Was haben Weimar und Buchenwald uns heute noch zu sagen?

Eine Umgebung, die auch bei schönem Wetter beklemmend wirkt: Die Schülerinnen der St. Angela-Schule im Mahnmal Buchenwald auf der Straße der Nationen.Fotos: privat

Unter dieser Fragestellung führte die St. Angela-Schule in Zusammenarbeit mit der in Königswinter/Bonn ansässigen Jakob-Kaiser-Stiftung jährlich für die Stufe Q2 ein zweitägiges Seminar in der Klassikstadt Weimar durch. Hier ist der Bericht der Schülerinnen Sophia Hoffmann und Zoë Stümpfel im Original:

Ziel dieses Seminars ist die Auseinandersetzung mit der Ambivalenz der deutschen Geschichte am Beispiel der Stadt Weimar und der Gedenkstätte Buchenwald in Verbindung mit dem Mahnmal Buchenwald auf der Südseite des Ettersbergs. Die Gedenkstätte Buchenwald ist ein Ort, an dem man mit dem Verbrechen von Menschen an Menschen und dem Wesen einer Diktatur konfrontiert wird.

So unmittelbar vor Ort werden die Fakten des Geschichtsunterrichts konkret. Die idyllische Natur rund um das ehemalige Lager steht in einem harten Kontrast zu den Grauen, die hier zwischen 1937 und 1945 bzw. 1950 geschehen waren, denn der Ort wurde nach dem Ende des Zweiten Weltkriegs von der sowjetischen Besatzungsmacht als „Speziallager Nr. 2“ für die Inhaftierung von lokalen Funktionsträgern der NSDAP, aber auch Kritikern der Sowjets genutzt.

Nach der Führung durch die Gedenkstätte des ehemaligen Konzentrationslagers schließt sich ein Besuch des nahe gelegenen Buchenwald-Mahnmals, das in den 1950er Jahren von der DDR auf der Südseite des Ettersbergs gebaut wurde, an. Dort werden die Schülerinnen auf die sozialistische Lesart der Geschichte aufmerksam gemacht: Im Zentrum des Mahnmals stehen die kommunistischen Widerstandskämpfer – viele Opfergruppen werden somit verschwiegen. Geschichte – so wird hier vielen klar – unterliegt auch immer Deutungen und Interpretation. Und es wird auch deutlich, wie sehr sich Diktaturen selbst in ihrer Architektur ähneln.

Der zweite Seminartag ist von Stadtführungen unter dem Aspekt „Weimar – europäische Kulturstadt zwischen Humanismus und Unmenschlichkeit“ sowie den Museen der Stadt geprägt: Einmal mehr präsentiert sich Weimar als ein Brennglas der deutschen Geschichte – das Goethe-Nationalmuseum am Frauenplan ist nur wenige Gehminuten vom Nationaltheater, in dem die demokratische Verfassung der Weimarer Republik ausgearbeitet wurde, aber auch vom ehemaligen NS-Gauforum entfernt, an dem der Größenwahn der Nazis bis heute zu erkennen ist.

In unmittelbarer Nähe davon findet man das neue Bauhaus-Museum, das wiederum auf das Innovative, das von der kleinen thüringischen Stadt ausging, verweist. Hier wurde von dem Architekten, Stadtplaner und Designer Walter Gropius die wohl bedeutendste Design- und Kunstschule des 20. Jahrhunderts gegründet, und auch diese prägt die Stadt, denn an der Bauhaus-Universität studieren heute über 4.000 junge Menschen Architektur, Bauingenieurwesen oder auch Kunst und Gestaltung.

Den Abschluss der zwei Seminartage bildet eine Reflexions- und Diskussionsrunde mit den Referenten der Jakob-Kaiser-Stiftung unter der Fragestellung „Was haben uns Weimar und Buchenwald heute noch zu sagen?“ – Eine ganze Menge, möchte man festhalten. Gerade in der heutigen Zeit der politischen Radikalisierung und Manipulation durch Social Media, einer Zeit der europaweiten Infragestellung der Demokratie, aber auch einer Zeit zunehmender Oberflächlichkeit in Bezug auf Persönlichkeitsbildung scheinen den teilnehmenden Oberstufenschülerinnen klassisch-humanistische, aber auch historisch-politische Bildung und gesellschaftliches Engagement notwendiger denn je.

Zwischen Goethe und Gropius liegt ein Gruppenfoto: die Schülerinnen der Q2 auf Station in Weimar.



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