Königstein (as) – Es gibt Ereignisse, die die gemeinsame Geschichte zweier Länder prägen. Und die zu wichtig sind, um sie in Vergessenheit geraten zu lassen, weil in wenigen Jahren keine Zeitzeugen mehr leben, die nachfolgenden Generationen davon berichten könnten. Ein solches Ereignis ist die Berliner Luftbrücke 1948/49 – kein singuläres Ereignis wie zum Beispiel die Kapitulation des Dritten Reichs am 8. Mai 1945, sondern eine mehr als zehnmonatige gemeinsame Kraftanstrengung der Vereinigten Staaten von Amerika und der besiegten Deutschen, die mehreren Millionen Menschen in dem von der Sowjetunion blockierten amerikanischen Sektor (dem späteren West-Berlin) das Leben gerettet hat. Die Luftbrücke ist aufs engste mit der Deutsch-Amerikanischen-Freundschaft verbunden und hat entscheidend zur gegenseitigen Verständigung beigetragen und auch dafür, dass aus Feinden innerhalb weniger Jahre Freunde werden konnten, die gemeinsam Flugzeuge warteten und wieder startklar machten für die Versorgungsflüge der „Rosinenbomber“ nach Berlin.
Diese Geschichte kreativ nachzuleben, ermöglicht zum 75. Jubiläum der Luftbrücke das zweisprachige Malbuch „Wings of Freedom“, auf Deutsch „Flügel der Freiheit – Die Geschichte der Berliner Luftbrücke“. Entworfen hat es die Deutsch-Amerikanerin Bibi LeBlanc, heute eine Unternehmerin und Weltenbummlerin, einst ein waschechtes Berliner Mädel, Jahrgang 1964, das die Mauer in seiner Kindheit in West-Berlin erlebt und unter ihr gelitten hat. „Ich habe die Mauer als sehr stark empfunden. Die Grenzgänge zu der Familie meines Vaters waren gruselig“, sagt sie noch immer in unverkennbarem Berlinerisch, obwohl sie seit Jahrzehnten in Florida lebt. Und: „Ich bin überzeugt, dass die Geschichte ohne die Luftbrücke eine andere geworden wäre; dann hätten die Sowjets ganz Berlin und vielleicht ganz Deutschland eingenommen“, ist sie überzeugt. Das Durchhaltevermögen der Amerikaner, die es gegen Ende der Luftbrücke schafften, mit 1.398 Landungen 12.000 Tonnen Güter an einem Tag von Westdeutschland nach Berlin zu fliegen, habe dafür gesorgt, dass die UdSSR am 12. Mai 1949 ihre Berlin-Blockade aufgab und der Westen Berlins seine Freiheit behielt.
Obwohl sie Lucius D. Clay, den Militärgouverneur der amerikanischen Besatzungszone während der Luftbrücke und später der persönliche Vertreter von Präsident John F. Kennedy während der Berlin-Krise 1961, als „Helden ihrer Kindheit bezeichnet“, ist Bibi LeBlanc erst im vergangenen Jahr bei einer Besichtigung des Flughafens Tempelhof während eines Berlin-Besuchs (wo noch eine ihrer Schwestern lebt) auf die Bedeutung der Luftbrücke aufmerksam geworden – und hat ein Plakat des Vereins Luftbrücke Frankfurt-Berlin 1948-1949 e.V. entdeckt. Sie sei vom Thema sofort gefesselt gewesen und bestellte sich „alle Bücher dazu, die es bei Amazon gibt“ – und nahm Kontakt zu Vereins-Schatzmeister Norbert Kandzorra auf. Der aktive Verein holte Bibi LeBlanc jetzt in den Taunus.
43 Malbilder auf 92 Seiten
Entstanden ist in der Zwischenzeit das bereits 34. Malbuch ihrer „Culture to Colour“-Buchserie, in der sie sich neben Erwachsenenpädagogik vorwiegend mit touristischen Destinationen in den USA beschäftigt. Die 43 Malbilder zeigen zum Beispiel General Clay, den Berliner Bürgermeister Ernst Reuter, Familien, die auf Trümmerbergen stehen, natürlich die Rosinenbomber und deren berühmtesten Piloten Gail Halvorsen, der sich mit Kindern am Zaun des Flugplatzes unterhält und ihnen Kaugummis schenkt (eines der symbolträchtigsten Bilder dieser Zeit). Später ließ er seine Crew Süßigkeiten an kleinen Fallschirmen, die aus Taschentüchern gebastelt worden waren, über den Kindern abwerfen. Lebendige Geschichte zum Ausmalen für Kinder und Erwachsene, was nicht nur in den USA zu einem beliebten Hobby aller Generationen geworden ist. Bibi LeBlanc trifft sich bisweilen mit Freunden zum Ausmalen. „Ich habe ihnen von der Luftbrücke erzählt, sie fanden es sehr spannend“, erzählte die lebhafte Deutsch-Amerikanerin.
Das 92 Seiten starke Buch, das auch viele geschichtliche Hintergründe enthält, präsentierte Bibi LeBlanc jetzt gemeinsam mit Vertretern des Vereins Luftbrücke Frankfurt-Berlin 1948-1949 e.V., dem Vorsitzenden der „Stimme für Ruppertshain e.V“ Thomas Zellhofer, einer Vertreterin der US-Airbase Wiesbaden und Königsteins Bürgermeister Leonhard Helm im Magistratssaal des Rathauses Königstein.
