Mammolshain (efx) – Sehr interessiert und bisweilen schmunzelnd lauschen die Zuhörer im Dorfgemeinschaftshaus Mammolshain der Stadtarchivarin Beate Großmann-Hofmann. Auf Einladung des Heimatvereins Mammolshain und dem Jubiläumsjahr verpflichtet, eröffnete Großmann-Hofmann mit ihrer Zeitreise einen Nachmittag interessanter, geschichtlicher Fakten, gemischt mit amüsanten Anekdoten vergangener Zeiten. Doch „wie packt man 825 Jahre in einen Vortrag von 60-80 Minuten?“, fragte die Stadtarchivarin und gab auch gleich die Antwort: „Am besten nicht chronologisch.“ Denn durch damalige Zitate und Erlebnisse ehemals in Mammolshain lebender Personen und Persönlichkeiten ist es spannender, als streng den Jahreszahlen verpflichtet zu berichten.
Mit einer kurzen Begrüßung durch Katja Metz, der zweiten Vorsitzenden des Heimatvereins Mammolshain, erinnert Metz zunächst an die wie im Flug vergangenen letzten 25 Jahre seit der großen 800-Jahr-Feier und der damit einhergegangenen Gründung des Heimatvereins. 25 Jahre, auf die sie, wie sie zugibt, „sehr gerne zurückblickt“. Mit dem Zitat „Dörfchen hinter Bäumen, am Berghang versteckt zum selbstbewussten Fenster nach Süden“ beginnt Beate Großmann-Hofmann ihre Zeitreise. Hans-Dieter Hartwich, Ortsvorsteher Mammolshains, dem Ort mit dem Wappensiegel Rotes Herz durchbohrt von einem Pfeil, umarmt von Rosen, Hermann-Josef Lenerz, Fachbereichsleiter Kinderbetreuung/ Jugend/Vereine Königstein, sowie Alexander Hees, Fraktionsvorsitzender der CDU Königstein sowie Thomas Boller, CDU-Stadtverordneter, sind im Publikum auszumachen. Alle Gäste des vollbesetzten großen Saals erwarten mit Spannung die Geschichte ihres „Dorfs“.
Im Jahre 1191 wurde „Meinboldeshagen“, das wahrscheinlich noch wesentlich älter ist, erstmals urkundlich erwähnt. Es entstand aus einer zur damaligen Zeit häufig angelegten Rodungssiedlung. „Hagen“ und „Hain“ wurden zur damaligen Zeit gerne als Namenszusätze für Siedlungen genutzt und sind unter anderem auch in den Ortsteilen Schneidhain und Alten-, oder Neuenhain vorzufinden. „Mainbold“ hingegen war ein zur damaligen Zeit geläufiger Männername, der den Siedlungsnamen vervollständigte. Im 14. Jahrhundert kam Mammolshain als Lehen an die Vogtei Schwalbach und im Jahre 1539 an Ludwig von Stolberg. Damals erhielt die Siedlung ihr Ortsrecht, bevor sie 1581 zusammen mit Königstein als Reichslehen an das Kurfürstentum Mainz überging. 1803 wurde der Ort im Reichsdeputationshauptschluss nassauisch und kam dann 1866 mit dem Herzogtum Nassau an Preußen.
Doch genug der reinen Daten, die geschichtlich wichtig, aber allein einen Vortrag mit wenig Leben füllen. Hierfür benötigt man Geschehnisse aus der damaligen Zeit und diese schilderte die Stadtarchivarin und erklärte das Schicksal einiger Frauen wie beispielsweise das von Anna Melchior. Sie wurde am 5. August 1600 wegen Hexerei und Zauber verhaftet und nach kurzer Zeugenvernehmung und Gegenüberstellung bereits Mitte Oktober desselben Jahres verbrannt. Auch andere Frauen wurden wegen Hexerei oder Vergiftung angeklagt, doch gelang einigen die Flucht während des Ritts zur Inhaftierung in Königstein durch den Mammolshainer Wald. Das Königsteiner Rathaus befand sich zum damaligen Zeitpunkt vermutlich in der Karlstraße 2. In den Jahren 1621 bis 1635, mit der Pest im Land kämpfend, verliert sich für ungefähr zwei Jahrzehnte die Spur Mammolshains. Viele Dorfbewohner und Schultheiße verließen ihre kleinen Dörfer und suchten Rettung vor der Seuche, so dass die Führung ordnungsgemäßer Geschäfte nicht mehr möglich war.
