Unbewusstes bildlich ausdrücken Ausstellung zu 60 Jahre Klinik Dr. Steib

Eröffnungsrede der Kunsttherapeutin Brigitte Torke mit Dr. Sibylle Balzer-Kuna und Dr. Sabine Balzer-Brandt. Foto: Scholl

Königstein (gs) – Eine besondere Ausstellung findet derzeit im Rathaus Königstein statt. Anlässlich des 60-jährigen Jubiläums der Klinik Dr. Steib, Fachklinik für Psychiatrie, Neurologie und Psychosomatik werden Patienten-Arbeiten ausgestellt, die ihren Ursprung in einer ganz besonderen Kunsttherapie haben. Den Gast erwartet eine interessante, sowohl geschichtliche als auch künstlerische Ausstellung. Im Zentrum der Ausstellung stehen Fotodokumente aus der Geschichte der Klinik, umrahmt von den wunderschönen künstlerischen – und sehr berührenden – Arbeiten der Patienten.

Bei der im Zentrum der Ausstellung stattfindenden Eröffnung waren an diesem Abend die Klinikinhaberinnen Dr. Sibylle Balzer-Kuna und Dr. Sabine Balzer-Brand persönlich anwesend und dem Besucher bot sich gleich zu Beginn die Möglichkeit, sich den historischen Teil der Ausstellung anzusehen und bei Interesse mit den beiden Leiterinnen der Klinik ins Gespräch zu kommen. Anhand von Schwarz-Weiß-Fotos der Klinikräumlichkeiten aus den frühen Jahren der Klinikgeschichte erhielt der Besucher Einblick in deren Gründungszeit. Ein sehr interessantes Zeitdokument ist hier auch ein Zeitungsartikel vom 27. Juli 1956, der von der Gründung der Klinik berichtet.

Musikalisch begleitet wurde die Vernissage vom Friedrichsdorfer Duo „up to loop“, bestehend aus Ferdinand Leist an der Gitarre und Dieter Debus am Saxofon. Mit ihrer dargebotenen Mischung aus Jazz, Latin und Balladen trugen die beiden ganz sicher zu der gelösten und kommunikativen Atmosphäre bei, in der sich sehr schnell intensive Gespräche zwischen den Besuchern entwickelten. Die Vernissage erfreute sich mit über 70 Personen einer großen Besucherzahl, unter ihnen Mitarbeiter der Klinik, ehemalige und gegenwärtige Patienten sowie Freunde und Bekannte der Inhaberinnen.

Vor dieser eindrucksvollen Musik- und Besucherkulisse eröffnete die Königsteiner Stadträtin Sabine Mauerwerk mit Glückwünschen zum 60-jährigen Klinikjubiläum die Ausstellung und würdigte die Einrichtung als Fachklinik für Psychiatrie, Neurologie und Psychosomatik in Königstein. Sabine Mauerwerk stellte schon zu Beginn die Besonderheit der ausgestellten Arbeiten heraus und wies an dieser Stelle bereits darauf hin, dass es bei den künstlerischen Werken wichtig sei, „den Entstehungsprozess zu würdigen und nicht nur das Ergebnis, wie es die Leistungsgesellschaft leider oft tut.“ Den ganz besonderen Charakter dieser Ausstellung erläuterte die an der Klinik Dr. Steib tätige Diplom-Pädagogin und ausgebildete Kunsttherapeutin Brigitte Torke den Besuchern im Rahmen ihrer Eröffnungsworte.

