Gesundheitstipp

Blutegeltherapie –

Altbewährtes wieder neu entdeckt

Die medizinische Verwendung von Blutegeln hat eine sehr lange Tradition. Erste Schilderungen findet man in der indischen Medizin. Ebenso kannten die alten Ägypter die heilsame Wirkung der Blutegel. In der Traditionellen Chinesischen Medizin ist diese Behandlung bis heute aktuell geblieben. In Europa war diese Therapie seit der Antike bis ins 19. Jahrhundert ein unverzichtbarer Bestandteil der Medizin.

In den letzten Jahren nehmen immer mehr Therapeuten diese Form der Therapie mit in ihr Repertoire auf, weil sie von den Erfolgen dieser Behandlungsmethode fasziniert sind. Sie ist sehr wirkungsvoll, nahezu frei von Nebenwirkungen, extrem verträglich und hat eine lang anhaltende Wirkung. Wenn sonst nichts hilft, helfen oft Blutegel, so die Erfahrung. In Studien konnte man feststellen, dass die einmalige Blutegeltherapie signifikant besser abgeschnitten hatte als die Vergleichstherapie mit Diclofenac.

Früher glaubte man, der Therapieerfolg sei ausschließlich auf den Aderlass durch die Egel zurückzuführen. Heute weiß man durch moderne Analyseverfahren, dass der Blutegel eine natürliche Wirkstoffkombination in seinem Speichel enthält, die einzigartig ist und in die Gerinnungskaskade des Blutes eingreift. Diese Wirkstoffe helfen bei einer Vielzahl von Erkrankungen, die mit Durchblutungsstörungen und Entzündungen einhergehen und können sogar Thromben auflösen. Außerdem haben sie eine schmerzlindernde Wirkung und fördern den Lymphabfluss. Blutegel sind als Fertigarzneimittel eingestuft und unterliegen den gleichen Anforderungen an Sicherheit, Qualität und Wirksamkeit, die an alle zulassungspflichtigen Arzneimittel gestellt werden.

Der Blutegel (Hirudo officinalis oder medicinalis), Egel – echis (griechisch) – kleine Schlange – ist wenige Zentimeter lang, oftmals bunt oder auch mit schwarzem Muster gezeichnet, ein ungefährlicher und eleganter Schwimmer. Er lebt gerne in sauberen Gewässern und ernährt sich vom Blut der Säugetiere. Es gibt zirka 600 verschiedene Egelarten auf der Welt. Nach einer Mahlzeit kann ein Blutegel bis zu zwei Jahren ohne weitere Nahrung leben. Seine Lebenserwartung beträgt bis zu 30 Jahre. Die therapeutisch genutzten Egel werden hierzulande in speziellen Farmen gezüchtet. Dort leben sie in naturnah gestalteten Teichen und werden mit Pferdeblut ernährt. Diese Farmen müssen die Anforderungen an Haltung und Zucht umfassend erfüllen.

Vor der Abgabe an einen Therapeuten werden die Tierchen auf ihre mikrobiologische Beschaffenheit kontrolliert und waren 32 Wochen in Quarantäne um eine Verkeimung auszuschließen.

Eine Behandlung dauert in der Regel knapp zwei Stunden. Zu Beginn werden die Egel (pro Behandlung zwischen drei und sechs Tierchen) an die relevanten Stellen angesetzt. Oftmals sofort saugen diese sich fest und sägen sich vorsichtig mit den winzigen Kalkzähnchen durch die Haut. Die Bissstellen bilden ein Dreieck durch die sternenförmig angeordneten Sägeleisten.

An jeder Seite befinden sich bis zu 100 kleine Sägezähnchen. Trotzdem ist das Andocken fast schmerzfrei. Es fühlt sich ähnlich an wie ein Brennesselstich. Man vermutet, dass der Egel einen leicht anästhesierenden Stoff abgibt, sodass er auch in freier Wildbahn kaum beim Anbeißen bemerkt wird.

