Auf Bewährung für ein Jahr und aus Furcht vor Klage: Stadtverordnete lassen Halloween-Festival auf die Burg

Königstein (as) – Was vor wenigen Wochen noch undenkbar schien, ist am Donnerstagabend Realität geworden: In der Stadtverordnetenversammlung gab es eine deutliche Mehrheit für die Austragung des vergrößerten und in der Bevölkerung hoch umstrittenen Halloween-Festivals auf der Burgruine. Bis es so weit war, hatten die Stadtverordneten schon mehr als vier Stunden getagt, davon gut zwei allein zu diesem Thema und mitunter herzhaft gestritten – ein Glanzstück der Debattenkultur im Parlament hatten die rund 40 Gäste, die vorrangig für diesen letzten Tagesordnungspunkt 17 geduldig ausgeharrt hatten, jedenfalls nicht erlebt.

Von den drei Anträgen zu Halloween (zwei von der ALK), über die abgestimmt wurde, fand letztlich der Antrag der Grünen, dem sich CDU, FDP und SPD angeschlossen hatten, eine Mehrheit von 22 Stimmen gegen die 11 Stimmen der vehement gegen die Veranstaltung kämpfenden ALK und der Klimaliste bei einer Enthaltung. Der Antrag gibt der Halloween Veranstaltung GmbH, die das Gruselspektakel 44 Jahre lang auf Burg Frankenstein im Odenwald veranstaltet und im vergangenen Herbst einen viel diskutierten Vorvertrag mit der Stadt Königstein geschlossen hatte, aber keine freie Hand für die ursprünglich vereinbarten fünf Vertragsjahre.

Denn der jetzt zu schließende Hauptvertrag soll zunächst nur für die Austragung 2024, also nur für ein Jahr, gelten. In der ersten Sitzungsrunde 2025 will die Stadtverordnetenversammlung mit den Erfahrungen und belastbaren Zahlen (eine Forderung aus dem Antrag an den Magistrat) des ersten Events über eine mögliche Fortsetzung entscheiden. Zudem setzt der Beschluss dem Veranstalter weitere Rahmenbedingungen: Er verpflichtet sich, das bereits auf der vergangenen Stadtverordnetenversammlung und der folgenden Bürgerversammlung vorgestellte Verkehrskonzept, das größere Parkplätze außerhalb des Stadtgebiets und Shuttle-Busse nutzt sowie den ÖPNV einbindet, auf seine Kosten umzusetzen. Weiterhin verpflichtet sich der Veranstalter unter Einbeziehung einer fachkundigen Beratung, dass der Schutz der – unter Artenschutz stehenden – Fledermäuse in ihrem Winterquartier auf der Burg gewährleistet wird. Ferner kümmert sich die Halloween GmbH um die ordnungsgemäße Entsorgung des anfallenden Mülls unter Berücksichtigung des Recyclings. Und: Sollte der Veranstalter einem zu schließenden Vertrag unter diesen Rahmenbedingungen nicht zustimmen, wird der Magistrat der Stadt Königstein beauftragt, den bestehenden Vorvertrag zu kündigen. 

Halloween-Chef Ralph Eberhardt sieht aktuell keine größeren Hindernisse: „Ich bin froh, dass es eine Entscheidung gibt. Mit den Bedingungen können wir leben, um vieles haben wir uns schon auf Burg Frankenstein gekümmert.“ Er fordert in den kommenden Vertragsverhandlungen aber auch „messbare Kennzahlen“. Er könne ja nicht in Sachen Mülltrennung jeden Müllsack ausleeren. „Jetzt geht es darum, die Feinheiten aufs Papier zu bringen“, so Eberhardt. Der unterschriftsreife Hauptvertrag ist dem Haupt- und Finanzausschuss in seiner nächsten Sitzung am 2. Mai vorzulegen. Die ALK erreichte zumindest noch einen kleinen Erfolg in Form einer Ergänzung des Antrags, dass anschließend danach auch noch einmal die Stadtverordneten über den Vertrag abstimmen dürfen. Denn gerade hierin lag ja einer der zentralen Kritikpunkte am Zustandekommen des Vorvertrags, dass dieser von Bürgermeister Leonhard Helm und Erstem Stadtrat Jörg Pöschl ausgehandelt und unterzeichnet wurde, ohne dass die städtischen Gremien vorab informiert worden waren geschweige denn dass Details des Vertrags bekannt waren.

Sollte sich dort keine gravierende Veränderung im Abstimmungsverhalten mehr einstellen – was nach dem Verlauf der Sitzung am Donnerstag und der klaren Blockbildung ALK gegen alle anderen Fraktionen nicht zu erwarten ist – dann startet das erste Frankenstein Halloween-Festival auf Burg Königstein am Montag, 14. Oktober, mit der Öffnung der Burg bzw. am Freitag, 18. Oktober, mit dem ersten offiziellen Event mit Darstellern und endet mit der zehnten kartenpflichtigen Veranstaltung am Sonntag, 3. November.  

