Königstein (kw) – Männerchor klingt oft ein bisschen angestaubt. Das ist der Männerchor 1893 Königstein auch, aber nur nach Jahren betrachtet. Denn er ist 131 Jahre alt, nach nicht eindeutigen Aufzeichnungen vielleicht sogar noch 20 oder 30 Jahre älter. Dass der Chor jetzt mit einem großen Chorabend im Haus der Begegnung seinen 130. Geburtstag feiern konnte, das eine Jahr Verspätung erklärte der Vorsitzende Kurt Nachtsheim bei der Begrüßung launig mit Corona-Auswirkungen und nicht mit mathematischen Schwächen, ist aber vor allem ein Zeichen der Tradition, der Ausdauer und der immer wieder neuen Ideen und Initiativen aus der Mitte des Vereins heraus.
Die Gründung des Projektchors Singgemeinschaft 1860/1893 Königstein im Jahr 2000 gemeinsam mit der Chorgemeinschaft von 1860, mit der das schwindende singende Personal, aber auch die Stärken der beiden Vereine gebündelt wurden, ist eine solche Initiative gewesen. Wahrscheinlich die entscheidende dafür, dass beide Vereine heute gemeinschaftlich florieren. Eine zweite war im Jahr 2007 die Gründung des ersten Frauenchors „Sing mit Swing“, der die Singgemeinschaft mit modernem Liedgut von Swing über Jazz bis Pop belebt hat und dafür sorgt, dass bei gemischten Auftritten heute mehr als 40 Personen gemeinsam auf der Bühne stehen und singen. Das macht schon etwas her, wie im weiteren Verlauf des Abends zu sehen und zu hören war.
Wie lebendig der Männerchor und die Singgemeinschaft sind, das bewiesen sie am Chorabend nicht nur mit dem eigenen Liedgut, sondern auch mit ihren Freundschaften und Verbindungen weit über die Stadtgrenzen hinaus. Diese sorgten dafür, dass an dem fast dreistündigen Programm auch die 1. Kronberger Laienspielschar mit ihrem in der Region unvergleichlichen Mundartgesang und flottem Wortwitz, Chorisma aus Steinfischbach und als „Special Guest“ das Frankfurter Harmonie Ensemble – das ist ein koreanischer Frauenchor – mit gleich zwei Auftritten, einer davon mit koreanischen Liedern und in traditioneller landestypischer Tracht, mitwirkten. Auch Kurharmonix, die „Boy Group“ des Männerchors im Stile der Comedian Harmonists, die sich offiziell vor zwei Jahren von der Bühne verabschiedet hatten, überbrachten als „Überaschungsgäste“ fast in Originalbesetzung ein Geburtstagsständchen. „Wir machen heute Abend grundverschiedene Musik – Musik ist immer ein Grund zu feiern und verbindet ganze Völker“, kündigte Kurt Nachtsheim mit Verweis auf das Datum, den in der deutschen Geschichte denkwürdigen 9. November, das vielfältige Programm an.
Los ging es, das ist selbstredend für einen Männerchor, mit der Gruppe „Männer Pur“ der Singgemeinschaft. Und passenderweise auch mit einem Ausflug durch noch einige Jahrhunderte mehr. Den Auftakt bildete das Lied „Wir lieben sehr im Herzen“, ein Stück aus der Renaissance von Daniel Friderici. Mit „Über sieben Brücken musst Du gehen“ und „Männer in den besten Jahren“ steigerten die 22 Männer unter der Leitung von Dr. Markus Meier die Stimmung im Publikum und sorgten bei dem vielstimmigen „Barbara Ann“ von den Beach Boys für das erste Mitklatschen.
An diesen Stücken konnte man auch schon erkennen, dass Markus Meier, der erst im Januar dieses Jahres als Chorleiter zur Singgemeinschaft dazugestoßen ist, nachdem sein Vorgänger Wolfgang Datscher im Jahr 2023 plötzlich verstorben war, das gesangliche Repertoire schon behutsam erweitern konnte. So wurde etwa das schwierige Renaissance-Stück neu einstudiert, Barbara Ann wurde vielstimmig neu arrangiert, aber das vorhandene und vielfach geprobte Material Datschers wurde nicht über Bord geworfen, so wie neue Chorleiter andernorts oft mal vorgehen. „Er passt sehr gut zu uns, der Chor wächst, unsere Altersspanne geht von 20 bis 80 Jahre“, lobte auch Andreas Meyer, Vorsitzender der Singgemeinschaft die Arbeit des Chorleiters. Und Nachtsheim ergänzte: „Es macht schon Spaß unter Markus Meier.“ Spaß, der sich auch bei den Stücken von Sing mit Swing zeigte – vom überraschenden Geburtstagsständchen für das langjährige Mitglied Toni Ohlenschläger zum 81. Geburtstag über „Der Mond ist aufgegangen“, „Killing me softly“ bis hin zu „Sing, Sing, Sing“ des gemischten Chors und zum Finale – gemeinsam mit dem Publikum – der „Ode an die Freude“…
Nur eines hätte dieser Geburstags-Chorabend noch zusätzlich verdient gehabt: mehr als die rund 120 Besucher, die sich im großen Saal des Hauses der Begegnung doch in recht licht besetzten Reihen eingefunden hatten. „Ich bin ein bisschen enttäuscht, dass Königstein nicht den Saal gestürmt hat“, stellte Dietmar Schwalm, Urgestein und Zweiter Vorsitzender des Männerchors, trocken fest. Und das bei freiem Eintritt. Immerhin konnte der Verein hinterher mit den Spenden am Abend „unbedingt zufrieden sein“.
Nächstes Jahr wird bei 25 Jahre Singgemeinschaft das nächste Jubiläumskonzert steigen. Bis dahin wird das Repertoire nochmal verjüngt und die Gruppe mit etwas Glück weiter wachsen. Denn das Motto lautet: „Jeder kann singen.“ Oder wie Kurt Nachtsheim es treffend ausdrückt: „Im Grunde genommen ist das Breitensport mit gesundem Qualitätsanspruch.“
Proben der Singgemeinschaft finden immer mittwochs in der Aula der ehemaligen Friedrich-Stoltze-Schule statt: Frauen von 19 bis 20.10 Uhr, direkt anschließend die Männer bis 22 Uhr.