Am Ende des Dreißigjährigen Krieges bis zur Auflösung des Kapuzinerklosters (1813) auf dem Kapuzinerplatz, betreuten die Königsteiner Kapuziner-Mönche die Menschen in Mammolshain seelsorgerisch. 1738 wurde in Mammolshain die katholische Michaelskapelle geweiht. Der über die Helbighainer Wiesen bis nach Mammolshain führende Kapuzinerpfad ist auch heute noch bekannt, aber zum Leidwesen vieler an einigen Stellen kaum noch passierbar und müsste dringend zur weiteren Erhaltung gepflegt werden. Ende des 18. Jahrhunderts lebten 160 Menschen in Mammolshain.
Durch Krankheiten wie Typhus, zunächst zurückgeschlagen, konnte man 1895 bereits 333 Menschen zählen. Diese hatten sich um die bereits existierende Vorder-, Unter-, Ober- und Borngasse angesiedelt, die damals einzigen Straßen Mammolshains. Im Standesamt, das nach der Zuweisung Mammolshains an den Obertaunus gebaut wurde, vermerkte man die genauen Berufsbezeichnungen und Namen der Bewohner des Ortes samt ihrer Viehhaltung amtlich. So lassen sich auch heute noch Rückschlüsse auf die Berufe und das Leben der Menschen machen. Viele lebten in Fünf- bis Siebenpersonenhaushalten und als Landmann im Besitz einiger Rinder, Schafe und Schweine.
1724 wurde die erste Schule in Mammolshain erwähnt. Das Schulgebäude in der Borngasse beinhaltete auch die Dorfschmiede und das Backes (Backhaus). Schulen durchziehen die Ortsgeschichte, was darauf hinweist, dass immer genügend Kinder im Ort ansässig gewesen sein müssen. Zu Beginn des 20. Jahrhunderts startete Ernst Ritter von Marx als Landrat des Obertaunuskreises eine Werbeschrift „Unternehmung zur Hebung des Verkehrs und der Förderung der Besiedlung“, die in Kopie an der Wand im Dorfgemeinschaftshaus während des Vortrags zur Besichtigung aushängt. Mit dieser wollte man für neue Baugebiete in den südlichen Taunushängen werben. Waren diese Pläne realistisch oder nur ein Wunschtraum des Ritters von Marx?
Dies lässt sich heute nicht mehr nachvollziehen, denn der Erste Weltkrieg brachte die Idee zum Scheitern – vielleicht auch zum Glück der für Mammolshain so typischen Kastanienwälder! Die Nähe zu Königstein, Kronberg und Frankfurt machte das von der Sonne verwöhnte Mammolshain bei Frankfurter Edelbürgern beliebt und so errichteten sie nach und nach prächtige Residenzen. Die Villa Blaschek, 1892 gebaut, wurde sechs Jahre später an die Ehefrau des Frankfurter Industriellen überschrieben. In späteren Jahren vom Landeswohlfahrtsverband erworben, gründete dieser in der Villa eine Kinderheilstätte für lungenkranke Kinder im Alter bis 18 Jahren.
Bekannt wurde Mammolshain nicht zuletzt durch seinen schönen Bestand an „Kestebäum“ und Obst, das in der Südlage wunderbar wuchs. Zwetschgen, Birnen und Äpfel, Mirabellen und Kirschen waren schmackhaft und der Stolz der Bauern. Deshalb sollten auch alle Wege, die in Nachbarorte führen mit Obstbäumen bepflanzt werden. Als Unterkulturen unter die Bäume gepflanzt, erntete man später auch allerlei Erdbeeren, die dann in Frankfurt, oftmals auch unter dem Namen „Kronberger Erdbeeren“ verkauft wurden. Die Tradition des Obstanbaus ist Mammolshain bis heute erhalten geblieben und die jährliche Prämierung des Apfelweinkönigs über Hessens Grenzen bekannt.
