Gemälde zum legendären Schiffstransport nach Königstein im Jahre 1827, initiiert von Friedrich Christian Stoltze, dem Vater des bekannten Dichters und Schriftstellers Friedrich StoltzeFotos: Löber-Kieslich
Königstein (blk/mk) – Eigentlich hätte die „Kö“, wie die knapp zehn Kilometer lange, vom Main in den Taunus führende Königsteiner Straße im Volksmund liebevoll und ein wenig scherzhaft genannt wird, bereits vor drei Jahren ihr zweihundertstes Jubiläum gefeiert. 1820 wurde die neue Chaussee fertiggestellt; ungefähr zwei Jahre soll der Bau der neuen Verbindung zwischen Frankfurt-Höchst und Königstein gedauert haben.
So war denn ursprünglich der Startschuss für die Jubiläumsausstellung, die von der Stadt Bad Soden konzipiert wurde, für 2020 geplant, musste jedoch, wie so viele Veranstaltungen und Projekte jener Zeit, wegen Corona verschoben werden. In diesem Jahr jedoch ist es endlich soweit.
Die Wanderausstellung, die neben zahlreichen „Zeitzeugen“ in Form von historischen Fotos, Briefen, Dokumenten und Landkarten sowie einigen Gemälden auch größere Exponate wie z.B. einen Holzleiterwagen, wie er damals üblich war, oder ein originales Wachpostenhäuschen der im ersten Weltkrieg bei Bad Soden stationierten französischen Besatzungstruppen präsentiert, hatte ihre erste Station im Badehaus Bad Soden und zog dann zum ersten Juliwochenende um, passend zum diesjährigen Höchster Altstadtfest, an den Main.
Nun ist die Ausstellung bis zum 8. September 2023 im Rathaus der Stadt Königstein zu sehen und zwar zu den üblichen Öffnungszeiten der Stadtverwaltung. Der Eintritt ist frei. Im Rahmen der feierlichen Vernissage der Ausstellung am 15. August 2023 ließ es sich Bürgermeister Leonhard Helm nicht nehmen, ausführlich auf die Bedeutung der Königsteiner Straße insbesondere im Hinblick auf die wirtschaftliche Entwicklung der Stadt Königstein, wie auch allen anderen an der Chaussee gelegenen Anrainerkommunen hinzuweisen. Königstein lag zwar bereits einige Jahrhunderte vor dem Bau der Königsteiner Straße an der sogenannten „Cölnischen Hohen Heer- und Geleitstraße“, einer alten Handelsstraße, die von Frankfurt-Rödelheim über Glashütten, dem heutigen Waldems-Esch und Limburg bis nach Köln führte und in etwa dem Verlauf der heutigen Bundesstraße 8 entspricht. Als sich der Zustand der alten Handelsstraße, insbesondere in Richtung Main, im 18. Jahrhundert derart verschlechtert hatte, dass Fuhrwerke es schwer hatten, die teils zugewucherte und teils versumpfte Strecke zu bewältigen, begann man bereits in der Kurmainzer Zeit, ab etwa 1770, mit den Planungen für den Bau einer neuen Straße, die jedoch einen etwas anderen Verlauf hatte als bisher, nämlich die spätere „Königsteiner Chaussee“. Leider konnte man damals nicht zeitnah mit dem Straßenbauprojekt beginnen, da die Napoleonischen Kriege personelle und finanzielle Ressourcen schmälerten.
Der Bau dieses neuen Handelsweges zu Beginn des 19. Jahrhunderts eröffnete nun auch den Gemeinden Unterliederbach, Sulzbach, Bad Soden und Neuenhain neue wirtschaftliche Chancen und Aufschwung. Auch auf die Entwicklung der Stadt Königstein wirkte sich die neue Straße sehr positiv aus. Die erste Hälfte des 19. Jahrhunderts war geprägt von der Kultivierung des Kur- und Badewesens und damals wie heute war eine verkehrsgünstige Lage für ein Kurstädtchen wie Königstein oder Bad Soden unabdingbar. Auch für die Gastronomie und das Hotelgewerbe war die von Frankfurt kommende und schnurgerade auf die Taunushöhen führende, gut ausgebaute, Königsteiner Straße ein Gewinn. Endet die Königsteiner Straße doch kurz vor dem Hardtberg, also sozusagen unmittelbar „vor den Toren Königsteins“, so machte der Bau des legendären „Grand Hotel Königsteiner Hof“ ausgerechnet in der Sodener Straße durchaus Sinn.
Seither sind viele Jahre vergangen und entlang der „Kö“ hat sich die Infrastruktur immer wieder verändert und weiter entwickelt. Diese Entwicklung reflektiert nun die Jubiläumsausstellung „200 Jahre Königsteiner Chaussee“.
