Der Begründer des deutschen „St. Moritz“ – Zum 150. Geburtstag von Oskar Kohnstamm

Oskar Kohnstamm Fotos: Stadt Königstein

Königstein (kw) – Am 13. April vor 150 Jahren wurde Oskar Kohnstamm geboren. Sein Königsteiner Sanatorium am Ölmühlweg zog Intellektuelle, Künstler, Banker und Barone, kurz die Hautevolee der damaligen Zeit an. Damit festigte Kohnstamm nicht nur den Ruf Königsteins als ein deutsches St. Moritz, sondern machte es auch zum Zufluchtsort einer intellektuellen Elite.

Charismatischer Mediziner

Im Alter von 24 Jahren kam der gebürtige Pfungstadter in das damalige „Bad Königstein“. Nach seinem Studium, unter anderem in Straßburg und Berlin, frisch promoviert und im Begriff Eva Gad, Tochter seines Berliner Doktorvaters und ebenfalls Medizinerin, zu heiraten, ließ er sich in der Kurstadt als praktischer Arzt nieder. Bald schon nahm das Paar Gäste auf. Kohnstamm spezialisierte sich zunehmend auf Neurologie und Psychotherapie. 1905 eröffnete er ein eigenes Sanatorium am Ölmühlweg.

Ganzheitlicher Behandlungsansatz

In einem Hausprospekt von 1908 heißt es zu den Behandlungsmethoden: „Die Einwirkung des Arztes zielt auf pädagogisch-ärztliche Leitung der gesamten Lebensführung, unter Heranziehung aller Methoden der suggestiven Theorie, in geeigneten Fällen auch Hypnose.“ Die Einübung von strukturierten Tagesabläufen, Beschäftigung in der Gärtnerei oder Sport gehörten ebenso zur Behandlung wie die „klassische“ Königsteiner Luft- und Wasserkur nach Pingler. Doch getragen wurde die Behandlung im Wesentlichen von der charismatischen Ausstrahlung des Arztes. Der Erfolg Kohnstamms erforderte bald schon einen Erweiterungsbau, der 1911 von dem Architekten Hugo Eberhardt errichtet wurde. Der vielgestaltige Bau mit der Anmutung eines exklusiven Landhauses und nicht einer Krankenanstalt spiegelt noch heute die besondere Atmosphäre.

Berühmte Patienten

Sie zog Literaten wie Carl Sternheim oder Gerd von Bassewitz, den Architekten Henry van der Velde, den Verleger Heinz Ullstein oder Mitglieder der Kaufhaus-Familie Tietz gleichermaßen an. Behandelt wurden Depressionen, Schlaflosigkeit, Drogenmissbrauch und nervöse Leiden, die unter dem Begriff der Neurasthenie zusammengefasst wurden.

Kohnstamm motivierte seine Patienten, sich intensiv ihren jeweiligen Interessen zu widmen. Der Schriftsteller schrieb also und der Musiker komponierte. So entstand im Sanatorium Kohnstamm die Oper „Das Ziel“ von Otto Klemperer, Carl Sternheim schrieb die Komödie „Tabula rasa“ und der expressionistische Maler Ernst Ludwig Kirchner schuf Gemälde von Königstein und dem Taunus und Portraits seiner Mitpatienten. Kirchners Hauptwerk in Königstein war die Ausmalung des sogenannten Brunnenhauses im Sanatorium. Sie wurde in der Nazi-Zeit zerstört.

Politisches Engagement

Oskar Kohnstamm, Vater von vier Kindern, arbeitete auch wissenschaftlich und er engagierte sich in der Lokalpolitik. Von 1908 bis zu seinem frühen Tod war er Mitglied der Stadtverordnetenversammlung von Königstein. Mit nur 46 Jahren starb er nach kurzer Krankheit.

Kunst, Reportagen und eine Führung

Zu seinem 150. Geburtstag gibt das Stadtarchiv Königstein Postkarten mit zehn verschiedenen Königstein-Motiven heraus. Zeichnungen und Gemälde, die der wohl bekannteste Patient Ernst Ludwig Kirchner während seines Aufenthalts im Sanatorium Kohnstamm von Königstein und der Taunuslandschaft schuf. In einer digitalen Präsentation der Bilder in der Kur- und Stadtinformation stellt das Stadtarchiv die Motive und ihre Entstehung vor.

Der WDR-Rundfunk widmet Kohnstamm die Sendung Zeitzeichen am 13. April. Die Sendung kommt von 9.45 bis 10 Uhr im WDR-5-Radio und von 17.45 bis 18 Uhr auf WDR-3-Radio. Nachzuhören auch in der Mediathek des WDR unter der Zeitzeichen-Reihe.

Das Stadtarchiv plant zudem eine Führung durch das Sanatorium und Vorträge zu Kohnstamms Wirken und zu seinen schillernden Patienten. Die Präsentation ist auch online unter www.koenigstein.de einsehbar, die Postkarten können online über das „KuSi-Lädchen“ erworben werden.

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