Königstein (el) – Wer ist Sheridan Grant? Wer in diesen Tagen an einem Schaufenster einer Buchhandlung vorbeigekommen ist und sich die Auslagen samt der Neuerscheinungen mal aus nächster Nähe betrachtet hat, der wird vielleicht darauf kommen: Dabei handelt es sich um die 15-jährige pubertierende Hauptperson aus dem neuesten Buch von Nele Neuhaus. Wer es jedoch ganz genau wissen wollte, wieso sich die Krimi-Queen mit bevorzugten Tatorten im Taunus auf einmal aufs Romaneschreiben verlegt hat, der schaute einfach mal am Dienstagabend ins Haus der Begegnug herein. Hierher hatte die Königsteiner Kulturgesellschaft zur Lesung eingeladen. Dabei handelte es sich um eine Premiere, denn das neue Werk war sonst noch nirgendwo von der Autorin persönlich vorgestellt worden; eine Tatsache, die sich der kleine, aber feine Königsteiner Verein dann doch als Kompliment für die eigene Arbeit ans Revers heften kann. Mit im Boot war auch Thomas Schwenk mit seiner Buchhandlung Millennium, der nicht nur einen Büchertisch organisiert hatte, sondern wie Neuhaus selbst später ausführen sollte, ebenso wie die Stadt Königstein Teil der „Keimzelle“ gewesen zu sein, die ihren Erfolg als Autorin ausgemacht habe.
Die Figur der Sheridan Grant habe ihr schon immer im Kopf herumgespukt, verriet die Kelkheimer Autorin vor zirka 200 gespannten Zuhörern, größtenteils Damen. Schon einmal hatte es eine erfolgreiche Zusammenarbeit zwischen dem Kulturverein und der Autorin gegeben, deren Bücher überall auf der Welt – selbst im fernen Asien – begeisterte Anhänger gefunden haben. Vor einigen Jahren hatte man zur Matinee mit der 47-Jährigen auf Burg Königstein eingeladen; damals las sie aus „Mordsfreunde“ aus der Reihe der Taunuskrimis, die bereits mehrfach erfolgreich verfilmt wurden (Anm. der Red: erst vor kurzem wurden die neuesten Fälle ihres Ermittlerduos an Schauplätzen in Königstein und Kronberg gedreht).
Noch etwas ist neu: Nicht nur trägt die blonde Pferdenärrin hohe Schnürstiefel im Trapperstil; sie hat für ihr neues Buch auch noch ein weiteres Experiment gewagt: Aus Neuhaus wird Löwenberg – ihr Mädchenname. Im Dialog mit Lektorin Marion Vasquez vom Ullstein Verlag in Berlin ließ Neuhaus noch vor der Lesung interessante Einblicke hinter die Kulissen der Entstehung eines solch fesselnden Lesestoffes zu. In der Tat sollte es eine bewegende Lesung werden, auch für die Autorin selbst und das wohl auch deswegen, weil sich nicht nur ihr Lebensgefährte und ihre Schwester, sondern auch ihre Reiterfreundinnen im Publikum befanden.
Also, zurück zum Tatort „HdB“ – kein Taunuskrimi und auch nicht hinter dem Pseudonym verstecken – das waren nicht die Beweggründe dafür, das Genre wechseln zu wollen. Vielmehr war es ein Wunsch, eine Idee, die schon immer da war und die jetzt einfach umgesetzt wurde. Manchmal können Überlegungen so logisch und Erklärungen so simpel sein.
„Ich wollte einfach auch mal in die Tiefe der Gefühle gehen, und das hat mir großen Spaß gemacht“, sagt Neuhaus über ihren neuen Roman „Sommer der Wahrheit“. Allerdings sind die Taunus-Krimis deswegen nicht etwa in Vergessenheit geraten. Dem Verlag liegen derzeit 609 Seiten eines neuen Manuskripts vor, das gefeilt und gestrafft werden will. Arbeit für die Lektorin, die sich schon jetzt auf diese neuerliche Zusammenarbeit freut und dem Publikum ganz nebenbei verriet, dass sie Nele Neuhaus noch nie so fröhlich am Telefon erlebt habe, wie in der Zeit, in der der neue Roman entstanden sei. Diese Äußerung wird mit einem Schmunzeln von ihrem Gegenüber quittiert, allerdings versehen mit der vorsichtigen Rückfrage, ob das nicht beim Publikum den Eindruck erwecke, dass sie sonst beim Schreiben der Taunus-Krimis nicht etwa gut gelaunt sei. Beide Frauen müssen lachen, und die Zuhörer auch, die sich plötzlich wie wissende Insider vorkommen, bevor es weitergeht mit der Vorstellung und dem Eintauchen in das Amerika der 90er-Jahre, in das Neuhaus ihre Hauptfiguren hinein katapultiert hat.
Die Recherchen für das neue Buch seien zwar eine Herausforderung gewesen, aber hätten auch unglaublich viel Spaß gemacht, so Neuhaus, die sich schlau gemacht hat über den Bundesstaat Nebraska und ihren Roman dort „platziert“ hat, ohne überhaupt je an den Handlungsschauplätzen gewesen zu sein. „Ein bisschen komme ich mir vor wie Karl May, der war auch nie im Wilden Westen“, entlockt die charmante Autorin ihrem Publikum ein Schmunzeln. Vorgenommen, einmal in den mittleren Westen zu reisen, das hat sie sich jedenfalls schon mal und war am Abend ihrer Buchvorstellung jedenfalls, was das Schuhwerk betrifft, bestens auf den mittleren Westen eingestellt. Aber eigentlich, und auch das ist Teil ihres Erfahrungsschatzes als viel gelesene Bestsellerautorin, ist es jemandem, der ihre Krimis in Japan liest, ganz egal, ob diese in Altenhain oder sonstwo auf der Welt spielen. „Es ist völlig gleich, wo das spielt, die Geschichte und das Menschliche sind interessant und das ist nicht etwa an eine Landschaft gebunden“, so Neuhaus, die zum Abschluss der Lesung auch noch Durchhaltevermögen beim Signieren beweisen musste, ein jeder wollte das HdB nicht ohne persönliche Widmung der Autorin verlassen.