Königstein vor 100 Jahren: Alltag unter französischer Besatzung

Zu den französischen Besatzungssoldaten gehörten auch die sogenannten „Spahis“ aus Nordafrika – hier posieren sie zum Erinnerungsfoto im Park der Villa Rothschild. Man beachte auch den muslimischen Halbmond auf der Fahnenstange. Repro: Stadtarchiv

Königstein (kw) – In loser Folge veröffentlichen wir in der KöWo den Beitrag, den Ex-Stadtarchivarin Beate Großmann-Hofmann ursprünglich für das Burgfest-Buch verfasst hat, aufgeteilt als Serie.

Französisch will gelernt sein

Seit Dezember 1918 stand Königstein unter französischer Besatzung, die sich auf alle Bereiche des Alltagslebens auswirkte. So fand auch verstärkt Französischunterricht statt. Ende Februar 1920 wurde in der Taunusrealschule ein „Französischwettbewerb“ durchgeführt, an dem Schüler und Schülerinnen aus vielen Taunusorten teilnahmen. Die Prüfung bestand aus einem Diktat, einer Übersetzung und einem mündlichen Teil.

Katharina Haub aus Königstein erhielt den ersten Preis, der zweite Preis ging an eine Schülerin aus Kronberg. Bei der Preisverleihung waren der französische Platzkommandant, der Delegierte der Hohen Kommission, mehrere französische Offiziere, Landrat Jacobs und mehrere Bürgermeister des Kreises Königstein zugegen. Alle Teilnehmer erhielten ein sechsmonatiges Abonnement der französischen Zeitschrift „Le Rhin Illustré“, die sechs Besten darüber hinaus noch weitere Abonnements. Im Namen der Kinder richtete der Landrat Dankesworte an den französischen Kommandanten.

Kohle und Lebensmittel knapp

Zu Beginn des Jahres 1920 herrschte Kohlemangel. Einkäufe konnten nach wie vor nur auf Lebensmittelkarten getätigt werden. Am 11. Februar beschloss die Stadtverordnetenversammlung, allen Schülern der Volksschule ein warmes Frühstück zu reichen. Im Mai wurden die Brot- und Zuckerpreise erhöht, ab 5. Juli erfolgte eine weitere Erhöhung der Brotpreise. Immerhin wurde der Kakao im August billiger.

Durch die Einziehung des Postens, der sich am „Eingang der Cronberger und Sodener Chaussee“ (heute Kreisel) befand, wurden die seit Dezember 1918 üblichen Passkontrollen beim Verlassen der Stadt im August 1920 etwas gemildert. Trotzdem lautete die Empfehlung, stets den Ausweis mit sich zu führen. Verstöße gegen die Anordnungen der französischen Militärregierung wurden vom Militärgericht streng geahndet und – vermutlich zur Abschreckung – in der Zeitung mit den Initialen der „Übeltäter“ veröffentlicht.

Rückkehrer und Gefallene

Zu den aus der – in diesem Fall französischen – Kriegsgefangenschaft zurückkehrenden Männern gehörten Wilhelm Strack aus Königstein und aus dem damals noch selbstständigen Falkenstein Jakob Dietz, Leonhard Hasselbach und Johann Kaltenbach. An der evangelischen Kirche wurde eine Gedenktafel mit den Namen der Gefallenen angebracht, zu deren Gedächtnis es im September eine Musikaufführung in der Kirche gab.

Trotz eigener Not wurde allerdings auch für andere Notleidende gesammelt. So erschien am 9. Januar 1920 ein Aufruf, die notleidenden Wiener Kinder zu unterstützen oder sogar ein Kind für eine gewisse Zeit aufzunehmen: „Wer gewillt ist, ein Wiener Kind in Pflege zu nehmen, melde dies bei den Unterzeichneten an. Rasche Hilfe tut not. Die Namen der Spender werden veröffentlicht.“ Unterzeichnet wurde dieser Aufruf von folgenden Königsteiner Bürgerinnen und Bürgern: C. Villmer, Bertha von der Hagen, J. Sittig, Frau F. Cahn, Bender. Im Gasthaus „Schöne Aussicht“ in Schneidhain fand sogar eine Wohltätigkeitsveranstaltung für die Wiener Kinder statt. Eine Haussammlung für die Deutsche Kinderhilfe ergab in Königstein 3.709 Mark.

Fortsetzung folgt.



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