Die große Lösung für die Villa Borgnis

So präsentiert sich die Villa Borgnis im Februar 2025. Derzeit wird ein Schutzdach aufgesetzt, um die notwendige Dachsanierung beginnen zu können. Im Sommer 2026 soll das stolze Kurhaus dann wieder Gäste begrüßen können. Foto: Schramm

Königstein (as/jk) – Die Villa Borgnis ist eines jener besonderen Gebäude, das identitätsstiftend für Königstein ist. Weil sie einfach alles hat: Eine zentrale Lage im Kurpark mit einem Prachtblick zur Burg, eine reiche Geschichte und eine besondere, über Jahrhunderte weiterentwickelte Architektur. Der Stadt Königstein ist das stolze Kurhaus, das sie im Jahr 1926 erworben hat, ach einiges wert.

Seit September ist die Gastronomie der Villa Borgnis geschlossen, das Standesamt kann zwar noch weiter betrieben werden, aber das riesige Gerüst, das seither in die Höhe gewachsen ist, zeigt deutlich: Die schon länger aufgeschobene Sanierung des maroden Dachs und der Außenfassade samt Balkonen hat begonnen.

Und seit einigen Tagen ist bekannt, dass sich Königstein die „große Ausbauvariante“ gönnen wird. So nennt sie Gerd Böhmig, Fachbereichsleiter Planen, Umwelt und Bauen bei der Stadt und als Geschäftsführer der GmbH gleichzeitig auch Projektleiter für die anstehenden Arbeiten. Zugrunde liegt ein deutlicher Mehrheitsbeschluss im Aufsichtsrat der Königsteiner Grundstücks- und Verwaltungsgesellschaft mbH für die größere und teurere Variante. Die Stadt plant für die Außenhülle mit Kosten von 3,5 Millionen Euro, zusammen mit dem noch im Detail zu planenden Innenausbau sollen vier Millionen Euro nicht überschritten werden. „Wir wollen nicht am falschen Ende sparen“, sagte Böhmig bei einem Vorort-Termin mit Udo Raabe von der beauftragten Planungsgruppe Darmstadt, dem städtischen Architekten Uwe Steinhäuser, Bürgermeisterin Beatrice Schenk-Motzko und Stadtarchivarin Dr. Alexandra König. Raabe vertrat dabei Simon Gehrmann, der als freier Architekt für die Planungsgruppe das Projekt leitet. In Königstein ist er auch für das Projekt „Urbane Räume“ (Umgestaltung der Innenstadt) zuständig.

Hinter der umfassenden Sanierung steht ein klarer Anspruch. Das historische Denkmal soll mit modernen, nachhaltigen Technologien erhalten werden, Denkmalschutz und Klimaschutz verbinden und ein Vorbild werden für weitere Baudenkmäler in der Region.

Bei der „kleinen Lösung“, deren Kosten nicht beziffert wurden, hätte man bei der energetischen Effizienz gespart, es wären auch nicht alle Fenster ausgetauscht worden. Das sei keine nachhaltig Lösung gewesen, so Böhmig, zumal das Gerüst jetzt stehe.

In die Höhe wachsen wird die Villa Borgnis ob der höheren Kosten aber nicht. Die helle Dachbalkenkonstruktion, die derzeit über dem bestehenden Dach entsteht, gehört zu einem Schutzdach, das zuerst errichtet werden muss, erklärte Udo Raabe, der von einer „Operation am offenen Herzen“ sprach, „weil man an die Konstruktion ran muss“. Man habe eine Situation vorgefunden, in der das Dach „gravierende statische Probleme“ aufgewiesen habe. Einige Balken haben sich durchgebogen, andere haben sich dadurch angehoben, es wurde mit Notsprießen stabilisiert. Aktuell findet eine Bestandsaufnahme statt, bei der jeder Holzbalken statisch vermessen wird, um feststellen zu können, wohin die Dachlasten abgetragen und wo Schäden verursacht werden.

Die Komplexität des Unterfangens erklärte Gerd Böhmig durch die Entstehungsgeschichte des heutigen Gebäudes. „Es wurde nie etwas abgerissen, immer nur ergänzt und angebaut.“ Daher sind auch aus allen Bauphasen Teile da. Aktuell kann man im bisherigen Restaurant, das den ältesten Teil bildet, die freigelegten Außenmauern aus dem Jahr 1750 sehen.

Die Abfolge der Sanierung ist so geplant: Nach den statisch notwendigen Reparaturen kommt ein neues, dichtes Dach auf das Gebäude, das dann auch bei diesem Denkmalschutzprojekt mit passenden Photovoltaik-Paneelen ausgestattet wird, dann geht es an die Fassade samt neuer Fenster, Balkongeländer und die Terrasseneinfassungen. Dabei werden wie üblich im Denkmalschutz so viele Originalteile wie möglich gerettet, nur defekte oder verfaulte Bestandteile werden ausgeschnitten und ersetzt.

Abgeschlossen wird die energetische Sanierung mit der Heizung. „Wir wollen sehen, dass wir von einer Gasheizung wegkommen“, sagt Projektleiter Böhmig. Die Maßnahmen werden vom Programm „KfW-Effizienzhaus Denkmal“ gefördert, das nicht ganz so streng ist bei den Auflagen zur Wärmedämmung wie die Programme für normale Häuser. Böhmig hofft zudem auf Fördermittel des Landesamts für Denkmalpflege, die Stadt stimmt ihrerseits bereits alle Schritte mit der Unteren Denkmalbehörde ab.