Zur Vernissage eingeladen war natürlich Frau Dr. Christiane Schalles, Direktorin des Stadtmuseums Bad Soden, die maßgeblich an der Konzeption der Ausstellung beteiligt war. „Die Idee für diese Ausstellung war schon sehr lange in unseren Köpfen und es war uns immens wichtig, alle Anrainerkommunen, angefangen von Höchst, über Unterliederbach bis hoch nach Königstein, gemeinsam an einen Tisch zu bekommen.“, so die Bad Sodener Stadtarchivarin.
Ihre Königsteiner Kollegin Frau Dr. Alexandra König stieß 2019, damals neu in ihrer Position als Stadtarchivarin, zu der seinerzeit bereits sehr aktiven Projektgruppe „Königsteiner Straße“ und beschäftigte sich u.a. mit dem, wie sie in ihrem Vortrag im Rahmen der Vernissage betonte „sehr plastischen Endpunkt der Königsteiner Straße“, nämlich dem Königsteiner Kreisel. Ihre Recherchen belebten die Erinnerungen an bemerkenswerte Ereignisse wie z.B. die Errichtung des sogenannten „Hüttendorfes am Damm“, einer Protestbewegung gegen eine damals geplante Erweiterung der B8 in Höhe der Roten Mühle, die nachhaltige Auswirkungen sowohl auf die Entwicklung der kommunalen Parteienlandschaft in Königstein wie auch eine Vorbildfunktion für andere Protestbewegungen wie z.B. der der Startbahn West hatte.
Frau Dr. König hob vor allem die Leistung ihrer Bad Sodener Kollegin Frau Dr. Schalles hervor, zum einen dahingehend, dass diese es geschafft hat, das doch recht große Projekt-Team über einen solch langen Zeitraum zu motivieren und zusammen zu halten, zum anderen, die Ausstellung so zu konzipieren, dass deren Ausgestaltung für alle beteiligten Anrainerkommunen einen Mehrwert hat.
Frau Dr. König wies darauf hin, dass aufgrund der räumlichen Gegebenheiten im Rathaus Königstein leider auf einige interessante 3D-Exponate der Ausstellung verzichtet werden musste. Parallel zur Ausstellung wurde jedoch auch ein Katalog mit dem Titel „Vom Main in den Taunus - 200 Jahre Königsteiner Chaussee“ entwickelt und als Buch gedruckt, das zum Preis von 12 € z.B. in der Buchhandlung MillenniuM erworben werden kann. In dieser Dokumentation werden alle Exponate der Ausstellung gezeigt und erläutert; auch diejenigen, die in den Ausstellungsräumen des Königsteiner Rathauses keinen Platz fanden.
Besucher der Ausstellung können sich ein klein wenig wie Zeitreisende fühlen. Zahlreiche Exponate aus zweihundert Jahren Lokalhistorie rund um die Entwicklung der Königsteiner Straße vermitteln einen sehr anschaulichen Eindruck, was sich entlang dieser wichtigen Verkehrsader zwischen „Maa und Königstaa“ (auf Hochdeutsch „Main und Königstein) so alles abspielte. So soll z.B. auch der im Jahr 1816 in Frankfurt geborene bekannte deutsche Dichter und Schriftsteller Friedrich Stoltze im Alter von ungefähr elf Jahren mit seinem Vater auf der Königsteiner Straße unterwegs gewesen sein. Bürgermeister Helm wie auch Frau Dr. Schalles gaben sehr humorvoll die Anekdote zum Besten, die seinerzeit einer Wirtshauslaune des Vaters von Friedrich Stoltze, damals Pächter des Gasthauses „Zum Rebstock“ in Frankfurt, entsprang. Weinselig beschloss Vater Stoltze, ein Schiff auf Rädern über die neue Chaussee zur Königsteiner Kerb hoch zu bringen. Friedrich Stoltze, der seinen Vater damals begleiten durfte, schrieb diese Geschichte später in hessischer Mundart nieder und erzählte, wie erstaunt die Königsteiner waren, als sie das auf der Königsteiner Straße nahende „Schiff“ bemerkten, welches wohl von Wolken eingerahmt war, und aufgeregt riefen „De Maa kimmt.“ (auf Hochdeutsch „Der Main kommt.“).
Die Vernissage im Königsteiner Rathaus war trotz der Hessischen Sommerferienzeit gut besucht. Bürgermeister Leonhard Helm freute sich, dass so viele Gäste gekommen waren und begrüßte insbesondere Stadtverordnetenvorsteher Dr. Michael Hesse, den Ersten Stadtrat Jörg Pöschl, einige weitere Stadtverordnete sowie eine Delegation der neuen Partnerstadt Königsteins, Faringdon, Großbritannien.