Die Edelkastanien werden heute mit viel Sachverstand gepflegt und geschützt. In frühen Zeiten überreichte man häufig Manen, also Körbe voll Obst oder Kastanien als Dankesgeste für Geldspenden. Mit der Zeit wuchs die Zahl der Mammolshainer Einwohner und immer mehr Handel und Gewerbe siedelte sich an. Mitte des 20. Jahrhunderts prägen nach Beate Großmann-Hofmann „zwei herausragende Ereignisse Mammolshain“. Eines davon ist die größte Sprengung des Obertaunuskreises, die hier stattfand. Die Einwohner standen dieser Sprengung sehr skeptisch gegenüber und hatten Angst, ihr Hab und Gut könne Schaden nehmen. Sie wurde kurzerhand heimlich vorbereitet und plötzlich durchgeführt. Blöcke in Barackengröße rutschten ins Tal und nur eine kleine Delegation an Leuten wurde vorher eingeweiht und durfte dem Spektakel beiwohnen. Glücklicherweise gab es keinerlei Schäden, aber die Aufregung war groß und während sich die kleine Anzahl Zuschauer und Helfer bereits bei „Rippche und Kraut“ erholte, diskutierte man auf der Straße immer noch ob der Notwendigkeit eines solchen Projekts. Das zweite große Ereignis Mitte des 20. Jahrhunderts ist die Idee des damaligen Bürgermeisters Hans Pfaff, ein Gemeinschaftshaus zu bauen. Diese Idee wurde mit großer Zustimmung angenommen und so baute man in Gemeinschaft mit den Anwohnern Hand in Hand ein Gemeindehaus mit Wäscherei, Jugendraum und Amtsräumen. Der auch heute noch im ganzen Ortsteil gelebte Gemeinschaftsgedanke zeigte sich schon damals. Denn durch die Mitarbeit der Mammolshainer Bürger konnten ungefähr 10.000 Euro Baukosten eingespart werden.
Besonders erwähnenswert ist das Interesse vieler Künstler und Schriftsteller an Land und Leuten rund um Mammolshain, wie beispielsweise von Hans Meinke, freischaffender und über Jahrzehnte in Mammolshain lebender Künstler. Aber auch Philipp Franck, Schüler der Kronberger Malerkolonie, fühlte sich hier wohl und ließ sich inspirieren.
Der damalige Bestsellerautor Rudolf G. Binding beschrieb in seiner Novelle „Die Vogelscheuche“ Mammolshain als „in einem sonnigen Schlaf, jahraus, jahrein und nimmer erweckt, liegt das Dörfchen Mammolshain auf der ersten Stufe eines der schönsten deutschen Mittelgebirge.“
Anfang der siebziger Jahre stellte sich im Zuge der Gebietsreform Hessens die Frage der Angliederung und so setzte am 1. August 1972 Bürgermeister Paff seine Unterschrift unter den Vertrag der Angliederung Mammolshains an Königstein, bei sehr knapper Entscheidung gegen den Verbleib in der Selbstständigkeit. Dass sich die Bewohner Mammolshains einmischen und gemeinsam solidarisch ihrem „Edelkastaniendorf“ verbunden sind, merkt man über alle Jahrzehnte. Es gibt viele Vereine, in denen sich die Bürger engagieren und die Geschichte ihres „Dorfes“ erhalten. Der Heimatverein Mammolshain möchte „der Zukunft unsere Vergangenheit erhalten“.
So freuen sich alle Vereine gemeinsam auf das große Festwochenende, beginnend mit einer Foto- und Filmausstellung am 25. Juni zwischen 14 und 16 Uhr im Dorfgemeinschaftshaus und das große Dorffest am 26. Juni zwischen 9.30 und 17 Uhr. Bühnenprogramm, Gewerbeschau, deftiges Mittagessen und eine umfangreiche Kuchenbar auf dem Born- und Bolzplatz erwartet die Gäste. Katja Metz, Beate Großmann-Hofmann und alle Vereinsmitglieder wünschen sich auch in Zukunft noch viele weitere Vereinseintritte und steigende Mitgliederzahlen, denn nur so lässt sich Gemeinschaft leben und Tradition bewahren.