„Trauer ist etwas ganz Normales“

Die Trauerbegleiterinnen Doris Mader (li.) und Heidrun Scherner (Mitte) geben den „Staffelstab“ weiter an Elsbeth Stegemann (2.v.re.) und Stephanie Ruppert (re.). Sie können sich der Unterstützung der Vorstandsvorsitzenden Ute Winter sicher sein. Im Hintergrund hängt ein Kranz mit Origamikranichen – ein jeder Vogel steht für die Begleitung eines Sterbenden. Foto: Judith Ulbricht

Kelkheim (ju) – „Der Tod ordnet die Welt neu. Scheinbar hat sich nichts verändert und doch ist alles anders geworden.“

Diese Erfahrung machte vor 20 Jahren auch Heidrun Scherner, als ihr Mann verstarb. Leere war da und eine Stille, die gefüllt werden musste. Eine Aufgabe sollte her und die fand die Kelkheimerin in der Arbeit als Sterbe- und Trauerbegleiterin beim Hospizverein „Weg-Begleiter Kelkheim e.V.. Doch damals war das Thema Trauer noch ein Tabuthema, darüber reden wollte keiner, Schwäche zeigen war verpönt. Man musste selbst damit klar kommen. Heute hat sich der Blick auf das Sterben, den Tod und die damit einhergehende Trauer normalisiert – man kann, darf und soll darüber reden. „Trauer ist etwas ganz Normales“, bringt es Heidrun Scherner auf den Punkt. „Nach dem Tod meines Mannes war der Weg, den ich gegangenen bin, heilsam für mein Leben. Es hat mich inspiriert und ich würde es immer wieder machen.“ Gemeinsam mit Doris Mader hat sie etliche Menschen auf dem Weg durch die Trauer begleitet. Doch jetzt geben sie den Staffelstab an Jüngere weiter. Schon seit letztem Jahr haben Elsbeth Stegemann und Stephanie Ruppert die Trauerbegleitung von den beiden übernommen.

Umfangreiche Ausbildung

Elsbeth Stegemann liebäugelte schon lange mit der Hospizarbeit. Auch sie weiß, was Trauer heißt. Als sie ihren Mann verlor, suchte sie selbst Hilfe in einer Trauergruppe. Und wollte etwas zurückgeben. Sie absolvierte eine Ausbildung zur Hospizbegleiterin, bei der sie Stephanie Ruppert kennenlernte. Nach dem Ende ihrer Berufstätigkeit war sie auf der Suche nach einer weiteren Aufgabe und fand sie in der Trauerbegleitung. Von April 2022 bis Februar 2023 absolvierte sie 250 Unterrichteinheiten, schrieb Hausarbeiten, hörte Online-Vorträge, fertigte ihre Abschlussarbeit und erhielt nach der Selbstreflexion ihr Zertifikat aus Trauerbegleitung. Auch Stephanie Ruppert durchlief diese Ausbildung, jetzt sind die beiden gemeinsam aktiv. „Es ist besser, zu zweit zu arbeiten, um sich gegenseitig unter die Arme greifen zu können“, wissen Stegemann und Ruppert aus Erfahrung. Dabei geht es nicht nur um die gegenseitige Motivation, man kann sich hinterfragen, kann bei dem jeweils anderen nachhaken, ob man auf dem richtigen Weg ist oder doch etwas anders machen sollte. Außerdem ergänzen die beiden sich perfekt – Stegemann mag den Kontakt von Angesicht zu Angesicht, Ruppert sieht ihre Stärken auch im Digitalen, wenn Trauernde nicht die Kraft haben, dass man sie persönlich besucht oder in die Räume des Hospizvereins zu kommen.

Klar definierte Aufgaben gibt es nicht, dafür sind die Einzelschicksale und ihr Umgang damit zu individuell. „Wenn wir Menschen verlieren, die in unserem Leben eine einmalige und besondere Bedeutung haben und hatten, dann trauern wir. Ihr Tod kann uns tief erschüttern, uns den Boden unter den Füßen entziehen auf dem wir bislang gestanden haben. Doch nicht nur der Tod kann Trauer hervorrufen, da greifen auch andere Verlusterlebnisse“, weiß Stephanie Ruppert.

Den Weg mitgehen

Die Weg-Begleiterinnen des Hospizvereins wollen mitgehen und Trauernden einen Ort bieten, an dem sie sich nach dem Verlust des geliebten Menschen mit ihrem Schmerz aufgehoben und verstanden fühlen. „Wir möchten den Trauernden vermitteln, dass das Trauern zum Bewältigungsprozess dazugehört. Das alles gut ist, wie es ist – das darf sein, das muss sein, du bist richtig so, wie du dich gerade fühlst“, beschreibt Elsbeth Stegemann den Umgang mit den Trauernden. „Es gibt kein richtiges oder falsches Trauern.“

Die qualifizierten Trauerbegleiterinnen stehen die Trauernden in Einzel- und Gruppengesprächen beiseite, bieten ihnen die Möglichkeit gehört zu werden, Wertschätzung zu erfahren und den Weg zu finden, mit dem schmerzlichen Verlust zu leben. „Wir bieten als niederschwelliges Angebot eine offene Gruppe, zu der jeder kommen kann, wann er will. Denn manchmal haben einige einfach nur einen schlechten Tag, an dem die Trauer vielleicht wieder mehr Raum einnimmt, als man ihr gerade einräumen möchte und dann ist es gut, wenn man einen Anlaufpunkt hat, auf Menschen trifft, die ähnliches durchmachen und einfach mal loslassen kann“, weiß Ruppert. Ab dem 11. Mai soll diese Form der Trauerbewältigung in einem „Trauercafé“ angeboten werden, das jeden 2. Donnerstag im Monat geöffnet sein wird.

Den Trauernden werden aber auch Einzelgespräche mit den Begleiterinnen angeboten. Hierbei sind sie sowohl Ideengeberinnen als auch liebevolle Motivatorinnen bei dem Prozess, die empfundene Trauer ins künftige Leben zu integrieren, damit Freude am Leben und Mut für die Zukunft wieder möglich sein können. „Dabei ist es wichtig, die Trauernden in ihrer individuellen Geschwindigkeit und auf Augenhöhe zu begleiten“, zeigt die Erfahrung Stegemanns und Rupperts.

Zusätzlich soll am 19. April eine geschlossene Trauergruppe angeboten werden. Hierzu treffen sich bis zu acht Trauernde in einer festdefinierten Gruppe, in einem zeitlich begrenzten Rahmen, um gemeinsam über ihre Trauer zu sprechen. Die Gruppe bietet dabei einen geschützten Rahmen und die Vertrautheit, den Trauerprozess zusammen zu gestalten und zu durchleben. Und daraus können auch durchaus Freundschaften entstehen unter den Trauernden wie auch zu den Begleiterinnen.

Eines darf man bei der Arbeit des Hospizvereins nie aus den Augen verlieren: Hier bieten Ehrenamtliche ihre Unterstützung an und die Angebote sind kostenlos. Der Verein freut sich allerdings immer über Spenden. Interessierte können sich detailliert unter www.hospiz-verein-kelkheim.de über Veranstaltungen informieren oder Kontakt aufnehmen. Es sind einige Infoveranstaltungen und das Format „sonntag gemeinsam“ in Vorbereitung.

„Alles hat seine Zeit. Es gibt eine Zeit des Schmerzes, eine Zeit der Trauer, eine Zeit der Stille und eine Zeit der Erinnerung.“



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