Bindender Vorvertrag

Dass es eine solche Wende geben würde, hatte die Stadtverwaltung offenbar selbst nicht mehr erwartet. Denn zu Beginn der Debatte zum Thema hatte Pöschl, der den Magistrat in Abwesenheit des noch erkrankten Bürgermeisters vertreten hatte, die Information nachgereicht und durchaus damit überrascht, dass der Magistrat vor der vergangenen Sitzung der Stadtverordneten im Februar eine Empfehlung ausgesprochen hatte, den Vorvertrag mit dem Halloween-Veranstalter aufzulösen. „Das war durch die anderen Anträge dann nicht mehr relevant; deswegen hat der Bürgermeister das am Ende vergessen, mitzuteilen.“ Der „Ordnung halber“, so Pöschl, sollte das den Stadtverordneten aber noch mitgeteilt werden.

Ob eine eindeutige Empfehlung der Stadt den Fortgang der Dinge in der damaligen Sitzung verändert hätte, bleibt Spekulation. Der ursprünglich von der ALK eingebrachte Antrag zur Auflösung des Vorvertrags war damals ja nicht relevant geworden. Es kam zu einer Ergänzung, dass zuerst die mögliche Konventionalstrafe für die Stadt zu ermitteln und die Bürger bei einer ersammlung über das Gesamtvorhaben zu informieren seien. Die Bürgerversammlung hatte immer noch eine in der Tendenz ablehnende Haltung der Bürger gegenüber einer dreiwöchigen Großveranstaltung deutlich gemacht. Vor allem um Lärm und Verkehrschaos in der Altstadt und um die Bausubstanz ihrer restaurierungsbedürftigen Burg machen sich die Bürger Sorgen, was auch kaum einer der politischen Vertreter bestreitet.

In den Fokus kam auf der Sitzung am Donnerstag deshalb vor allem der Vorvertrag, der lange Zeit große Unbekannte in der Diskussion. Hierzu hat die Stadt ein Gutachten bei der auf Verwaltungsrecht spezialisierten Kanzlei Lankau Weitz Gallina in Darmstadt in Auftrag gegeben, aus dessen vorläufiger Fassung Stadt-Justitiarin Elke Hennig zitierte. Demnach habe die Stadt einen bindenden Vorvertrag geschlossen, der einen sogenannten Kontraktierungszwang nach sich ziehe. Das heißt, dass auf den Vorvertrag bindend ein Hauptvertrag, der auch eingeklagt werden kann, folgen müsse. Die Kanzlei halte es für ausgeschlossen, den Vertrag jetzt einseitig zu kündigen; vielmehr müsste man in Auflösungsverhandlungen eintreten, was zu erheblichen finanziellen Risiken für die Stadt führe, so Hennig. 

Die bisher angefallenen Projektkosten für die Halloween Veranstaltung GmbH seien kritisch zu betrachten, also weniger eindeutig. Die Frage, ob entgangener Gewinn eingeklagt werden könne, bleibe eine offene Frage, berichtete Hennig weiter aus dem Gutachten. Die Anwälte der Stadt Königstein sind aber offenbar der Meinung, dass entgangene Gewinne durchaus einklagbar seien und dass es sich hier um eine erhebliche Summe handeln könnte, die auf einen mittleren fünfstelligen Betrag geschätzt werde.

Einnahmen für die Stadt nicht garantiert

Ein Mangel des Vorvertrags ist offenbar auch, dass er keinerlei Zahlen beinhaltet – auch nicht die garantierte Pacht von 50.000 Euro pro Jahr für die Stadt, mit der Helm und Eber-hardt mehrmals öffentlich für den Deal geworben hatten. „Warum dann nicht 100.000 Euro?“, fragte ALK-Fraktionsvorsitzende Nadja Majchrzak, die auch ihre Sorge um den Sanierungsfall Burg betonte, ein wenig provokant. Eberhardt räumte auf Anfrage der KöWo ein, dass die 50.000 Euro nicht in Stein gemeißelt seien. Die Summe setze sich aus zwei Posten zusammen: 2.000 Euro Pacht pro Veranstaltungstag (20.000 Euro) und 1,50 Euro pro verkauftem Ticket, die sich dann auf 30.000 Euro summieren, wenn ingesamt 20.000 Besucher Tickets kaufen (also im Schnitt 2.000 je Veranstaltung).

Hitzige Debatte

„Wir wollen das Event nicht, wir bleiben bei unserem Antrag“, sagte Julius Zyweck von der ALK, der den ursprünglichen Antrag gestellt hatte. Man habe den (bei den Fraktionen vorab bekannten) Vorvertrag von eigenen Anwälten prüfen lassen. „Wir halten die Höhe der möglichen Forderungen für überschaubar“, sagte Zyweck.