Was Passanten im Kurpark ebenfalls beobachten können, sind Sicherungsarbeiten an der Außenfassade. Das Gebäude wird derzeit kunsthistorisch untersucht, der historische Putz unter den erst im der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts angebrachten Nut- und Federverschalungen ist freigelegt worden. Dabei treten auch mit Ölfarben übermalte Inschriften hervor, die 100 Jahre und älter sein dürften und von Restauratoren wieder sichtbar gemacht werden. Auch die historische Farbigkeit der Villa Borgnis wird dabei ermittelt. Wie genau die Fassade hergerichtet wird, wird sich auch aus diesen Erkenntnissen ableiten lassen.

Insgesamt rechnet Raabe mit einer Bauzeit von anderthalb Jahren, mit einer Eröffnung im Jahr 2026 – 100 Jahre nach dem Kauf durch die Stadt – kann also fest gerechnet werden. Ob der neue Mieter noch die Sommersaison wird mitnehmen können, ist aber genauso offen wie die Zielrichtung des kulinarischen Konzepts. Die Stadt möchte wie bei den langjährigen Mietern Anke und Carsten Brauns eine gut bürgerliche Küche, die auch international sein darf, aber nicht unbedingt exotisch, wie Gerd Böhmig das Anforderungsprofil umreißt. Auch der Keller soll als Eventlocation wieder aufleben. Man habe im Aufsichtsrat zwar schon Konzepte gesichtet, aber „wir sind noch auf der Suche“ (Böhmig). Soll heißen: Ein Volltreffer war noch nicht dabei und weitere Interessenten dürfen sich unbedingt bewerben. Erst mit dem feststehenden Konzept und dem Abschluss eines langfristigen Mietvertrags werde dann entschieden, welche Küchentechnik beschafft wird und ob die – optisch nicht mehr zeitgemäße – Deckenverblendung mit Einbaustrahlern im Gastraum bestehen bleibt.

Wichtig ist auch die Sonntagsöffnung und dass es nachmittags ein Kuchenangebot geben wird, betont Beatrice Schenk-Motzko. Schließlich sollen die Königsteiner Bürger und Gäste bald wieder – wie sie es seit Generationen getan haben – einen der Lieblingsplätze der Stadt genießen und zum Feiern nutzen können.

Kein Standesamt im Alten Rathaus

Auch wenn die Villa Borgnis von außen nicht diesen Eindruck vermittelt: das Standesamt und das Trauzimmer im ersten Obergeschoss sind weiterhin geöffnet, ergänzend stehen in der Umbauphase in der Hauptstraße 21 zusätzliche Büroräume zur Verfügung. Die Anzahl der Hochzeiten sei aber deutlich zurückgegangen, sagt Gerd Böhmig. Natürlich ist es weniger attraktiv, ganz abgesehen von der Jahreszeit und der fehlenden Gastronomie, auf einer Baustelle zu heiraten. Eine Dauerlösung für die engere Umbauphase sucht die Stadt noch. Den ursprünglichen Plan, das Museumsstübchen im Alten Rathaus für Trauungen zu nutzen, ist aber aus Gründen des fehlenden Brandschutzes vom Tisch. Teilweise wurden auch schon Räumlichkeiten in der Villa Rothschild genutzt.

Die Villa Borgnis: Eine Reise durch die Zeit

Inmitten der Naturoase des Königsteiner Kurparks befindet sich die Villa Borgnis. Die Historie des Gebäudes reicht weit vor die Zeiten des Kurparks oder auch des Namensgebers Matthias Borgnis zurück. „Das Gebäude hat eine große Relevanz für die Stadtentwicklung“, streicht Stadtarchivarin Dr. Alexandra König heraus, zumal es bei den Bombardierungen Königsteins im Koalitionskrieg keinen Schaden genommen hatte.

Ursprünglich wurde das Areal von 1581 bis 1803 von den Mainzer Kurfürsten und Erzbischöfen für die Jagd genutzt. Der älteste Teil des Gebäudes (das heutige Restaurant) wurde um 1750 als Jagdhaus errichtet. Damals war noch nichts von dem charakteristischen Baustil zu erkennen, wie die Königsteiner die Villa seit Jahrzehnten kennen. Nachdem das Haus durch eine Erweiterung 1780 auch als Gaststätte genutzt wurde, gelangte es 1838 in den Besitz des wohlhabenden Matthias Franz Borgnis. Der Frankfurter Bankier und Juwelenhändler nutzte das Haus anfangs auch zum Jagen, bevor er es 1860 zu einer Gartenvilla im Schweizerhaus-Stil umgestalten ließ. In weiteren Generationen der Familie Borgnis wurde die Villa als Sommerresidenz genutzt und es kamen Anbauten, wie beispielsweise die Terrasse, dazu. Zu dieser Zeit stand es der Öffentlichkeit nicht offen.

Nach dem Verkauf der Villa 1923 erwarb 1926 die Stadt das Gebäude, und aus dem Sommerhaus mit Privatpark der Familie Borgnis wurde das Kurhaus mit Restaurant und Kurpark. Zu dieser Zeit fand auch der letzte Umbau statt, welcher der Villa Borgnis ihre heutige Gestalt gegeben hat. Seitdem ist das Gebäude Schauplatz von rauschenden Festen oder politischen Veranstaltungen gewesen, wie zum Beispiel die Gründung der Jungen Union im Jahr 1947. Aktuell sieht man von der prachtvollen Villa aufgrund von Sanierungen und dem großen Gerüst nicht viel, der Bauzaun wird aber noch deutlich aufgewertet mit historischen Fotos und Informationen zur Villa Borgnis, die das Stadtarchiv auf große Banner hat drucken lassen. So soll die Geschichte und die Veränderung des Hauses gerade jetzt in der Bauphase den Bürgerinnen und Bürgern nahegebracht werden.

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