Zwischen den Zähnchen wird durch kleine Öffnungen der Speichel (Saliva) in das Gewebe abgegeben. Im weiteren Verlauf saugt der Blutegel zirka acht bis zehn Milliliter Blut. Dabei vervielfacht er seine Körpergröße. Nach zirka 30 bis 60 Minuten fällt der Egel von alleine wieder ab. Die kleine Bisswunde wird durch den Wirkstoff Calin bis zu 24 Stunden offengehalten und blutet nach, was ein gewünschter Effekt ist. In dieser Zeit muss die Wunde gut mit saugfähigem Verbandsmaterial abgedeckt werden. Ein Druckverband ist nicht sinnvoll, da der Therapieerfolg ja sonst eingeschränkt würde.

Die Schmerzlinderung tritt oft unmittelbar oder spätestens nach wenigen Tagen ein und hält zwischen fünf Monaten und einem Jahr an. Vor der Behandlung sollte man keine Duftstoffe, wie Duschgel oder Cremes, auf die zu behandelnden Stellen auftragen. Das mögen die kleinen Tierchen nicht so gerne und beißen unter Umständen nicht gut an. Ebenso reagieren sie empfindlich auf Nikotin.

Nach der Behandlung kann man die Blutegel wieder zurückgeben in den so genannten Rentnerteich. Die Egel dürfen nämlich aus hygienischen Gründen nicht nochmal an einen anderen Patienten angesetzt werden. Dieser Teich ist glücklicherweise wieder neu eröffnet worden, nachdem es ein paar Jahre keine Möglichkeit gab, die Tiere unterzubringen. So kann man hier von einer nachhaltigen Nutzung sprechen: Ein ausgewogenes Geben und Nehmen.

Nebenwirkungen und Risiken:

Kleiner Bluterguss rund um die Bissstelle, klingt nach einigen Tagen von alleine ab, leichte Schwellung und Rötung an den Stellen, verbunden mit Juckreiz. Bei Bedarf kann man den Juckreiz mit Lavendelöl lindern; Wundinfektion durch Kratzen; leichtes Absinken des Blutdruckes – nach der Behandlung viel trinken.

Die Bissstellen heilen innerhalb einer Woche ab, die dreieckförmige Narbe sieht man noch länger. Die wichtigsten im Speichel enthaltenden Wirkstoffe:

Hirudin: Weltweit anerkanntes Arzneimittel bei Blutgerinnungsstörungen, zum Beispiel auch bei Herzinfarkt, schnelle Herabsetzung der Gerinnung, ist nötig, um die Wunde während des Saugaktes offen zu halten. Entkrampfende, gefäßerweiternde Wirkung.

Calin: Ebenfalls blutgerinnungshemmend, Langzeitwirkung über viele Stunden, Reinigung der Wunde.

Hyaluronidase: Ausbreitungsfaktor für die heilenden Substanzen durch Gewebeauflockerung.

Egline und Bdelline: Entzündungshemmend und schmerzlindernd. Indikationen für die Blutegeltherapie: Rheuma, Herpes Zoster (Gürtelrose), Varkosis (Krampfadern), Tinnitus, Thrombosen, Furunkel, Karbunkel, Sinusitis.

In der Schulmedizin wird die Blutegeltherapie vor allem in der plastischen Therapie angewendet. Vor allem bei Transplantationen von Ohren, Fingern, Zehen oder bei Hautverpflanzungen macht man sich die durchblutungs- und wundheilungsfördernde Wirkung erfolgreich zu Nutze. Durch die entkrampfende und gefäßerweiternde Wirkung wird der venös gestaute Abfluss des Blutes verbessert und so ermöglicht, dass die Reimplantate nicht abgestoßen werden oder absterben.

Indikationen für die Blutegeltherapie:

Rheuma, Varikosis (Krampfadern), Thrombosen, Sinusitis, Arthrose, Ulcus cruris (offenes Bein bei Diabetikern), Begleittherapie bei bestimmten Krebserkrankungen (so wurde bei einer Patientin mit Brustkrebs die Brustwarze erhalten), Herpes Zoster, Tinnitus, Hypertonie, Arthritis, Furunkel/Karbunkel, Verschiedene Entzündungen, z.B. der Gelenke (Knie, Hüfte, Schulter etc.).

Kontraindikationen der Therapie: Patienten, die Gerinnungshemmer einnehmen, anämiekranke Patienten, immunsuppressive Patienten, Schwangere, sehr stark allergisch reagierende Patienten, Patienten mit Wundheilungsstörungen.



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