Schneidhain – „Metropolregion FrankfurtRheinMain – Wunsch oder Realität“ – das war die Frage im Rahmen der Veranstaltungsreihe „Offener Treff für jedermann“, zu der Annegret Reinhardt-Lehmann, Geschäftsführerin der Wirtschaftsinitiative FrankfurtRheinMain e.V., am 9. März im Evangelischen Gemeindehaus Schneidhain vor interessierten Zuhörerinnen und Zuhörern, die sich rege mit anschließenden Fragen beteiligten, referierte.
Dr. Wolfgang Scheiding, zuständig für Organisation, Öffentlichkeitsarbeit und Moderation im ehrenamtlichen Leitungsteam des Veranstalters OTj „Offener Treff für jedermann“, eröffnete den Vortragsabend mit einer Kurzvorstellung des OTj, seiner Person und vor allem der Referentin, der er anschließend das Wort übergab.
Die gebürtige Frankfurterin Annegret Reinhardt-Lehmann ist verheiratet und hat eine Tochter. Nach dem Abitur am Ziehengymnasium erhielt sie ein Stipendium des Frankfurter Cosmopolitan Clubs, das ihr ein Bachelor-Studium am Jamestown College in North Dakota/USA ermöglichte. „Amerika hat mich geprägt in meiner Servicehaltung und meiner Durchsetzungsfähigkeit“, sagt Annette Reinhardt-Lehmann heute über diese Zeit. Ihren Magisterabschluss machte sie im Anschluss an den USA-Aufenthalt nach einem Studium an der Goethe-Universität Frankfurt in Amerikanistik und Romanistik. In ihrer beruflichen Laufbahn hat Reinhardt-Lehmann zum größten Teil für die Fraport AG in Management-Positionen gearbeitet, „inzwischen seit 32 Jahren und seinerzeit als erste Frau in der Bereichsleitung“, wie sie stolz berichtet. Seit 2007 koordiniert sie zudem von ihrem Frankfurter Büro aus alle Geschäfte der Wirtschaftsinitiative, die sich mit 119 Mitgliedern – darunter DAX-Unternehmen –- die Förderung der Metropolregion FrankfurtRheinMain (FRM) in allen für die Wirtschaft relevanten Bereichen und der Menschen, die in der Region leben und arbeiten, auf die Fahne geschrieben hat.
„Verdopplung der Weltbevölkerung in nur 50 Jahren – von 4 auf 8 Milliarden von 1974 bis 2024“ und „Seit 2010 leben 50 % der Weltbevölkerung in Städten, im Jahre 2050 65 %. Prognose für Deutschland: 2050 84 % Stadtbevölkerung“ – mit diesen deutlichen Überschriften brachte die Referentin ihr Publikum ohne Umschweife auf den Kernpunkt des Themas. Die Urbanisierungsbewegung lässt sich nicht aufhalten, dabei ist eine deutliche Dynamik in Asien und Lateinamerika erkennbar.
Ihrem eloquenten und faktenreichen Vortrag stellte Annegret Reinhardt-Lehmann voran , dass FRM (5,5 Mio. Einwohner) als eine der 11 Metropolregionen Deutschlands, verglichen mit den bedeutenden Metropolregionen Europas wie London oder Paris, mit jeweils über 10 Millionen Einwohnern, oder gar weltweit mit beispielsweise Shanghai, New York oder Tokyo, in seiner Dimension ein eher kleines Licht ist. Und genau da liegt auch eine wesentliche Herausforderung – denn will FRM in Zukunft eine bedeutende Rolle im globalisierten Markt spielen, wird sich die Region stärker aufstellen müssen, um nicht abgehängt zu werden von den gigantischen Megacities. „Die am schnellsten wachsenden Städte befinden sich in Afrika“, sagt Reinhardt-Lehmann und zitiert dazu aus einer Rede von EU-Parlamentspräsident Martin Schulz zum Tag der Metropolregion in der Frankfurter Paulskirche am 17. April 2015: „Die Dynamik der Schwellenländer fordert uns heraus in dieser Beziehung“, diese Entwicklung „spiegelt eine Überlebensfrage unserer Gesellschaft wieder“. Europäische Metropolen wachsen weniger schnell, was nicht zuletzt auf den demografischen Wandel zurückzuführen ist. „Auch in Brüssel wird gesehen, dass Europa große Probleme hat, mit den weltweiten Metropolregionen mitzuhalten“, betont die Referentin. In Europa, in Deutschland, davon vor allem in unserer Heimatregion FrankfurtRheinMain müssen wir also selbstbewusst, jedoch vor allem zielbewusst, die richtigen Weichen stellen, um im globalen Wettbewerb bestehen zu können.
