Nun im allgemeinen Konsens: „Fridays for Future Hochtaunus“ geht am Freitag auf die Straßen Königsteins

Königstein (hhf) – Die KöWo hatte es schon vor zwei Wochen angekündigt, mit einer gewissen Freude: Diesmal ohne Schule zu schwänzen wollten die „Fridays for Future Hochtaunus“ am kommenden Freitag, 31. Januar, sich nach der Zeugnisausgabe treffen, um in Königstein für den verantwortungsbewussten Umgang mit der Umwelt zu demonstrieren. Was in vielen Städten der Welt fast schon Alltag ist, soll nun auch in den Hochtaunuskreis einziehen, für die erste Veranstaltung, die in verschiedenen Gemeinden wiederholt werden soll, war die Kurstadt Königstein ausersehen – nicht ganz unpassend, ist man hier als heilklimatischer Kurort der Klimafrage doch noch ein Stückchen näher als anderswo.

Demokratie in Gefahr?

Gegen Ende der vergangenen Woche verfinsterte sich dann aber der Himmel, zumindest im Rathaus, aber auch die Kreisbehörden bis zur Polizei waren eingebunden. Vermutlich hatten Veranstalter und Sicherheitsbehörden sich nicht rechtzeitig und offen genug zusammengesetzt, um nach Jahren, eher seit einem Jahrzehnt, in Königstein eine ernsthafte Demonstration zu planen. Bürgermeister Leonhard Helm gibt dabei unumwunden zu, dass man hier in diesen Dingen eben „etwas unerfahren“ sei, daher machte er, als der Streit aufflammte auch Vieles von der Einschätzung der Polizei abhängig, die immerhin für die Verkehrssicherung zuständig ist.

Der Knackpunkt: Ausgerechnet an einem besonders verkehrsreichen Freitag wollte die Stadtverwaltung einerseits den Autoverkehr nicht zusätzlich behindern, andererseits ganz besonders, da es sich um überwiegend Jugendliche Demonstranten handelt, aber auch deren Sicherheit nicht gefährden. Also erhielten die Veranstalter zwar eine Genehmigung für die Demonstration, aber mit einer Reihe von Auflagen, die sie für nicht erfüllbar hielten. In der Tat scheint zum Beispiel die Idee, die Demonstranten nur auf den beiden Bürgersteigen entlang der Frankfurter Straße laufen zu lassen weder besonders sicher noch irgendwie überwachbar.

„Entsetzt über das mangelnde Demokratieverständnis“ schalteten die Organisatoren um Gabriela Terhorst und Cordula Jacubowsky nun Anwälte ein, um ihr Recht durchzusetzen.

Hohe Emotionen

Pressemitteilungen wechselten sich ab, zum Teil mit der Bitte, vor der Veröffentlichung noch zu warten, was demnächst ein Anwalt vielleicht per Eilverfügung noch durchsetzen würde oder mit dem Hinweis, der Hochtaunuskreis müsse auch noch einbezogen werden – die Emotionen gingen hoch, während viele auch engagiert an einer einvernehmlichen Lösung arbeiteten. Beinahe während die ersten Seiten der KöWo schon in die Druckerei wanderten, traf dann die endgültige Meldung ein: Es wird im Großen und Ganzen alles so wie geplant und angekündigt stattfinden können, Einigung ist erzielt.

Eine telefonische Anfrage bei Bürgermeister Leonhard Helm am Dienstag brachte Klarheit in einem nahe liegenden Vergleich: Warum können in jedem Jahr die Abiturienten durch die Straßen ziehen und bekommen den Parkplatz vor dem Freibad zur Verfügung gestellt, wenn es nun bei einer so ähnlichen Veranstaltung auf einmal so große Bedenken seitens der Stadt gibt? Vor allem sei das darin begründet, dass man die Abiturfeier von langer Hand vorbereite und so in Ruhe ein geeignetes Konzept ausgearbeitet habe, erklärte der Rathauschef, diesmal kam alles etwas plötzlich ins Haus geschneit. Kleine, aber wichtige Unterschiede sind dann zum Beispiel die Sperrung von Bundesstraßen oder Hauptverkehrsstraßen auch noch zu einem ungünstigen Zeitpunkt – die Abiturienten laufen zu einer verkehrsschwachen Zeit über weniger belebte Straßen und biegen dann schnell in Richtung Woogtal ab, wo sie eben kaum jemanden stören, und das ist kein Zufall, sondern eben kluge Planung als Folge der Zusammenarbeit von Veranstaltern, Polizei und Stadtverwaltung. Ein anderer Aspekt aber trat letztendlich in den Vordergrund: Ist das Abiturfest eine „Veranstaltung“, so hat eine politisch motivierte Demonstration in unserer Demokratie eben auch deutlich mehr Rechte, unbequem zu sein. Hier gehört das Auffallen zum Grundanliegen, während die Feierer sich und anderen durchaus einen Gefallen tun, wenn sie weniger auffallen.

