Erinnerungen an Kurt Knüttel, den „Facharzt für Heilige“

Kurt Knüttel, der am 15. November 2017 verstorben ist, hat das Königsteiner Stadtbild mitgeprägt.

Wer kannte den Maler und Restaurator Kurt Knüttel nicht? Bis ins hohe Alter prägte er das Königsteiner Stadtbild mit. Stets mit Krawatte, Baskenmütze und Kniebundhose adrett gekleidet, seine Aktentasche unter dem Arm, ging er bei Wind und Wetter tagtäglich von der Wohnung Am Kaltenborn durch die Straßen der Stadt zu seinem verwinkelten Atelier Im Eck 5, einem der ältesten Häuser der Altstadt, nahe am Krankenhaus gelegen. Kurt Knüttel musste mit zunehmendem Alter die gerade für einen bildenden Künstler schmerzliche Erfahrung machen, dass sein Augenlicht immer mehr nachließ und ihm schließlich das Ausüben seiner Tätigkeit unmöglich wurde. Lange Zeit konnte er sich damit nur sehr schwer abfinden. Nach einem erfüllten Leben für die Kunst wohnte er die letzten Lebensjahre mit seiner Frau Maria im Seniorenstift Kronthal. Nun ist Kurt Knüttel am 15. November, wenige Tage nach seinem 100. Geburtstag, verstorben.

Es würde dem „Facharzt für Heilige“, wie ihn die Presse einst bezeichnete, nicht gerecht, wollte man versuchen, seine breit angelegte künstlerische Palette in allen Facetten an dieser Stelle zu würdigen. Im Zentrum der Betrachtung soll in erster Linie seine Tätigkeit als Restaurator in und für seine Heimatstadt Königstein stehen. Auf seine Spuren als Maler trifft man weit über Königstein hinaus. Die 2013 erschienene Broschüre „Kurt Knüttel im Spiegel der Presse“, aber auch die Erfahrung gemeinsamer Aktivitäten mit der Kolpingfamilie Königstein und die Erinnerung an viele persönliche Begegnungen und Gespräche mit dem Menschen und Künstler sind Grundlage dieser Würdigung.

In Frankfurt geboren, zog es Kurt Knüttel, der das Kriegsende als Gefangener in England erlebte, in der Folge nach Königstein. Bundesweit beruflich aktiv, war der Künstler zudem in Schloss Schwertberg in Oberösterreich tätig, wo er Wandgemälde restaurierte. Hier lernte er auch seine Frau Maria, eine anerkannte Papierrestauratorin, kennen. Die anspruchsvolle Restaurierung alter Landkarten wie auch von kostbaren Grafiken und Büchern, u.a. für das Bundespostmuseum und das Stadtmuseum Offenbach, sollte künftig zu ihrem gemeinsamen Markenzeichen werden. Über lange Jahre hinweg stellte Knüttel mit der Künstlergruppe Königstein zu Weihnachten Werke mit unterschiedlichen Motiven verschiedenster Techniken aus. Ein Höhepunkt war sicherlich im Jahr 1992 die Teilnahme an einer Ausstellung in Königsteins Partnerstadt Le Cannet. Im Musée Bonnard beteiligte er sich in Gedenken an den Architekten und Künstler Emmanuel Bellini neben einer Reihe weiterer Kunstschaffenden aus Königstein an einem Wettbewerb für europäische Kunst. Nicht näher kann hier auf die Bemühungen Kurt Knüttels und anderer um die Wandmalereien des bedeutenden Expressionisten Ernst Ludwig Kirchner im Sanatorium Dr. Oskar Kohnstamm im Ölmühlweg eingegangen werden. Kirchners Darstellungen von Badeszenen am Strand von Fehmarn, während des Ersten Weltkriegs 1916 in Secco-Technik im Brunnenturm der Brunnenhalle entstanden, wurden im Dritten Reich als entartete Kunst unwiederbringlich vernichtet.

Unvollständig muss die Aufzählung all der heimatlichen Exponate bleiben, die bis heute für jedermann sichtbar die Handschrift Knüttels tragen. Stellvertretend sei die Restaurierung der schmiedeeisernen Wetterfahne mit goldenem Trompeter 20 Meter über dem Erdboden auf der Spitze des Alten Rathauses im Jahr 1995 erwähnt. Das gilt ebenso für das Kruzifix von 1862 auf dem Rathausvorplatz, flankiert von zwei zeitgleich gepflanzten Kastanien. Es wurde 1997 in mühevoller Kleinarbeit von Knüttel restauriert. Möglich wurde das in beiden Fällen aufgrund privater Spenden eines alteingesessenen Gewerbetreibenden. Wer das Königsteiner Heimatmuseum besucht, wird auch hier auf Knüttel stoßen. Bestes Beispiel ist das ursprüngliche Burgmodell. Das 1916 von Architekt Carl Söhngen im Maßstab 1:100 geschaffene Modell, im früheren Burgmuseum ausgestellt, hat eine wechselvolle Geschichte. 1968, der Zahn der Zeit hatte erhebliche Schäden an dem Modell verursacht, wurde es von Kurt Knüttel, damals Archivar des Vereins für Heimatkunde, mit „Pinsel, Spachtel und Laubsäge“ in 200 Arbeitsstunden historisch genau wieder hergerichtet und fand im neuen Heimatmuseum am Alten Rathaus seinen neuen Standort. In seiner aktiven Zeit im Verein für Heimatkunde hat Knüttel zudem einen Großteil des Bestandes des Museums konserviert. Auch die Wappen über dem Burgtor und am Amtsgericht in der Gerichtstraße erinnern an den Meister. In den Anfangsjahren des Burgfestes gestaltete er viele der Wagen zum Festzug historisch exakt an der Geschichte Königsteins orientiert.

