Ein halbes Leben im Einsatz für die KöWo

Um den Rotstift zu schwingen, braucht man nicht unbedingt Abitur - und das mit dem „alles außer Hochdeutsch“ hat die geborene Schwäbin auch längst überwunden. Obwohl sie uns alle immer wieder korrigiert, wünschen wir Kollegen Helga Wolff von Herzen alles Gute zu den runden Jubiläen - vor allem auch wegen der unwiderstehlich netten Art, mit der sie sogar die schlechten Kritiken „rüberbringt“... Foto: Schemuth

Königstein (el) – Seit 40 Jahren ist sie die gute Seele der Königsteiner Woche und ohne sie würde man etwas Vertrautes vermissen. Am 11. Juli feiert Helga Wolff ihren 80. Geburtstag und das in dem Bewusstsein, dass sie sich ihr halbes Leben lang für die Heimatzeitung der Königsteiner eingesetzt hat. Vier Jahrzehnte, die sie und das Leben ihrer Familie in besonderem Maße geprägt haben, selbst wenn sie ihre schwäbischen Wurzeln darüber nie verleugnen oder gar vergessen könnte.

„Schwer zu begreifen”, das sind die ersten Worte, die ihr als Reaktion auf den bevorstehenden, runden Geburtstag einfallen. Man muss sich fragen, wo die Zeit hingegangen ist. Zeit, die sie immer gerne in ihre Begeisterung für das geschriebene Wort investiert hat – ob mit Rotstift als Korrekturleserin oder aber in beratender Funktion bei der Gestaltung von Anzeigen.

Es waren schwierige Zeiten, in die Helga Wolff hineingeboren wurde. Die Mutter hielt sie und die Schwester über Wasser mit Schneiderarbeiten. Der Vater befand sich während ihrer Kindheit in russischer Kriegsgefangenschaft. An die weiterführende Schule war für die junge Helga nicht zu denken, selbst wenn ihr von den Lehrern das Zeug dazu bescheinigt und der Mutter dazu geraten wurde, sie dorthin zu schicken. Doch es mangelte an den finanziellen Mitteln und so blieb diese Tür für sie vorerst verschlossen.

Die Jahre voller Entbehrungen, die ihre Jugend gekennzeichnet haben, hat die Mutter zweier erwachsener Söhne noch sehr gut in Erinnerung, auch wenn sie die Visionen von Krieg und Zerstörung am liebsten verdrängen würde. Doch manche Bilder – von den französischen und amerikanischen Besatzern oder aber den Nächten, die man im Schutzbunker verbringen musste – haben sich für immer eingebrannt und kehren mitunter heute auch immer noch nachts zurück. Auch weiß sie darüber zu berichten, dass die eigene Familie auf der einen, von Franzosen besetzten Seite der Bundesstraße in Dettenhausen (Kreis Tübingen) wohnte, während die Großeltern auf der anderen Seite zu Hause waren, die wiederum den Amerikanern zugeordnet war.

„Es gibt noch viele Dinge, die ich bildlich vor mir sehe”, erinnert sich Helga Wolff an eine Jugend, die von Krieg und Unsicherheit geprägt war. Einmal sei die Familie noch unterwegs zum Bunker gewesen, als die Flieger schon über ihnen schwebten. Eines habe sie jedoch ein Leben lang bedauert: „Dass ich nie die Gelegenheit hatte, aufs Gymnasium zu gehen.” Zur damaligen Zeit sei man der Auffassung gewesen, dass ein Mädchen keine Bildung brauche, da sie sowieso heiraten werde und dann versorgt sei.

Auf jeden Fall hatte sie eine grundlegende Volksschulbildung genossen, wie sie heute kaum noch zu haben ist. Diktate wurden noch und nöcher geschrieben, bis alles „saß”. Heutzutage würden die jungen Menschen schon mit dem Lernen einer Fremdsprache beginnen, bevor sie die Muttersprache richtig beherrschen, sagt das „Geburtstagskind”, das auch dafür bekannt ist, dass es auch mit seiner Meinung nicht hinter den Berg hält. Und genau für diese aufrichtige und geradlinige Art wird sie auch von den Kollegen sehr geschätzt. Ebenso für ihre Entschlossenheit. Ein Charaktermerkmal, das auch dafür verantwortlich gewesen sein dürfte, dass sie sich irgendwann nach der abgeschlossenen Lehre zur Industriekauffrau gesagt hat: „Das kann es nicht gewesen sein!” und den Koffer packte. Sie ging aus der Heimat fort, um neue Erfahrungen zu machen.