Grüne auf der Seite des Klimas

Neben dem Bürgermeister haben sich zum Beispiel die Grünen große Mühe gegeben, im Streit zu vermitteln, ohne dabei ihre Einstellung zur Sache zu verbergen:

Parteisprecherin Dr. Bärbel von Römer-Seel schrieb: „Die GRÜNEN des OV Königstein/Glashütten erklären sich solidarisch mit den Zielen und Aktionen der Bewegung Fridays for Future. Als globale soziale Initiative, die von Schülern und Studenten ausging, setzt sie sich nun generationsübergreifend für die Umsetzung der Klimaschutzziele ein.

Die GRÜNEN des OV Königstein/Glashütten unterstützen Fridays for Future in ihrem Bestreben nach Erhaltung der globalen Lebensgrundlage. Neben dem Ausdruck des Protests und konstruktiver Aktionen tragen sie mit ihrer politischen Arbeit zur Umsetzung der Klimaziele vor Ort maßgeblich bei.

Die GRÜNEN bedauern die mangelnde Abstimmung des Ablaufs und Verlaufs des Demonstrationszuges in Königstein. Es ist verwunderlich, dass trotz des zeitlichen Vorlaufs bisher keine für alle Seiten befriedigende und sichere Lösung gefunden werden konnte. Sie rufen dazu auf, sich auf eine gemeinsame Lösung zu verständigen, die die Sicherheit der Beteiligten nicht gefährdet, wobei eine vorübergehende Störung des innerstädtischen Verkehrs durchaus als zumutbar erachtet wird: „Die Demonstrations- und Redefreiheit muss als höchstes Gut – wann immer erforderlich – gewahrt bleiben“, unterstreicht Parteisprecherin Dr. Bärbel von Römer-Seel und führt weiter aus: „Wer die Stadt Königstein nur an der Anzahl und Größe ihrer Autos bemisst, greift zu kurz. Viele engagierte Menschen, die in dieser Stadt leben, tragen zur Umsetzung der Klimaziele mit ihrer eigenen bewussten Lebensführung und auch durch ihr politisches Engagement bei. Die von den GRÜNEN Königstein initiierten Investitionen in die Klimapolitik und den Mobilitätswandel wurden zum großen Teil von allen Fraktionen des Stadtparlaments mitgetragen. Dieses Verhalten der Mandatsträger bringt zum Ausdruck, dass viele Bewohner Königsteins trotz ihrer bevorzugten Lage am Taunushang sich darüber bewusst sind, dass es aller Anstrengungen bedarf, das Verkehrsproblem zu lösen und die Energieversorgung auf nachhaltige Quellen umzustellen.“

Die GRÜNEN setzen auf die Konstruktivität der Verwaltung, der Veranstalter und der Sicherheitsbehörden, appellieren an sie, die Signale von Fridays for Future aufzunehmen und bis Freitag noch eine tragfähige und sichere Lösung für die Durchführung der Demonstration zu ermöglichen.“

„Um 11 Uhr in der Innenstadt“

„Fridays for Future auf ganzer Linie erfolgreich – Stadt vermeidet demokratischen Super-GAU“ betitelt der BUND Königstein-Glashütten seine aktuelle Pressemitteilung, deutlich versöhnlicher als noch am Vormittag: „Die Erleichterung macht sich breit bei den Fridays for Future Hochtaunuskreis und dem Vorstand des BUND OV Königstein-Glashütten. Der BUND hatte für die Fridays for Future eine Demonstration angemeldet. Nach drei nervenzehrenden Tagen ist die Diskussion mit der Stadt Königstein im Taunus über die Auflagen endlich ausgestanden.

