Gelungene Premiere von Molières „Der eingebildete Kranke“

Großartig gespielt! Das Ensemble der BNS holte sich seinen verdienten Applaus ab. Foto: Krüger

Königstein (sk) – „Man hat ja kaum noch Zeit, in Ruhe an seine Krankheit zu denken“, jammerte der nach Luft schnappende Argan, nachdem sich der Tod seiner jüngsten Tochter Louison als gespielt herausstellte. Das „Spiel mit dem Tod“, eines der Kernthemen in Molières letztem Theaterstück „Der eingebildete Kranke“, griffen die jungen Schauspieler der Theater-AG der Bischof-Neumann-Schule (BNS) brillant auf und verarbeiteten es komisch und tragisch zugleich in ihrer faszinierenden Premieren-Aufführung am vergangenen Freitag in der BNS-Bühnenhalle. Fast neun Monate arbeiteten rund 20 Schüler aus der Oberstufe und einer aus der Mittelstufe an Molières wohl berühmtestem Werk. Zunächst stand die Beschäftigung mit dem Text aus dem 17. Jahrhundert im Vordergrund. Später mussten schauspielerische Facetten erarbeitet werden. Vornehmlich die mitunter notwendigen Berührungen der Charaktere, die das Spiel der Theaterfiguren erst lebendig machen, für Jugendliche aber oft mit dem Stigma des Peinlichen verbunden sind, mussten erlernt werden, so Erika Höhler, die „Grande Dame“ des Theaters an der BNS. Die Deutschlehrerin leitet seit Jahren die Theater-AG und wirkte bislang an 21 Produktionen mit. Ihr Einsatz ist unermüdlich und der ihrer schauspielernden Schüler nicht weniger beeindruckend. Unzählige Proben meist in der Freizeit liegen hinter den AG-Mitgliedern. Ihre Mühen hatten sich gelohnt, wie der tosende Applaus der Zuschauer am Ende der Vorstellung auf eindrucksvolle Weise bestätigte.

Das Besondere an Molières Komödie „Le Malade imaginaire“, die im Februar 1673 uraufgeführt wurde, ist die bizarre Vermischung von Theater und Realität, so Erika Höhler in ihrem Vorwort zum Programmheft der BNS-Theater-AG. Molière übernahm wie gewöhnlich die Hauptrolle und Regie seines Stücks und verstarb am Ende der vierten Aufführung auf der Bühne, als hätte er - sein Ende vorausahnend – noch einmal zeigen wollen, worauf es ihm ankomme. Die Heiterkeit der temporeichen Handlung, die Komik der Charaktere und die freche Rhetorik des Hausmädchens Toinette gepaart mit der Melancholie und dem Wahn des Protagonisten Argan bieten vielfältige Ansätze zur Interpretation und zu einer noch weitaus tiefsinnigeren Auseinandersetzung mit dem Stück. Entsprechend des Leitgedankens der Theater-AG liefert die Frage des Schriftstellers Thomas Bernhard in seiner Büchnerpreisrede (1970) , ob es sich um die Tragödie um der Komödie oder um die Komödie um der Tragödie willen handele, weiteren Nährboden für interessante Diskussionen über die zentralen Themen in Molières Theaterstück. Kurz zusammengefasst geht es in der Komödie um menschliche Schwächen. Der Held ist der von dubiosen Ärzten traktierte Argan. Mit wahnhafter Hypochondrie terrorisiert er seine Familie. Seine Tochter Angélique will er an einen Mediziner verheiraten, um einen Arzt für seine Leiden in der Familie zu haben. Der Arztsohn Thomas Diafoirus erreicht mit seinem akademischen Pedantismus jedoch nicht Angéliques Herz, das längst dem jungen, charmanten Cléanthe gehört. Während ihr Onkel Béralde seinen Bruder Argan mit vernünftigen Argumenten davon überzeugen will, dass dieser gesund ist, bringt das Dienstmädchen Toinette, als Arzt verkleidet, Argan mit der Androhung von Amputationen zur Besinnung. Als Argan sich auf ihre Veranlassung hin schließlich tot stellt, muss er betroffen die Freude seiner Gattin Béline feststellen, die sich als intrigante Erbschleicherin entpuppt. Die Tränen seiner Tochter wiederum rühren ihn so sehr, dass sie Cléanthe heiraten darf, vorausgesetzt, er wird Mediziner.

Als eingebildeter Kranker begeisterte Christian Höhne das Publikum. Er überzeugte durch sein abwechslungsreiches Spiel, indem er mal schwerfällig auf seinem Stock gestützt über die Bühne humpelte, um sich im nächsten Moment ein heftiges und derbes Wortgefecht mit Toinette, seinem Hausmädchen, zu liefern. Seine fast schon peinlichen, kuschelnden Annäherungsversuche an seine angewiderte Gattin Béline, von Laura Motsch herrlich arrogant und triefend vor Gehässigkeit gespielt, sorgten für häufige Lacher. Wandlungsfähig zeigte sich auch Bialda Gerhard, die als vorlaute Haushälterin Toinette für Wirbel sorgte und dem einfältigen Argan mit ironischer Schlagfertigkeit die Stirn bot. Julius Hecht, der einzige Mittelstufenschüler des Ensembles, bewies als ungeschickter, in der akademischen Theorie verblendeter Arztsohn Thomas Diafoirus sein komödiantisches Talent, indem er seine emotionslos vorgetragene Werbung um Angélique mit dümmlicher Schnappatmung unterlegte und sich dabei immer wieder der Bestätigung seines Vaters versicherte. Dr. Diafoirus, blasiert und arrogant mit feiner Sprachnote inszeniert von Leopold von Schorlemer und sein Sohn Thomas stellten mit ihrer Choreographie von Ehranbietungen und Bücklingen eine köstliche Ärzte-Parodie zur Schau. Argans Hausarzt, Dr. Purgon, großartig raumfüllend und snobistisch dargestellt von Georgios Latrovalis, bediente sich in seinem Repertoire bei allen Klischees, die man den pfuschenden und geldgierigen Medizinern im 17. Jahrhundert teilweise andichtete. Elisabeth Kiesl, die die schwärmerisch-romantische Angelique mimte, und Markus Weber, der ihren Verehrer Cléanthe darstellte, überzeugten als heimlich Liebende, die schließlich doch noch zueinander finden. Dominik Jaeger als aufgeklärter Bruder Béralde zeichnete das stimmige Bild eines frei denkenden und verständigen Mannes, der seinen Bruder Argan mit vernünftigen Argumenten zu überzeugen versuchte. Knut Rennefeld überzeugte als schmieriger und korrupter Notar. Und Arne Bonczkowitz gab der Figur des Apothekers Fleurant die akademische Anmut eines geldgierigen Quacksalbers. Das Ensemble wurde abgerundet von dem sechsköpfigen Chor, der mit weiß geschminkten Gesichtern, weißen Arztkitteln und Stethoskopen um den Hals gewickelt das schlichte Bühnenbild komplettierte, das vor schwarzem Hintergrund lediglich aus einem Servierwagen mit medizinischen Geräten und Argans Ohrensessel bestand. Geschickt unterlegte der Chor mit Sprechgesang verschiedenste Szenen.

Die Zuschauer amüsierten sich und so ernteten die Schüler wie auch die mitwirkenden Lehrer und die Mitglieder der Ton- und Licht-AG am Ende der Vorstellung begeisterten Applaus. Erika Höhler gelang erneut eine großartige und lebendige Inszenierung.



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