Mit der von ihr angebotenen „Klientenzentrierten Kunsttherapie“ hat die Klinik neue Wege in der Behandlung ihrer Patienten beschritten. Dieses Therapieangebot ist seit nunmehr acht Jahren fester Bestandteil der Gestaltungstherapie der Klinik Dr. Steib.Dem Betrachter fielen bei seinem Rundgang durch die Ausstellung besonders die oft farbintensiven, kraftvollen Zeichnungen ins Auge, die eine große Dynamik ausdrücken. Die Bilder zeigen deutlich, dass der Patient in seiner Seele tiefe Empfindungen verbirgt, die durch das Malen einen Weg aus seinem Innersten finden. Jedes Bild ist Teil eines intensiven Prozesses, den der Patient durchlebt, und Brigitte Torke merkte in ihrer Eröffnungsrede an, dass sie sich an jede einzelne Stunde erinnern könne, in der das jeweilige Bild entstanden sei. Als Kunsttherapeutin fungiert sie zu Beginn der Kunsttherapie als Impulsgeber für ihre Patienten. Dieser Impuls kann nur ein einfaches Thema oder auch eine Fantasiereise sein. Ein schönes Beispiel ist die Geschichte einer Raupe, die die Metamorphose zum Schmetterling durchlebt. Der Patient hat im Anschluss in aller Ruhe und Stille 30 Minuten Zeit, seinen Gefühlen, die er mit dieser Geschichte verbindet, künstlerisch Ausdruck zu verleihen. In ruhiger Atmosphäre kann er seiner Kreativität ohne jeden Zwang freien Lauf lassen und seine Gefühle in einem kreativen Prozess im Bild ausdrücken. Diese „nonverbale“ Therapieform bewirkt oft, dass lange verborgene und nicht genutzte Kreativität reaktiviert wird. Es entstehen wunderschöne, aussagekräftige und teilweise unglaublich farbintensive Bilder. Da die Gefühle der Patienten jedoch – gerade zu Beginn der Therapie – oft auch dunkel und traurig sind, sieht der Betrachter in einigen Bildern auch die Zerrissenheit, die Selbstzweifel, den Schmerz oder die Ängste des Patienten deutlich. „Für die Patienten ist das Durchleben dieses Prozesses oft steinig und schmerzhaft“, wusste Brigitte Torke zu berichten – „Wut, Angst und Grauen nehmen künstlerisch Gestalt an.“ Setzt sich der Patient mit diesen Gefühlen auseinander, so ist er oft auch in der Lage, diese zu verarbeiten. Sichtbar wird diese Entwicklung dadurch, dass die Farben seiner Bilder heller, bunter und kraftvoller werden. „Hoffnung keimt, Neues entwickelt sich und die positive Energie wird sichtbar“, so Torke. All diese Prozesse finden ihren Ausdruck in den Bildern, die in der Ausstellung zu sehen sind und Torke lud die Gäste sowie alle Besucher ausdrücklich dazu ein, auf Entdeckungsreise zu gehen.

Die Gestaltungstherapie und mit ihr die „Klientenzentrierte Kunsttherapie“ ist, wie sich in einem sehr offenen Gespräch mit den Klinikleiterinnen Dr. Sibylle Balzer-Kuna und Dr. Sabine Balzer-Brandt herausstellte, eine Therapieform, die ihren festen Platz in der Behandlung von Patienten der Psychiatrie und Psychosomatik hat. Man möchte seinen Patienten die für sie bestmöglichen Therapieformen anbieten, und es sei oft der Fall, dass die Anwendung der klassischen Gesprächstherapie die Grundlage für die künstlerische Auseinandersetzung mit dem Problem des Patienten liefere, oder dass die künstlerische Auseinandersetzung zu neuen Anknüpfungspunkten für die Gesprächstherapie führe. Die verschiedenen Therapieformen ergänzen sich und wirken aufeinander ein. Dem Erfolg, unter anderem dieser Therapie ist es geschuldet, dass die Klinik Dr. Steib jedes Jahr viele Patienten aus der Therapie entlassen kann, die eine deutliche Verbesserung ihrer Lebensqualität erfahren und erleben. Die Geschichte der Klinik Dr. Steib wird getragen von dem Mut und dem Engagement ihres Gründers, Dr. Ludwig Steib, der als Allgemeinmediziner früh erkannte, dass die Behandlung von Patienten mit psychischen Problemen mehr bedarf als Ruhe und Erholung. So wandelte er schon 1962 das bestehende Sanatorium in eine Klinik um und spezialisierte sich auf die Nervenheilkunde. Seine Tochter, Dr. Almut Balzer-Steib, führte diese Linie über vier Jahrzehnte fort. Mit der Weiterentwicklung des Gesundheitswesens nahm die Behandlung von psychischen Erkrankungen einen größer werdenden Raum ein und rückte zunehmend in den Fokus der Bevölkerung. Die Töchter von Dr. Almut Balzer-Steib und heutigen Leiterinnen der Klinik, Dr. Sybille Balzer-Kuna und Dr. Sabine Balzer-Brandt, führen die Tradition der Klinik, die heute über 36 Betten verfügt, erfolgreich fort und vereinen Tradition und Moderne, um ihren Patienten ein breites Spektrum an Therapiemöglichkeiten anbieten zu können. Sie integrieren neue, moderne und erfolgversprechende Methoden in ihr Behandlungskonzept, so auch die Gestaltungstherapie und mit ihr die Kunsttherapie, deren positive Ergebnisse für die Patienten in der laufenden Ausstellung anhand ihrer Werke bewundert werden können.



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