Die Stadt hatte sich mit ihrer ersten Verfügung sehr lange Zeit gelassen, sie kam erst vergangenen Freitag. Sie beinhaltete Auflagen wie eine Begrenzung der Fahnenstocklänge auf 1,50 m, was die Nutzung der eigenen Fahnen der Fridays unmöglich gemacht hätte. Außerdem verlangte sie, dass nahezu der ganze Aufzug auf den Bürgersteigen, unter anderem auch gegen die Fahrtrichtung unter Nutzung der Fahrradstreifen, durchgeführt werden sollte.

„Man stelle sich vor, die überwiegend jugendlichen Teilnehmer würden im Gänsemarsch zwischen der Hecke der Adenaueranlage und parkenden Autos marschieren, eingehüllt in ihre dann nicht mehr lesbaren Banner. Abgesehen von den Gefahren, z.B. auf der Frankfurter Straße gegen den fließenden Verkehr laufen zu müssen und zwischendurch immer mal wieder hübsch geordnet und hintereinander die Zebrastreifen hin zum nächsten Fußgängerweg zu überqueren, ist das eine unmögliche Vorstellung,“ ergänzt Cordula Jacubowsky, Vorsitzende des BUND OV, „mit einer solchen Auflage kann die Sicherheit der Teilnehmer von uns nicht gewährleistet werden.“

Deswegen hatte Gabriela Terhorst, stellvertretende Vorsitzende und auch Stellvertreterin bei der Organisation der Demonstration, sich auch sofort direkt an den Bürgermeister Leonhard Helm gewandt, der aber die Auflagen verteidigte und nicht zurücknehmen wollte. Daraufhin beauftragte der BUND den Fachanwalt für Verwaltungsrecht, Thomas Mehler, von der Rechtsanwaltskanzlei Haldenwang mit der Durchsetzung ihrer Interessen. Rechtsanwalt Mehler legte noch am Montagabend Widerspruch ein und setzte der Stadt eine Frist bis Dienstagmittag 13 Uhr.

Die Frist verstrich. Deshalb wurde nun Eilantrag beim Frankfurter Verwaltungsgericht eingereicht. Die Nachricht darüber erreichte den BUND Dienstagnachmittag, und zehn Minuten später kam die geänderte Verfügung, die die Auflagen mit den Bürgersteigen und der Länge der Fahnenstangen nicht mehr beinhaltete. „Diese war mit Sicherheit schon fertig, man wartete wohl ab, ob wir den Schritt vor Gericht wagen wollten“, vermutet Cordula Jacubowsky.

Route problematisch

Doch die Route, die sich die ‚Fridays‘ ausgedacht hatten, wurde um einen wichtigen Teil beschnitten. Sie sollte von der Wiesbadener Straße über die Stresemannstraße zur Frankfurter Straße führen und nicht wie gewünscht über die Bischof-Kaller-Straße, am Kreisel außen vorbei auf die Frankfurter Straße.

Die Entscheidung, wie weiter verfahren werden sollte, verzögerte sich bis Mittwochmorgen. Es wurde beschlossen, dass der Einschnitt in das Recht der Versammlungsfreiheit höher zu bewerten ist, als mögliche leichte Verkehrsbehinderungen. Dies wurde dann der Stadt auch so mitgeteilt. Wenig später meldete sich die Stadt: Man habe sich nach Rücksprache mit der Polizei dazu durchgerungen, die gewünschte Route zu ermöglichen. Der Verkehr würde „somit nur kurzfristig eingeschränkt“, schrieb nachher die Stadt in einer E-Mail.

