Königstein (as) – Von einer Zeitenwende ist heute häufig die Rede, um politische und gesellschaftliche Umbrüche zu charakterisieren. Wir leben in Zeiten, in denen gerade im globalen Rahmen Bündnisse gelöst, Regeln gebrochen werden und vermeintliche Gewissheiten plötzlich nicht mehr gelten.
Wie gut, wenn man dieser Zeitenwende Konstanten entgegenstellen kann, auf die Verlass ist. Eine solche ist trotz – oder eben gerade wegen – der Gegnerschaft in zwei Weltkriegen seit dem Elysées-Vertrag 1963 die deutsch-französische Freundschaft. In Königstein hat sie durch die Städtepartnerschaften zwischen Falkenstein und Le Mêle 1967 (Neujahrsempfang am 26. Januar, 17 Uhr, Bürgerhaus Falkenstein) sowie zwischen Königstein und Le Cannet-Rocheville 1972 ein festes, bisher und hoffentlich für immer unverbrüchliches Fundament bekommen. Das wurde am Sonntag beim Neujahrsempfang des Förderkreises der Städtepartnerschaft Königstein-Le Cannet wieder sehr deutlich und auch mit mahnenden Worten betont. Ein Termin, der als erster größerer Treffpunkt des Jahres so etwas ist wie ein inoffizieller Neujahrsempfang der Stadt. Gut 150 Gäste waren der Einladung gefolgt, und der Partnerschaftsverein hatte diesmal nicht nur das Foyer im Haus der Begegnung, sondern gleich den großen Saal genutzt.
Nach der musikalischen Eröffnung, die wie auch das weitere Programm von der Musikschule Königstein gestaltet wurde, mit Bachs Menuett Nr. 1, gespielt mit Geige und Cello von Sophia und Thomas Wingenfeld und begleitet am Cello von Vater Dirk, ergriff Alexander Hees das Wort für die Stärkung der deutsch-französischen Beziehungen. „Das Jahr 2024 war geprägt von bedeutenden Ereignissen für die deutsch-französischen Beziehungen“, sagte der Vorsitzende des Förderkreises und fasste darunter den fortdauernden Krieg in der Ukraine, das Erstarken der Nationalisten bei der Europawahl sowie bei den Parlamentswahlen in Frankreich, verbunden mit einer schwierigen Regierungsbildung unter Ausschluss rechter Kräfte. Eine Herausforderung, die Deutschland möglicherweise noch bevorsteht, könnte man ergänzen. „Umso wichtiger wird das Zusammenstehen für gemeinsame Werte und in unseren Partnerschaftsvereinen für diese zu werben“, unterstrich Hees. Deutschland und Frankreich müssten 2025 weiter eine gemeinsame Rolle wahrnehmen und Lösungen für die zahlreichen Herausforderungen finden.
Als weicher, aber ungemein wichtiger Faktor dieser Partnerschaft und Verständigung untereinander haben sich die Treffen von Menschen durch die Aktivitäten der Partnerstädte bewährt. Hees erinnerte an die Höhepunkte des vergangenen Jahres – an die Feier von 250 Jahren Unabhängigkeit Le Cannets von Cannes, an die traditionelle deutsch-französische Wanderwoche und an den Besuch einer gut 50-köpfigen Gruppe aus Le Cannet am 1. Advent einschließlich Auftritten auf dem Mainzer Weihnachtsmarkt und vor dem „Singen unter dem Weihnachtsbaum“ in Königstein. Der Vorsitzende sprach von „lebendigen Netzwerken des Austauschs. Die Städtepartnerschaften fördern den internationalen Dialog, und es ist unerlässlich, dass wir diese Freundschaften ausbauen.“
Menschen sind die Baumeister
Nach dem musikalischen Zwischenspiel – einer Suite in G-Dur von Johann Georg Linicke – der beiden Querflötistinnen Ida Katzenbach und Sophia Oellerich, begleitet von Maria Pia Vetro am Klavier, griff auch Jörg Pöschl diese menschliche Komponente auf, indem er die Worte von Pierre Pflimlin (1907–2000), dem früheren Präsidenten des Europäischen Parlaments, sinngemäß zitierte: „Die Politiker können beschließen, was sie wollen. Es sind die kleinen Leute auf beiden Seiten des Rheins, die die wahren Baumeister der deutsch-französischen Einigung sind.“ Der Erste Stadtrat hatte Begrüßung und Grußwort für Bürgermeisterin Beatrice Schenk-Motzko übernommen, die sich am Sonntag noch auf der Rückreise aus dem Winterurlaub befand.
An diesem Tag des Feierns und Würdigens erlaubte sich Pöschl aber auch einen Hinweis zu den aktuellen Beziehungen der Nachbarländer. „Europa war immer stark, wenn Deutschland und Frankreich Motoren der europäischen Einigung waren. Das ist mir verloren gegangen – nicht erst seit 2021, sondern schon davor“, wollte Pöschl diese sicher zutreffende Beschreibung nicht nur auf das sicher ausbaufähige Verhältnis zwischen Olaf Scholz und Emanuel Macron verstanden wissen. „Wir tun jedenfalls gut daran, diese Achse wieder zu stärken, ohne den Blick auf die anderen Partner zu verlieren.“
Der Ausblick auf das neue Jahr in der Partnerschaft zwischen Königstein und Le Cannet sieht wieder kulinarische Genüsse und Wanderungen vor, und es werden auch wieder Besuche stattfinden, auch wenn es vermutlich nicht die großen Treffen wie im vergangenen Jahr werden dürften. Nächstes großes Treffen ist das Lavendelfest auf dem Le-Cannet-Platz in der Limburger Straße am 22. Juni, und bereits vom 10. bis 17. Juni findet die deutsch-französische Wanderwoche in Oberstdorf statt, für die Hees’ Vorgänger Wolfgang Riedel die Werbetrommel rührte, sich bei Interesse noch kurzfristig anzumelden, da Wanderungen und Unterkünfte geplant werden müssen. Und Marie-Charlotte Siepenkort wies bereits auf einen französischen Genuss am kommenden Samstag (19. Januar) hin: Dann läuft im Kino Casablanca in Bad Soden der französische Film „8 Femmes“ mit den bekanntesten Schauspielerinnen des Landes in Originalsprache mit deutschen Untertiteln.
Nach weiteren Genüssen für die Augen – ein 2024 gedrehter Jubiläums- und Imagefilm über Le Cannet – und die Ohren mit der Ode „Freude schöner Götterfunken“ und einem von Alexander Hees ausgesprochenen „Prost auf die Partnerschaft“ und „Bonne Année“ ging es dann zum gemütlichen Teil des Empfangs über. Und damit zu weiteren Genüssen, denn die Mitglieder des Förderkreises hatten wieder ein umfangreiches kaltes Buffet mit kleinen Leckereien und Finger Food zubereitet, bei dem auch so einige provenzalische Geschmacksrichtungen wie Ziegenkäse oder Olivenpaste voll zur Geltung kamen. Und wer ein guter Vorsitzender ist, vergisst auch seine Mitstreiter nie. „Ein Dank an die vielen Helferinnen und Helfer, die dekoriert, und die vielen Köche, die Beiträge zu dem reichhaltigen Buffet geleistet haben. Auch das war zum Niederknien beziehungsweise – um in der Sprache des Tages zu bleiben – „zum Umarmen“.