Geflüchtete ziehen kreisintern um – für Freundeskreis Asyl ein „Zwischenmenschliches Armutszeugnis“

Jeder dritte Mensch auf diesem Bild muss nun per Verwaltungsakt die Kurstadt Königstein verlassen. Foto: Freundeskreis Asyl

Königstein
(hhf)
– In den nächsten Tagen werden etwa 40 Flüchtlinge, die zum Teil schon seit sechs Jahren in Königstein leben, die Kurstadt verlassen und in andere Unterkünfte im Hochtaunuskreis umgesiedelt werden. Betroffen sind Einzelpersonen und mehrere Familien, zum Teil mit fünf Kindern. Das macht die Ehrenamtlichen, deren Arbeit wieder einmal – vorsichtig ausgedrückt – erschwert wird, traurig und führt auch zu klaren Worten: „Wer dachte, Zwangsumsiedlungen seien ein Phänomen aus der düsteren Vergangenheit oder würden nur in Diktaturen praktiziert, wird bei uns derzeit eines Besseren belehrt.“

Notunterkunft gegen Wohnung

Aus Sicht der beteiligten Verwaltungen hat diese Aktion ihre Richtigkeit und führt zunächst dazu, dass in Königstein Teile der Notunterkunft am Kaltenborn und ein baufälliges städtisches Haus im Burgweg geleert werden können. In der Tat geht es auch darum, anerkannten Asylanten nun größere Wohnungen zur Verfügung zu stellen, was in Königstein bekanntlich besonders schwierig ist. Zudem betont der Bürgermeister, dass der Umzug seit gut einem Jahr geplant und den Betroffenen auch mitgeteilt worden ist, wobei Suzanne Müller-Hess vom Fachdienst Asyl/Integration auch die Einzelschicksale im Blick hatte.

Die hiesigen Ehrenamtlichen, die ebenfalls seit Jahren mit den Flüchtlingen in Kontakt sind, sie in ihrem Alltag begleiten, beim Deutschlernen, der Jobsuche, der Integration in Kindergarten, Schule, Beruf, reagieren dagegen fassungslos: „Hier wird ein Netzwerk aus zwischenmenschlichen Beziehungen absichtlich zerrissen und unsere Arbeit ad absurdum geführt“, konstatiert Katharina Stoodt-Neuschäfer vom Freundeskreis, bei der die verzweifelten Menschen um Rat und Hilfe baten.

Ratgeber gehen verloren

Die meisten der betroffenen Personen haben persönliche Paten, die sie und ihre Nöte und Probleme genau kennen, wissen, wo Hilfe gebraucht wird und wo es bisweilen eines kleinen Anschubs bedarf, um den langen Weg in die deutsche Gesellschaft zu meistern. Insbesondere die Kinder, die hier zur Schule oder in den Kindergarten gehen, trifft diese Entscheidung hart. Sie verlieren ein vertrautes Umfeld, ihre Freunde und wichtige Bezugspersonen.

„Offensichtlich sind diese Menschen hier nicht erwünscht, sonst würde man aktiv nach Lösungen vor Ort suchen. Wie sollen wir den Kontakt so intensiv aufrechterhalten, wenn wir jetzt nach Weilrod oder Neu Anspach fahren müssen? Das können wir nicht leisten. Wir haben gerade so gute Fortschritte im Deutschen gemacht“ so einige Reaktionen der frustrierten Paten.

Entsprechend missmutig fällt dann auch deren Blick auf die aktuellen Planungen im Baubereich aus: „Jeder weiß, dass bezahlbarer Wohnraum in Königstein absolute Mangelware ist. Gleichzeitig steht in der Sodener Straße 2 seit vier Jahren ein Haus leer und verfällt, das seinerzeit aus Kreditmitteln für Flüchtlinge erworben wurde. Warum wurde es nicht hergerichtet und könnte nun zumindest einer oder zwei Familien ein Dach über dem Kopf bieten? Oder sind diese Menschen in Königstein nicht erwünscht?“

Besondere Wohnungsnot

Es sieht durchaus nicht gut aus, wenn man Menschen aus einer Stadt fortschickt, in die andere freiwillig umziehen wollen – umgekehrt muten diese Reicheren ihrer Familie den selben Trennungsschmerz in Sachen alte Freunde und Nachbarn zu. Auch hat Leonhard Helm nicht unrecht, wenn er als Verwaltungschef von Menschen, die ohne Hilfe über weite Strecken bis nach Königstein gekommen sind, erwartet, dass sie nach mehreren Jahren in der Lage sein müssten, selbstständig mit Behörden zu kommunizieren.

Da dies aber selbst so manchem „Eingeborenen“ im deutschen Paragrafendschungel lebenslänglich nicht gelingt, darf diese Aussage mit einiger Skepsis betrachtet werden, da ist der Verwaltungsmann vielleicht zu optimistisch. Im Gegenzug – wenn er auch nicht auf das Haus Sodener Weg 2 im Speziellen eingeht – ist seine Einschätzung über die Schwierigkeit, bezahlbaren Wohnraum zu schaffen, wohl leider etwas realistischer als die des Freundeskreises Asyl, verweist auf die jüngsten Proteste gegen das „Heuckeroth-Projekt“.

Der Umzug innerhalb des Landkreises in größere Wohnungen mag für die meisten Betroffenen nach einiger Eingewöhnungszeit zu verschmerzen sein, woran aber wohl noch dringend gearbeitet werden muss, ist das Verhältnis von Behörden und ehrenamtlichen Helfern, denn es kann nicht sein, dass Letztere sich für ihre Arbeit auch noch gestraft fühlen oder darin behindert werden.



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