Intergration von Flüchtlingen jäh gestoppt

Königstein (kw) – Die evangelische Pfarrerin der Immanuel-Gemeinde, Katharina Stoodt-Neuschäfer, berichtet von gelungener Integration, als zehn Flüchtlingsfamilien die Patenschaft für einen neuen Garten übernahmen. Er sollte im Forellenweg an der Gemeinschaftsunterkunft für Asylsuchende entstehen. Harken, Spaten, Pflanzen, Erde, Gießkannen und Blumensamen: Alles stand bereit. Dann erhielt der Freundeskreis Asyl die Nachricht, dass neun der zehn Familien zu Beginn der neuen Woche in eine andere Gemeinschaftsunterkunft außerhalb Königsteins gebracht werden sollen.

Denn die Unterkunft im Forellenweg habe lediglich kleine Vierbettzimmer, die für Eltern mit nur einem oder mehr als zwei Kindern entweder zu groß oder zu klein seien. Da der Hochtaunuskreis jedoch ab sofort alle Vierbettzimmer mit vier Menschen belegen wolle, müssten alle Familien weichen, die zahlenmäßig nicht in die Zimmer passten. Die Pfarrerin äußert sich bestürzt: „Unbelegte Betten rechnen sich nicht. Das allein ist offenbar entscheidend. Ob die nun freigeräumten Zimmer dann aber tatsächlich so schnell komplett neu belegt werden, wird sich erst noch zeigen müssen. Was lediglich als Rechenexempel nachvollziehbar erscheint, bedeutet in der Lebenswirklichkeit der beteiligten Familien, ihrer Sozialarbeiter, der Königsteiner Schulen und Kindergärten sowie der ehrenamtlichen Helfer einen Schock.“

Gut integriert

Katharina Stoodt-Neuschäfer und die ehrenamtlichen Helfer des Freundeskreises Asyl wissen, die betroffenen Familien, also Eltern mit kleinen Kindern, wohnen in Königstein zum Teil seit mehreren Jahren. Sie seien in der Stadt gut integriert. Die Kinder besuchten Kindergärten und Schulen, sie hätten Freunde gefunden, seien im Sportverein, hätten sich zum Sommercamp des Fußballvereins angemeldet und verfügten über feste Ansprechpartner, darunter auch ihren Hausarzt oder ihre Logopädin.

„Diese in Jahren gut entwickelten Netzwerke werden abrupt zertrennt. Der Hochtaunuskreis räumt manchen Familien sogar nur vier Tage ein, sich auf den Umzug einzustellen“, empört sich Stoodt-Neuschäfer, „Das verstehen vor allem die Kinder nicht, die nach der langen Coronazeit so froh waren, endlich wieder mit Freunden in ihrer vertrauten Umgebung zusammen sein zu können.“

Sie findet es verständlich, dass Sozialarbeiter, Lehrerinnen und die Leitungen der Kindergärten auf die vom Kreis verfügte Umzugsaktion mit Entsetzen, Unverständnis und Ärger reagieren. Mit einem einzigen Federstrich werde die intensive Bemühung um jedes einzelne Kind in Königstein beendet.

Genau hinterfragt

Auch die intensive Begleitung der Familien durch ehrenamtlichen Patinnen und Paten, etwa durch Deutschunterricht, Hilfe bei der Job- und Wohnungssuche, Beistand beim Zurechtfinden in schulischen, bürokratischen und rechtlichen Fragen, sei dem Kreis offenkundig nichts wert.

„Wie sonst ist es zu verstehen, dass über die Verlegungspläne keiner der bekannten Ansprechpartner aus dem ‚Freundeskreis Asyl‘ vorab informiert worden ist?“, hinterfragt sie die Vorgehensweise und fährt fort, „und ist es ein Zufall, dass diese zutiefst integrationsfeindliche Maßnahme zu Beginn der Sommerferien so platziert worden ist, dass bei der zuständigen Behörde niemand erreichbar war?“

Für Katharina Stoodt-Neuschäfer bedeutet Integration von Flüchtlingen nicht, dass Menschen lediglich verwaltet, sondern bei den einzelnen Schritten in die Gesellschaft hinein begleitet und zum Mitmachen motiviert werden. Das setze stabile Vertrauensbeziehungen zu Institutionen und zu einzelnen Personen, zu Freunden und Helfern voraus. Die abrupte Umsiedlung von hiesigen Familien nach Oberursel, Neu-Anspach, Wehrheim und Weilrod findet sie skandalös. Das zerstöre viel Vertrauen.

Sensiblerer Umgang gefordert

Nicht nur bei den betroffenen Familien, die sich herumgeschubst fühlen, sondern auch bei all jenen, die sich im Sinne der Integration über Jahre hinweg für diese Familien im Forellenweg intensiv eingesetzt haben. Die evangelische Pfarrerin bringt ihre Verärgerung auf den Punkt: „Kein Ruhmesblatt für den Hochtaunuskreis! Wieder einmal!“

Auch die Vorsitzende des Ausländerbeirats, Maryam Javaherian, äußert sich bestürzt: „Die Einrichtung wurde wohl freitags informiert, dass die Familien montags in neue Einrichtungen umgesiedelt werden sollen. Es betrifft beispielsweise eine Familie aus dem Irak, deren Vater gerade Arbeit in einer Königsteiner Klinik gefunden hatte. Oder eine ohnehin psychisch labile Mutter von vier Kindern, die daraufhin einen Suizid versuchte. Ich hätte mir wirklich einen sensibleren Umgang mit diesen Menschen gewünscht, die gut in Königstein integriert waren. Hier ist die Integration leider gescheitert.“



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