Meisterliches Verwirrspiel in der Werkstatt mit der Kulturgesellschaft

Frau Pinschel (li.) und die Wäscherin (Sabine Isabel Roller) sind entsetzt, während Lotte Kletterrose (Iris Reinhardt Hassenzahl) nur einfach enttäuscht ist: Der Student Moritz Heister trägt die Kleider der Zimmervermieterin. Foto: Schemuth

Königstein
(el) – „Wir Frankfurter stamm‘ all‘ von unserem Goethe ab, wir Frankfurter sind Dichter, das sieht man doch an unseren Gesichtern!“ Recht hat er, der junge Herr Meister, aus ihm wird doch noch ein Meister, und flugs mündet das Verwirrspiel um die beiden Studenten Max Meister (Tim Grothe) und Moritz Heister (Johannes Schedl) in einen großartigen Schwank und das in hessischer Mundart. Dieses heitere und unterhaltsame Kulturgut, das aus der Feder des Frankfurters Adolf Stoltze stammt, ist eine typische Burleske, bei der auch der Wortwitz nicht zu kurz kommt. Allerdings fiel Letzterer mitunter auch ein wenig derb aus, was sich aber „uff Hessisch“ einfach nur charmant anhört. Dafür hat Steffen Wilhelm in der zweiten Produktion des 2013 als Nachfolger des legendären Frankfurter Volkstheathers gegründeten Vereins Volkstheater Hessen gesorgt, dessen Mitbegründer er ist.

Wilhelm hat selbst als charakter- und ausdrucksstarker Schauspieler – einer, der in Erinnung bleibt – schon so manchen Gast der Königsteiner Veranstaltungsreihe „Theater auf der Burg“ von seinem Talent überzeugt. Für die Inszenierung des neuen Stücks „Meister-Heister“ wechselte Wilhelm nun die Seiten ebenso wie sich die Kulturgesellschaft Königstein vor einigen Jahren nach reiflicher Überlegung dazu durchgerungen hat, die vom Wetter her risikoreiche Schauspiel-Kulisse auf der Burg gegen eine regensicherere in der Werkstatt von Ferdinand Haub einzutauschen.

Hierher, zwischen Dachpfannen und Ziegelsteinen aller Art, lud der engagierte Verein um dessen Vorsitzende Almut Boller kürzlich erneut ein, um die Königsteiner mit einem Stück ihrer eigenen Kulturgeschichte zu konfrontieren und sie dabei quasi im Vorbeigehen bestens, nach alter Volkstheater-Manier, zu unterhalten. Ein Blick in die Gesichter, die an zwei aufeinander folgenden Abenden gespannt auf den ersten Vorhang für die Komödie warteten, zeigte, dass diese Rechnung durchaus aufgegangen ist. Es ist eben nicht nur auf die Wirtsfrau Verlass, wie es Zimmervermieterin Pinschel alias Silvia Tietz, die gerne als echtes „Frankfurter Mädsche“ tituliert wird, singend zum Ausdruck brachte. Tietz, die sich genauso im Musiktheater als Seeräuber Jenny zu Hause fühlt wie im Fernsehen, wurde in der Bearbeitung die Rolle einer scharfzüngigen Frohnatur, die mit allen Wassern gewaschen ist, auf den Leib geschneidert. Apropos Schneidern! Die Ebbe im Geldbeutel von Max Meister ist es, die eine Verkettung von Missverständnissen und Verwechslungen auslöst, die dieses perfekt inszenierte Verwirrspiel auf den Gipfel treiben. Nachdem er mit seiner Freundin Lotte Kletterrose (Iris Reinhardt Hassenzahl) auf einem Maskenball gewesen ist, kann Max hinterher seine Kleider nicht mehr beim Kostümverleih auslösen und leiht sich kurzerhand die Beinkleider seines Freundes Moritz. Der wiederum bekommt es mit der Angst zu tun, als der Freund stundenlang wegbleibt und borgt sich einfach Rock und Bluse der Zimmerwirtin – ein unüberlegter Griff in den Kleiderschrank, der Folgen hat, denn mit dem Besuch von Max‘ Onkel und Geldgeber Jeremias Pennerich (Andreas Walther-Schroth) und Fräulein Lotte hätte keiner der beiden Studenten gerechnet. Aber es ist nicht nur die Verwechslung, von der die Handlung lebt, das wäre zu einfach…das Stück wurde von Stoltze und nun in Folge in seiner modernen Fassung von Steffen Wilhelm um eine wichtige Facette erweitert: den Aspekt der damaligen Moralvorstellungen und Werte. Dies ist der zusätzliche Anker, der hier ausgeworfen wird und nun, während sich die Handlung entwirrt, wieder Stück für Stück eingeholt wird.

Regie oder Schauspiel? Steffen Wilhelm kann beides und wird sich auch weiterhin auf die Suche nach den besten Stücken für das Volkstheater Hessen machen. Mit „Verspekuliert“, einem Stoltze-Lustspiel, dem ersten Stück und nun dem Nachfolger mit „Meister Heister“ stehen die Zeichen für eine goldene Zukunft des noch jungen Vereins hervorragend. Wilhelm selbst ist dankbar, dass die Zuschauer die Treue gehalten haben und sagt: „Nur so können wir das machen.“ Insofern ist die Lücke, die nach der Schließung des Frankfurter Volkstheaters entstanden ist, wieder ein Stück weit geschlossen worden.

Darüber dürfte man auch bei der Königsteiner Kulturgesellschaft froh sein und aufatmen, denn die Königsteiner wissen – wie die beiden ausverkauften Abende gezeigt haben – den Theatergenuss zu schätzen, bei dem die Männer doch ein wenig ihr Fett abbekamen. Auch die Wahl der Schauspiel-Kulisse war im Nachhinein eine perfekte Lösung und ist auf dem besten Wege, selbst eine Institution zu werden. Und das selbst, wenn Hausherrin Ingrid Haub vor Publikum gestehen musste, dass sie und ihre Familie doch eine „Schreckenssekunde“ lang überlegt hätten, bevor man grünes Licht für das „Theater in der Werkstatt“ gegeben habe. Am Ende war es fast so, als wäre das immer so gewesen. Und so hatte man sich in der Pause und nach dem Theaterstück so einiges zu erzählen, während man ganz nach Stoltze-Manier ein Bretzelchen mit Dippsche verdrückte und sich über die gute Wahl der Abendunterhaltung freute.
Kletterrose zu sagen…“Männer, man kann nicht mit ihnen…fertisch.“ Nicht nur die flotte und selbstbewusste Lotte



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