Königstein (sk) – „Die Menschen sind viel besser als wir denken. Auch Gott ist viel besser als wir denken.“ Ein Zitat von Pater Werenfried van Straaten aus seinem letzten selbst redigierten Buch „Kämpfer für den Frieden“ (2001). Mit seinem unerschütterlichen Gottvertrauen gelang es Pater Werenfried, über fünf Jahrzehnte mehr als drei Milliarden US Dollar für sein Hilfswerk Kirche in Not (früher: Ostpriesterhilfe) zu sammeln und für den Aufbau der Kirche in der ganzen Welt weiterzugeben. Die internationale Zentrale des Hilfswerks Kirche in Not (KIN) hat seit Jahrzehnten ihren Sitz in Königstein. 1947 begann Pater Werenfried, der 1913 als Philippus van Straaten in Mijdrecht (Niederlande) geboren wurde, mit der Organisation von Hilfsaktionen für die Not leidende Bevölkerung in Deutschland und für Millionen bedürftiger Heimatvertriebener. Seinen Namenszusatz „Speckpater“ erhielt er, nachdem er die Menschen mit gesammelten Grundnahrungsmitteln, wie zum Beispiel Speck, versorgte statt mit Geldmitteln, die nach dem Krieg knapp waren.
Auf Einladung der Vorsitzenden des Königsteiner Vereins Denkmalpflege e.V., Katja Metz, referierte kürzlich der ehemalige internationale Präsident von „Kirche in Not“, Hans-Peter Röthlin, über seine ganz persönlichen Erinnerungen an Pater Werenfried van Straaten. Sein Bericht gab tiefe Einblicke in die Arbeit und die Vision von Pater Werenfried. Etwa drei Jahre arbeitete der Schweizer Theologe Röthlin eng mit dem Gründer des Hilfswerkes zusammen. „Die Begegnung mit dieser großen Persönlichkeit hat mein Leben tief geprägt“, erklärte Röthlin, der als Zeitzeuge auch einige Anekdoten über das besondere schelmische Charisma Werenfrieds kennt.
Pater Werenfried verstarb 2003, kurz nach seinem 90. Geburtstag. Sein Grab befindet sich auf einem Ehrenplatz des Königsteiner Friedhofs. Das sei gar nicht so selbstverständlich gewesen, erinnerte sich Röthlin. So habe Werenfried noch zu seinen Lebzeiten mehrfach die Prämonstratenserabtei Tongerlo in Belgien, in deren Orden er 1934 eintrat, als Ort seiner letzten Ruhestätte genannt. Hintergrund war ein Streit mit seinem Abt, in dessen Verlauf Werenfried das Kloster verließ. Ein Zeichen der Demut und der Versöhnung wollte Werenfried mit seiner Beisetzung dort in Tongerlo setzen. Röthlin sah sich jedoch als Präsident des Hilfswerkes Kirche in Not vor dem Dilemma, den „Giganten der Liebe“, wie ihn die italienische Kirche einmal betitelte, gegen seinen eigenen Willen in Königstein beerdigen zu lassen, um ein Zeichen der Einheit für das ganze internationale Werk „Kirche in Not“ in Königstein zu setzen. Eine immense Herausforderung, die selbst Jahre nach seiner Entscheidung noch merklich Hans-Peter Röthlin berührt. Von ranghöchster kirchlicher Stelle wurde dieses Dilemma geklärt, indem der Präfekt der Klerus-Kongregation Königstein als letzte Ruhestätte bestimmte. „Roma locuta, causa finita“, wie Röthlin dies kommentierte. Doch als Freund und enger Mitarbeiter von Pater Werenfried nagten noch Zweifel an Röthlin, die er im Zwiegespräch am Grab des Verstorbenen endgültig beseitigte, wie er den interessierten und auch erstaunten Zuhörern im Seniorentreff ganz offen erklärte.
Pater Werenfried verband eine tiefe Freundschaft mit Papst Johannes Paul II, die auf seine Hilfsprojekte zugunsten der polnischen Kirche zurückzuführen war. Kurz vor Werenfrieds 90. Geburtstag erklärte sich Papst Johannes Paul II. bereit, Pater Werenfried in den Kardinalsstand zu erheben. Man rechnete zu gegebener Zeit mit einer entsprechenden Ernennung, so resümierte Röthlin. Um Pater Werenfrieds Gesundheit zu schonen, bereitete Röthlin ihn behutsam auf diese tiefgreifende Entscheidung des Papstes vor. „Werenfried lächelte spitzbübisch“, erinnerte sich Röthlin, als er ihm vorschlug, mit dem neuen roten Hut gleich mal bei seinen Kardinals-Kollegen zu kollektieren. Dies war die letzte Begegnung zu Lebzeiten des Speckpaters. Am 31.01.2003 verstarb Pater Werenfried – bevor er zum Kardinal ernannt werden konnte.
Der anschließend gezeigte Film beleuchtete das Leben und Wirken von Pater Werenfried und ließ den Gründer des internationalen Hilfswerkes sehr lebendig werden. Sein ganz besonderes, großherziges Charisma stand im Vordergrund der Berichterstattung, während Pater Werenfried sich selbst in einem Interview als Bettler bezeichnete, der gerne predigte.
Denn das Einzige, was er wirklich sehr gut könne, sei betteln für die anderen, so Werenfried ganz bescheiden in einer Originalaufnahme. Röthlin bestätigte das: „Er war ein begnadeter Bettler“. Immer wenn er mit seinem ‚Millionenhut’ an der Kirchentür gebettelt habe, sei etwas mit seinem Gesicht geschehen. Sein Blick habe sich verändert, so dass man unmöglich an ihm vorbeigehen konnte, ohne etwas zu geben, erzählte der ehemalige Präsident. Und weil sein Hut schon so viele Löcher hatte, bat Pater Werenfried oft mit schelmischem Lächeln um Papier- statt um Münzgeld.
Der Film beleuchtete auch die weltliche Seite des Menschen Werenfried, dessen unerfüllter Wunsch es war, sein Lieblingslied „Sag mir wo die Blumen sind“ gemeinsam mit Marlene Dietrich zu singen. Der Liedtext hat die Form eines Kettenliedes und veranschaulicht einen in sich schlüssigen Gedankenkreis, nämlich die anscheinende ewige Wiederkehr von Krieg zu Krieg. In jeder Strophe fragt der Kehrreim, wann endlich die Menschheit aus den Fehlern früherer Generationen lernen werde. Man kann vermuten, dass Pater Werenfried diesen Gedanken teilte. „Wir können nur so viel helfen, als unsere Wohltäterinnen und Wohltäter spenden“, schloss Röthlin seinen Vortrag und erklärte, dass „jede Gabe mehr ist als nur eine Geste. Sie ist vielmehr eine gute Antwort auf all das, was Terrorismus, Krieg und Aggression täglich kaputt machen mit verheerenden Konsequenzen, die zu Millionen von Flüchtlingen führen.“