Die Ereignisse am Steinkopf
Aber warum in Königstein? Die Taunusstadt hat eine enge Verbindung zur Berliner Luftbrücke, und zwar durch die Tragödie am Steinkopf. An der 570 Meter hohen Bergkuppe, die auf Königsteiner Gemarkung liegt, streifte am 8. Juli 1948 gegen 23.30 Uhr ein in Erbenheim gestarteter Rosinenbomber des Typs Douglas Dakota C-47 die Bäume und stürzte in den Wald. Die drei Besatzungsmitglieder, die zwei 1st Lieutenants George B. Smith und Leland V. Williams sowie der deutschstämmige Zivilangestellte bei der US-Army Karl Viktor Hagen überlebten den Absturz nicht. Es war der erste tödliche Unfall einer Flugbesatzung der Berliner Luftbrücke.
Thomas Zellhofer, der Ehlhaltener Günter Schulz und der Verein Luftbrücke haben mit Unterstützung der Stadt Königstein in den vergangenen Jahren viel bewegt am Steinkopf. Sie haben den legendären Piloten Gail Halvorsen, der 101-jährig im Jahr 2022 verstarb, im Jahr 2016 gemeinsam mit seinem Freund Dr. John Provan vom Verein Luftbrücke, der in Fischbach wohnt, und weiteren US-Militärs an die Gedenkstätte gefahren – ebenso haben sie im vergangenen Jahr Antony Hagen an die mittlerweile mit Gedenktafeln aufgewertete Absturzstelle geführt (die Königsteiner Woche berichtete). Hagen hatte seinen Vater nie kennengelernt, er wurde zwei Monate nach dessen Absturz im Militärhospital in Frankfurt geboren, das heute das US-Amerikanische Konsulat ist. Antony Hagen war einige Jahre zuvor bei einem eigenständigen Versuch, die Unglücksstelle zu finden, noch gescheitert. Dank der aktiven Vereine konnte er im Beisein seiner Familie doch noch von seinem Vater Abschied nehmen.
Ein Bild vom Steinkopf findet man – das sei gesagt – in dem Malbuch von Bibi LeBlanc nicht. Sie war erst nach dem Pressetermin zur Buchvorstellung mit ihren Begleitern erstmals an der Gedenkstätte und „tief beeindruckt“, wie Zellhofer berichtete. Allerdings ist im Buch ein Zitat des Zeitzeugen Arno Waschek aus Ruppertshain zu lesen, der als zehnjähriges unterernährtes Kind von den Amerikanern nach Westdeutschland ausgeflogen worden war. Das Buch „Flügel der Freiheit“ kann im Übrigen mit der ISBN 978-1-959924-54-8 in allen Buchhandlungen und beim Verein Luftbrücke Frankfurt-Berlin bestellt werden. Ausgepreist ist es mit 16,95 Euro/US-Dollar, laut der Autorin kostet es über den Buchhandel aber etwas mehr.
Wer nicht genug vom spannenden Thema haben kann, für den hatten die Luftbrücke-Freunde weitere Tipps parat. Das Luftbrücke-Denkmal gibt es jetzt als Lego-Modell mit 500 Steinen. Der Berliner Ralf Klumb hat es entworfen, es kann über seinen Shop „The Brickworms“ bestellt. Es zeigt neben dem Denkmal die beiden damals eingesetzten Flugzeugtypen C-47 und C-54 des Herstellers Douglas. Das echte Denkmal am Frankfurter Flughafen ist im Übrigen zurzeit geschlossen, da ein Blech von der größeren der beiden Maschinen abgefallen ist. Einen ironischen Gruß an die Fraport konnten sich die Vertreter des Vereins Luftbrücke in diesem Zusammenhang nicht verkneifen. Für den Verein sei die Reparatur das kleinste Problem. Flugzeuge zum Anfassen gibt es aber im Juni …
Am 16. und 17. Juni veranstaltet die US Army Tage der offenen Tür an der Clay-Kaserne in Wiesbaden-Erbenheim zum Anlass des 75. Jahrestags der Berliner Luftbrücke. Es werden mehrere alteC-47-Flugzeuge und Veteranenflugzeuge der Luftbrücke gezeigt, zudem auch modernes Equipment. Ausstellungen und Führungen sind zweisprachig. Der Montag, 17. Juni, ist ausschließlich für Schüler, Lehrer und ganz Schulklassen aus der Region reserviert. Anmeldungen über den Verbindungsbeamten Chris Dickson, Mail: Christopher.A.Dickson8.naf[at]army[dot]mil, Tel. 0160 8443363. Der Verein Luftbrücke stellt dazu Unterrichtsmaterialien für Schulen bereit. Kontakt über Norbert Kandzorra,Tel. 0175 2107297 und Dr. John Provan, Tel. 0177 6135000.
Bildunterschrift:
Dr. Thomas Zellhofer (4. v.r.) zeigt es: Dort hinten am Steinkopf (halb vom Burghang verdeckt) ist Luftbrücken-Geschichte erlebbar. Bei der Präsentation des Buchs „Flügel der Freiheit“ von Bibi LeBlanc (6. v.l.) waren noch dabei: Dr. John Provan (Verein Luftbrücke Frankfurt–Berlin), Sabine Reighard-Orf (Abrams Chapter), Günther Schulz (vorn), Klaus Bönning, Thomas Scheuermann, Norbert Kandzorra, Susanne Kormegay, Michael Seidenberg (alle Verein Luftbrücke) und Königsteins Bürgermeister Leonhard Helm als Gastgeber. Fotos: Schramm