vor ihnen und hat ein Igelpräparat in der Hand. „Dürfen wir den jetzt wirklich anfassen?“, fragen viele Kinder gleichzeitig und nähern sich vorsichtig den Stacheln. Und tatsächlich, die piksen ganz schön. Von Tisch zu Tisch wird das ausgestopfte Tier weitergereicht, nur ganz wenige haben Berührungsängste, am Ende siegt aber doch die Neugierde. Doch das war noch nicht alles, was Franziska Pitz in ihrem Repertoire hatte.
Der Waschbär, der jetzt auf dem ersten Tisch Platz findet, lässt dann doch einige Münder offen stehen. Jetzt kann auch die Frage geklärt werden, ob das Fell so flauschig ist, wie es aussieht. Ein bisschen strubbeliger ist es schon. Wer kann von sich schon behaupten, schon mal einen Waschbären gestreichelt zu haben, auch wenn er nur ausgestopft ist? Die Jungen und Mädchen sind sichtlich beeindruckt, ganz zur Freude der Kitamitarbeiterinnen und von Franziska Pitz. Sie stellt die Präparate auch nicht nur so einfach wortlos auf den Tisch, sondern erzählt viel Wissenswertes zu den Tieren und beantwortet geduldig die vielen Fragen, die den Kindern auf den Lippen brennen. Volltreffer gelandet – denn Wissen bleibt bekanntlich besser hängen, wenn es anschaulich und visualisiert präsentiert wird.
Personalmangel belastet
„Mit diesem Projekt bekommen die Kinder einen ganz anderen Bezug zum Wald, den sie dann natürlich auch nach Hause tragen“, weiß Franziska Pitz, die sich auch in ihrer Zukunft vorstellen könnte, im Bereich Waldpädagogik zu arbeiten. Dass sie ein Händchen für Kinder hat, hat sie an diesem Tag ausreichend bewiesen. Und dass Pädagogen gebraucht werden, egal welcher Couleur, das weiß auch Natascha Brade aus leidvoller eigener Erfahrung. Wie so viele andere Kindergärten in Kelkheim und Umgebung kämpft auch sie mit dem Personalmangel.
Für das neue Kindergartenjahr fehlen zwei Vollzeitkräfte. Es gehen zwar 46 Kinder ab, aber die Zahl kann nicht wieder voll aufgefüllt werden. „Wir versprechen keine Plätze, 30 Kinder sind möglich, danach ist leider Schluss“, so Brade. Aber vielleicht sind ja gerade solche Kooperationen wie zwischen der Arche Noah und der Waldjugend ein zusätzlicher Anreiz für Erzieherinnen und Erzieher, sich zu bewerben. Schön wäre es!
Und die Waldjugend? Die profitiert ebenso. Denn viele Kinder finden Gefallen an dem, was sie hier erlebt, gesehen und gelernt haben. Nicht wenige entscheiden sich, der Waldjugend beizutreten. Hatte Corona auch hier ein Loch gerissen, so ist dieses inzwischen vollständig gestopft. Franziska Pitz: „Die Kinder identifizieren sich mit der Waldjugend und das macht uns stolz.“