„Ich wollte etwas anderes kennenlernen”, sagt die Falkensteinerin, die zusammen mit ihrer jüngeren Schwester nach München ging und dort als Stenotypistin arbeitete. Diese Zeit in Bayern hat sie als eine sehr schöne in Erinnerung. Wenn sie nicht arbeiten musste, dann schnappte sie sich das Fahrrad der Vermieterin, radelte durch den Wald, besuchte Keramik-Kurse oder aber Ausstellungen und Messen. Dieselbe Vermieterin erkundigte sich dann auch Anfang der 60er-Jahre bei ihr, ob sie Interesse hätte, einem jungen Mann zu schreiben, der gerade erst aus russischer Gefangenschaft entlassen worden war. Aufgrund dieser Inhaftierung hatte er viele wertvolle Jahre seiner Jugend verloren.

Helga Wolff willigte ein, ohne zu wissen, dass hier ihre weitere Zukunft geschrieben werden würde, die ihre Fortsetzung mit der Hochzeit 1962 in Mainz fand. Auch der Weg nach Königstein-Falkenstein war vorbestimmt. Der Ehemann, als technischer Beamter bei der Telekom tätig, hatte beruflich die Wahl zwischen Oberursel und Königstein. Die Entscheidung fiel dann aber eher aus praktischen Gründen beim Ausmessen des Schlafzimmerschrankes, der so gar nicht in die zur Debatte stehende Oberurseler Wohnung passen wollte. Also entschied man sich für Königstein und wohnte dort zunächst in der Stresemannstraße mit den beiden Söhnen Michael und Eckhard, ehe man in den Stadtteil Falkenstein übersiedelte. Hier fühlt man sich seit 1980 heimisch.

Das Bedürfnis nach Kontakten mit anderen war es dann auch, das aus der Hausfrau Ende der 70er-Jahre eine berufstätige Mutter machte. Sie fand eine Anstellung bei der Königsteiner Woche und deren Gründer Rudolf Pratsch, für den sie aufgrund seiner angenehmen Art stets gerne gearbeitet habe – damals noch in der Gerichtstraße. Die Menschen gaben hier ihre Anzeigen auf, entweder telefonisch oder aber persönlich, und wurden jedes Mal bestens beraten von Helga Wolff, die schmunzeln muss, wenn sie daran denkt, dass die Kommunikation von der Straße in die Büroräume auch auf Augenhöhe geklappt hat. Ein Umstand, den man nicht zuletzt der Fenster-Konstruktion zu verdanken hatte.

Auch bei der Anzeigengestaltung war und ist Helga Wolff heute noch beratend tätig. Die Menschen schätzen die aufrichtige Freundlichkeit und das Interesse für andere, das von ihr ausgeht, so dass es ihnen nicht schwerfällt, sich ihr anzuvertrauen. Nur mit einer Sache stehe sie zugegebenermaßen auf Kriegsfuß: digitale Medien. Aber, wie man Helga kennt, steckt sie auch in dieser Sache nicht so schnell auf und wurde sogar die Tage beim „Whatsappen” gesehen. Eins steht jetzt schon für sie fest: Auch nach ihrem 80. Geburtstag ist für sie an so etwas wie Ruhestand nicht zu denken. Die Arbeit und die Begegnungen mit Menschen sei eine wertvolle Aufgabe, die sie fit halte.

Wer Helga kennt, weiß, dass sie auch gerne mal den langen Fußmarsch von Falkenstein bis nach Königstein zurücklegt und selbst nach dieser Tour auch noch leichten Fußes bei der Köwo in der Tür steht, um zu fragen, ob sie ein Fenster öffnen soll, um frische Luft hereinzulassen. Sehr viel Freude machen ihr natürlich auch ihre fünf Enkel und die Gartenarbeit.

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