„Wir sind erleichtert, dass nun alle beanstandeten Auflagen vom Tisch sind, doch finden wir es sehr erschreckend, wie von oben herab in Königstein versucht wird, uns einzuschüchtern und durchzuregieren! Das hat uns den Glauben an die Stadt Königstein und die Verwaltung genommen,“ konstatiert Constantin Sennlaub und Paul Dobric fügt hinzu: „Die Auflagen erschienen mir völlig überzogen. Wir sind keine Randalierer und Königstein ist nicht Davos. Warum freut sich eine Schulstadt wie Königstein nicht, dass wir uns politisch einsetzen und für unsere Zukunft kämpfen? Wir haben hier viel gelernt, was man so wohl nicht in der Schule beigebracht bekommt.“

Nahezu unbearbeitet hier schließlich die offizielle Stellungnahme der Stadtverwaltung, sie warnt: „Durch „Zeugnistag“ erheblich mehr Autos und Busse“. Die Stadt Königstein hat in Zusammenarbeit mit der Polizei Königstein auf die Änderungswünsche der vom BUND geplante Fridays for Future Demonstration reagiert. Bürgermeister Leonhard Helm: „Die Fridays for Future Bewegung ist in Königstein willkommen. Viele Königsteiner sind umweltbewusst und folgen schon heute Zielen des Klimaschutzes. Der Demokratiegedanke wird gerade in unserer Stadt als ein besonders hohes Gut gesehen und dazu gehört natürlich auch das Versammlungsrecht.“

Verkehrswarnung

Die Stadt muss allerdings in Zusammenarbeit mit der Polizei auch die Sicherheit gewährleisen, zumal bei dieser Demonstration Kinder und minderjährige Jugendliche erwartet werden. Ebenfalls muss sicher sein, dass in Notfällen noch Krankenwagen und Rettungsdienste in die Stadt kommen können. Den flüssigen Straßenverkehr sicherzustellen wäre ebenfalls eine kommunale Aufgabe, auch im Interesse eines möglichst geringen CO2-Ausstoßes, die aber gegenüber den Forderungen der Demonstranten in den Hintergrund treten muss. Der von den Veranstaltern angemeldete Routenverlauf über die Bischof-Kaller-Straße, Kreisel und Frankfurter Straße hat erhebliche Auswirkungen auf den örtlichen und überörtlichen Straßenverkehr, dabei auch auf den öffentlichen Personennahverkehr, und kann zu einer erheblichen Gefährdung der überwiegend jugendlichen Demonstrationsteilnehmer führen.

Nachdem die Veranstalter eine Umgehung des Kreisels abgelehnt haben, wurde gemeinsam mit den zuständigen Straßenverkehrsbehörden und der Polizeistation Königstein nach Lösungen gesucht, die sowohl dem Anliegen der Veranstalter als auch der Sicherheit der Demonstrationsteilnehmer und der geringstmöglichen Behinderung insbesondere auch des Busverkehrs dienen.

Der Zugverlauf wird nunmehr direkt von der Bischof-Kaller-Straße zur direkten Straßenanbindung Frankfurter Straße geführt und berührt somit nur einen kleinen Teil der Kreisverkehrsanlage. Hier konnte eine einvernehmliche Lösung gefunden werden, die sowohl von der Polizei als auch von der örtlichen Straßenverkehrsbehörde umgesetzt und bewältigt werden kann.

Da es durch den „Zeugnistag“ nach der dritten Schulstunde am Freitag (zugleich Markttag) zu erheblich mehr Verkehrsaufkommen durch zusätzliche Busse und sogenannte „Elterntaxis“ kommt, da alle Schulen gleichzeitig den Unterricht beenden, wird es für alle Verkehrsteilnehmer zu erheblichen Behinderungen durch die Demonstration kommen. Hierfür bitten wir um Verständnis!

Der als Zuschauer mitfiebernde Redakteur gibt an dieser Stelle seiner Freude über den erzielten Konsens Ausdruck und hofft, dass dieses Kunststück, und nicht der Streit davor das weitere Miteinander aller Beteiligten und auch künftiger Leserbriefschreiber bestimmen wird, gerne auch bis in den nächsten Wahlkampf hinein.

Zum Schluss noch einmal die Veranstaltungsdaten für alle, die dabei sein wollen: Die ‚Fridays‘ laden zusammen mit dem BUND Königstein-Glashütten noch einmal alle Bürger*innen und Schüler*innen am Freitag, 31. Januar, um 11 Uhr in die Königsteiner Innenstadt ein, sich für eine echte Verkehrswende, für mehr Klimaschutz in Städten, bessere Luft und gemeinsame Anstrengungen einzusetzen und mit zu demonstrieren.



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