Anders die Position der übrigen Fraktionen. „Wir haben so etwas kommen sehen“, sagte Winfried Gann (Grüne), „daher haben wir den Änderungsantrag eingestellt.“ Alexander Hees (CDU) argumentierte in die gleiche Richtung: „Wir haben uns der Fragestellung angenommen, wie weit wir Schaden von der Stadt abwenden können. Deshalb stimmen wir einer Veranstaltung zu, danach ist neu zu verhandeln.“ Felix Lupp (SPD) sah die Stadtverordneten  in einem „Dilemma“, man müsse jetzt den Vertrag ausbaden, der „keine Glanzleistung“ sei. Ascan Iredi argumentierte, dass das Parlament jetzt mit einer Situation konfrontiert worden sei, „die wir uns mehrheitlich nicht gewünscht haben“. Den Ertrag der Veranstaltung sieht auch er mehrheitlich auf der Seite des Veranstalters, während Königstein vor allem über das Mehr an Gästen profitiere. Er warb auch um Versöhnung: „Lasst es uns ein Jahr angucken und dann neu bewerten. Wir sollten alle ein bisschen von den Emotionen runterkommen.“

Der ALK war daran an diesem Abend freilich nicht gelegen: „Warum sollten wir die Verantwortung übernehmen?“, fragte Co-Fraktionsvorsitzende Runa Hammerschmidt aus Sicht der Stadtverordnetenversammlung und brachte das Thema Amtsträgerhaftung ins Spiel. Was Zyweck untermauerte „Der Bürgermeister und der 1. Stadtrat haben Schaden verursacht. Holen wir uns das Geld dort! Es ist nicht unsere Aufgabe, den Deckmantel darüber zu hängen.“

Das brachte vor allem die CDU auf den Plan, die die Angriffe auf den ehrenamtlich arbeitenden 1. Stadtrat „nicht hilfreich“ nannten. Insbesondere Daniel Georgi und Zyweck bekamen sich in die Haare, sodass Michael-Klaus Otto, der als Stellvertretender Stadtverordnetenvorsteher die Versammlung leitete, mehrmals eingreifen musste.

Doch am Ende „outeten“ sich einige Stadtverordnete, als das entsprechende Abstimmungsergebnis absehbar wurde, sogar als echte Halloween-Fans. „Ich war schon immer für diese Veranstaltung“, sagte Dr. Bärbel von Römer-Seel, die Vorsitzende der Grünen. Helen Dawson von der CDU sagte, dass in ihrem Umfeld viele vom „Event des Jahres“ sprechen würden, da es für die Leute von 18 bis 38 Jahren ein „sehr beschränktes Angebot“ in der Stadt gebe. Und Franz Josef Nick von der FDP wollte sich „den Chancen stellen“ und betonte den Imagegewinn für die Stadt.

Dass der CDU und den anderen Fraktionen die Belastung für die Altstadtbewohner plötzlich nicht mehr wichtig ist, kann aber nicht gesagt werden. Früher am Abend hatte die Stadtverordnetenversammlung einem CDU-Antrag zur „Minimierung der Beeinträchtigungen“ der Anwohner in der Altstadt bei Großveranstaltungen auf der Burg ausnahmsweise einstimmig zugestimmt. Dazu zählen unter anderem auch die Verhinderung der unberechtigten Einfahrt mit Privat-Pkws oder auch eine bewohnerverträgliche Wegführung der Gäste auf die Burg und zurück. Aufgaben, denen sich die Stadtverwaltung also schon vor dem Halloween-Event stellen muss und die sich nicht auf den Veranstalter abwälzen lassen.

Die offene Frage

Was jedoch über den Abend hinaus völlig offen bleibt, ist die Situation mit den Fledermäusen, worauf auch Cordula Jacubowsky (Klimaliste) unermüdlich hinwies. In der Tat liegen zwar diverse Gutachten vor, die Untere Naturschutzbehörde ist allerdings noch nicht befragt worden, was in den Aufgabenbereich des Veranstalters fällt. Sperrt diese kurzfristig mehrere Eventflächen, insbesondere Keller, wird das Konzept der Halloween GmbH kaum noch aufgehen. Allerdings: Seit 2020 gibt es eine Halloween-Veranstaltung auf der Burg, die bislang von der Stadt veranstaltet worden ist, nie zum Großevent stilisiert wurde, aber zuletzt immerhin schon 6.500 Besucher angelockt hat. Fledermäuse gehörten da auch schon zur Grusel-Deko, das Wohl der lebenden Artengenossen war dagegen überhaupt noch kein Thema.

Bildunterschrift:

Es „graut“ sich was zusammen über der Burg. Frankenstein-Halloween in Königstein ist deutlich nähergerückt. Fotos: Schramm/Zengel (2)

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