Die Mobilisierung der Bevölkerung ist einer der Gründe für die Landflucht, hinzu kommen u. a. die besseren Beschäftigungsperspektiven oder die kulturelle Vielfalt und Dynamik in der Metropolregion. Daher ist die Schaffung gleichwertiger Lebensverhältnisse für die Menschen auf dem Land und in der Stadt eine Herkulesaufgabe für die Gesellschaft, vor allem die Politik sei hier gefragt, erklärt Annegret Reinhardt-Lehmann.
Was sind also die Chancen, die erforderlichen Maßnahmen, die Herausforderungen – damit wir uns in FRM für die Zukunft wettbewerbsfähig aufstellen? „Frankfurts Plus sind die kurzen Wege, die schnelle Erreichbarkeit, aber auch hier müssen wir dranbleiben, der RMV müsste z. B. dringend erweitert werden auf die Metropolregion. Die West-Tangente ist zudem ein wichtiges Zukunftsthema“ führt Reinhardt-Lehmann an. „Wir punkten auch mit Frankfurt als Kompetenzzentrum sowie durch weiche Faktoren wie den Grüngürtel, die Lebens- und Freizeitqualität“. Das Wichtigste sei jedoch ein Masterplan, eine Strategie für die Entwicklung. Nur im Zusammenhalt und in der Zusammenarbeit der Akteure, auch über die Ländergrenzen hinweg (FrankfurtRheinMain z. B. verteilt sich über Hessen, Rheinland-Pfalz und Bayern oder RheinNeckar rund um das Dreiländereck Baden-Württemberg, Rheinland-Pfalz und Hessen) ließe sich erreichen, dass den Zukunftsthemen Nachhaltigkeit und Infrastruktur Rechnung getragen werden kann, Strukturen für Kooperationen entstehen können. „Die Praxis der Mittelvergabe auf Landes- bzw. Bundesebene ist nicht mehr zeitgemäß, die Finanzierungspraxis ‚Länderproporz‘ ineffizient. Gelder sollten dort eingesetzt werden, wo sie den höchsten Effekt erzielen […] Eine Institution mit der Ausrichtung auf die gesamte Metropolregion ist erforderlich“, Annegret Reinhardt-Lehmann macht klar, dass hier noch dicke Bretter zu bohren sind.
Die Eingangsfrage „Wunsch oder Realität“ ist daher im Grundsatz beantwortet. Eine klare Aufstellung durch weitere Zusammenschlüsse bzw. wirtschaftlicher, gesellschaftlicher und auch politischer Zusammenarbeit ist für FrankfurtRheinMain unerlässlich, um sich als europäische Metropolregion zu positionieren und nicht langfristig wirtschaftspolitisch an Bedeutung zu verlieren. Dies ist in jedem Fall weit mehr als ein Wunsch, es ist in seiner Realität alternativlos.
Kann die jeweilige Metropolregion künftig aufgrund ihrer Bedeutung für die Wirtschaft und die Gesellschaft sogar eine Dominanz in den entsprechenden Bundesländern erlangen, gibt es ggf. sogar einen Machtkampf mit den Ländern? Würden die lokalen Regierungen Einfluss auf die Metropolregionen einbüßen? Neue Fragen, die unter vielen anderen am 12. Oktober d. J. an Bernhard Maßberg gestellt werden können, der sich als Vertreter des Hessischen Ministeriums für Wirtschaft, Energie, Verkehr und Landesentwicklung mit einem eigenen Beitrag zur Metropolregion FRM im Rahmen dieser Veranstaltungsreihe präsentieren wird. Wer sich zu diesem Thema zukunftsfit machen möchte, darf jetzt jedoch erstmal gespannt sein auf die nächste Veranstaltung aus dem Zyklus „Offener Treff für jedermann“, bei der Frankfurts ehemalige OB, Dr. h.c. Petra Roth, ihre Sichtweise mit ihrem Vortrag „Metropolen sichern unsere Zukunft – FRM liefert hierfür gute Beweise“ darstellen wird. Sie sind dazu eingeladen am Mittwoch, 20. April 2016. Beginn 20.00 Uhr im Evangelischen Gemeindehaus Schneidhain.
Quo vadis FrankfurtRheinMain? Annegret Reinhardt-Lehmann, Geschäftsführerin der Wirtschaftsinitiative FrankfurtRheinMain e.V., nahm die Zuhörerinnen und Zuhörer mit auf den Weg.
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