Königsteiner Kirchen, Heiligenstatuen und Wegkreuze

Den Ehrentitel „Facharzt für Heilige“ erhielt Knüttel nicht ohne triftigen Grund. Er erwarb sich mit seinen Arbeiten an sakralen Kunst- und Bauwerken große Verdienste. Wegkreuze in Königstein und Falkenstein zählen dazu. Ebenso die Restaurierung der Bildtafel des Hl. Josef in der Josefskapelle am Romberg und die Reinigung der „Königsteiner Madonna“. Das Kunstwerk, eine spätgotische Steinskulptur, wurde Mitte des 15. Jahrhunderts im mittelrheinischen Raum um Mainz geschaffen. Zum Höhepunkt des künstlerischen Wirkens von Kurt und Maria Knüttel in Königstein sollte in den Jahren 1972 bis 1974 die Restaurierung der katholischen Kirche St. Marien werden. Der Restaurator nahm mit seinem reichen Erfahrungsschatz die enorme Herausforderung mit großer Freude an und sollte ihr mehr als nur gerecht werden.

Äußerlich von architektonischer Schlichtheit, birgt das Innere der Barockkirche Kunstwerke von nicht vermuteter Qualität. So zählt der Rokokohochaltar des kurmainzischen Hofstuckateurs Johann Peter Jäger, in Diensten des Erzbischofs und Kurfürsten Johann Friedrich Carl von Ostein, zu den besten und bedeutendsten Leistungen, die auf dem Gebiet des Altarbaus zur Zeit des Rokoko am Mittelrhein hervorgebracht wurden. Auch die Heiligenstatuen, die aus stilistischen Gründen dem Bildhauer Heinrich Jung zugeschrieben werden, und die Kanzel, für die Hofstuckateur Johann Peter Metz als Künstler angenommen wird, sind Zeugnisse der hohen Kunst des Mainzer Rokoko. Volkstümlich und bodenständig sind die Deckenfresken der Brüder Johann Philipp und Johann Heinrich Usinger aus dem Jahr 1746. Wesentlicher Teil der Deckenfresken um die beiden großen Mittelbilder sind 15 Medaillons, deren Zyklus die 15 Geheimnisse des freudenreichen, schmerzhaften und des glorreichen Rosenkranzes darstellt. Während die Medaillons im Kirchenschiff sichtbar blieben, waren die Fresken im Chor 1892 verputzt, mit Ölbildern übermalt und die Stuckrahmen abgeschlagen worden. Es bedeutete großes Glück, dass Knüttel 1973 die ursprünglichen Chorfresken wieder aufdecken und restaurieren konnte. „Am 8. April 1974 wurde die renovierte Pfarrkirche wieder bezogen. Eine Riesenmenge Menschen nahm bewegten Anteil. Sie ist tatsächlich ein Glanzpunkt für die ganze Umgegend“ vermerkte der damalige Pfarrer Alfred Heinze begeistert in der Pfarrchronik. Das Ehepaar Knüttel hatte diesem „Glanzpunkt“ seinen bis heute nachwirkenden Stempel aufgedrückt.

Auch die katholische Kirche St. Johannes der Täufer in Schneidhain trägt die unverwechselbare Handschrift Knüttels. Hier konservierte er den spanischen Feldaltar und das ihn heute krönende Kreuz. Bis 1949 hatte das Kunstwerk in der alten simultan genutzten jetzt evangelischen Johanniskirche seinen Platz. Auf den barocken Altarbildern sind die Krönung Mariens und der heilige Martin von Tours mit dem Bettler abgebildet. Das Kreuz ist eine Rarität der Kunstgeschichte. Vermutlich um 1500 entstanden, ist es eines der seltenen Kruzifixe mit beweglichen Armen des Gekreuzigten, im Volksmund auch „Klappchristus“ genannt. Im Hochmittelalter wurde während der Kartage der Leib Christi vom Kreuz abgenommen und in ein Grab gelegt.

Kurt Knüttel hat als Mensch und Künstler mit seinem ihm eigenen Charisma tiefe Spuren in Königstein hinterlassen.

Manfred Colloseus

Ausschnitt der Geburtsszene Jesu wie er als Detail auf den von Kurt Knüttel restaurierten Deckenfresken von St. Marien zu sehen ist.
Foto: Archiv Colloseus

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