Königstein/Faringdon (kw) – Wer wie beispielsweise Bürgermeister Leonhard Helm, Erster Stadtrat Jörg Pöschl oder Burgfräulein Angelika I. die Woche zuvor noch das 50-jährige Partnerschaftsjubiläum in Le Cannet an der Cote d’Azur bei 35° Hitze feierte, der musste schon gewisse Bedenken haben, ob eine Woche später bei der Reise ins englische Faringdon nur ansatzweise eine ähnliche Wärme der Königsteiner Reisegruppe begegnen würde. Um es gleich vorweg zu nehmen: Die Temperaturen in der Grafschaft Oxford-shire konnten bei durchgehend 22° natürlich nicht mithalten mit der mediterranen Hitze, aber die menschliche Wärme, die den 30 angereisten Königsteinern in Faringdon zuteil wurde, hätte locker sämtliche Hitzerekorde brechen können.
Nachdem das Königsteiner Stadtparlament bereits im April 2022 das „Go“ für eine Städtepartnerschaft mit der 9.000 Einwohner zählenden Kleinstadt Faringdon gegeben und sich daraufhin umgehend ein neuer Partnerschaftsverein gegründet hatte, war man auf englischer Seite noch ein klein wenig „hinterher“. Auch wenn bereits seit letztem Jahr ein grundsätzliches „Ja“ zur Partnerschaft mit Königstein vorlag, so erfolgte der formale Beschluss des Faringdon Town Council, dem englischen Pendant zum hiesigen Königsteiner Stadtparlament, erst am 17. Mai dieses Jahres. In Rekordgeschwindigkeit hingegen hatte sich unmittelbar danach unter Vorsitz von Councillor Alan Ford allerdings in Faringdon ebenfalls ein neuer Partnerschaftsverein gebildet, dem – man höre und staune – fünf Wochen nach Gründung bereits über 50 Mitglieder angehören. Rechnet man die etwa 70 Mitglieder des seit gut einem Jahr bestehenden Königsteiner Partnerschaftsverein hinzu, kann man leicht erkennen, dass dieses noch recht zarte Pflänzchen der Freundschaft bereits ein tiefgreifendes und stabiles Wurzelwerk aufweist.
Auch wenn man sich im Jahre 2022 schon zweimal zu bilateralen Besuchen getroffen hatte und dort bereits sehr persönliche und zahlreiche Freundschaften entstanden waren, so fehlte dem „jungen Glück“ zwischen Faringdon und Königstein noch das ganz Spezielle, nämlich der offizielle Verschwisterungsakt – quasi die kirchliche Hochzeit mit formalem Segen und anschließender Feier.
Genau dafür hatten die englischen Freunde nun ein Programm entworfen, und so bestiegen 30 Königsteiner vergangenen Freitagmorgen mit gespannter Vorfreude das Flugzeug, die Bahn oder das Auto, um nicht nur die Eheringe zu tauschen, sondern die bereits bestehenden Kontakte zu vertiefen und neue Freundschaften und Bekanntschaften zu besiegeln. Ganz im Sinne der Gründungsvorsätze dieser Städtepartnerschaft waren fast zwei Drittel aller Reisenden in Privatquartieren in Faringdon untergebracht, wobei Wünsche nach Hotelunterbringung selbstverständlich akzeptiert wurden. Die englischen Freunde hätten nach eigener Aussage binnen weniger Tage die Bereitschaft englischer Familien zur Beherbergung von über 40 deutschen Gästen erhalten, was ein großartiges Zeichen für künftige Treffen wäre.
So war nach einem herzlichen Empfang mit kurzem Imbiss in der Blumenpracht des Innenhofes des historischen „Old Crown-Hotels“ bereits eine erste kleine Erkundungstour zum Folly Tower angesagt. Dieser 1935 vom ebenso exzentrischen wie legendären Lord Berner errichtete Aussichtsturm auf einem Hügel am Rande der Stadt ist gemeinsam mit dem ca. 3.000 Jahre alten Kreidescharrbild des Weißen Pferdes („White Horse Hill“) auf einem Hügel unweit der Stadt das Wahrzeichen der Stadt Faringdon und der Region.
Eine besondere Geste wurde den deutschen Gästen zuteil: Erstmals überhaupt seit dem Bau des Folly Towers wurde keine britische Fahne dort aufgezogen, sondern es wehte „Schwarz-Rot-Gold“ während des gesamten viertägigen Besuchs der deutschen Freunde weithin sichtbar über der Stadt – ein bisher nie dagewesenes Novum, dass dort nicht der „Union Jack“ hängen würde, wie der in historischer Tracht gewandete „Town Crier“ Sjoerd Vogt glaubhaft versicherte.
Wer diesen kurzen Spaziergang verdaut hatte, musste sich für den Abend dann ein wenig umstellen: Hier war eine gemeinsame 7-km-Abendwanderung über hügelige Felder und Auen ins Nachbardorf Fernham angesetzt, um dort im historischen Restaurant „The Woodman Inn“ zu dinieren. Der Fußweg durch reizvolle Natur war zwar wunderschön, stellte sich aber doch als beschwerlicher heraus als ursprünglich gedacht, zumal noch ein typischer „leichter englischer Landregen“ einsetzte, den die „geübten“ englischen Gastgeber zum stillen Erstaunen ihrer deutschen Gäste jedoch kaum wahrnahmen. Die exzellente Qualität des Abendessens ließ das alles jedoch schnell vergessen.
Der Samstag stand dann ganz im Zeichen des Besuches der 40 km entfernten, weltberühmten Universitätsstadt Oxford, deren prächtige Gebäude und Parkanlagen die Reisegruppe sehr beeindruckten. Am Samstagabend war dann der Besuch der „Party im Park“ angesagt. Auf dem Sportgelände des „Tucker Park“ hatte der heimische Fußballclub sein alljährliches Fest, eine Mischung aus Open-Air-Rockfestival und Kirmes mit – für deutsche Verhältnisse – unglaublich vielen Fahrgeschäften und Ständen. Bürgermeister Leonhard Helm avancierte zum Star der dort zahlreich versammelten Kinder und Jugendlichen aus Faringdon, aber – man glaubt es kaum – auch der Erwachsenen auf deutscher und englischer Seite, als er mit einem ganzen Arsenal an gekauften Chips für den Autoscooter „gefühlt halb Faringdon und Königstein“ zum heiteren Vergnügen einlud. Wem der abendliche Trubel weniger lag, hatte die Möglichkeit, ins benachbarte Marlborough zu einem klassischen Konzert chauffiert zu werden, dessen hohes Niveau viele Königsteiner begeisterte.
Am Sonntagmorgen gab es nochmals eine kleine Führung für die deutschen Gäste durch die Innenstadt von Faringdon mit seinen historischen und pittoresken Gebäuden und Plätzen, alternativ gingen einige jedoch auch in den Anglikanischen Gottesdienst. Dem kirchlichen Segen folgte dann der offizielle Verschwisterungsakt in der Faringdoner Corn Exchange, der ehemaligen historischen Getreidebörse der Stadt, heute zentraler Veranstaltungssaal. So sprachen die beiden Vorsitzenden der Partnerschaftsvereine, Alan Ford und Christoph Scharr, der neugewählte Faringdoner Bürgermeister Peter Castle und Bürgermeister Leonhard Helm, dessen emotionale und mit großem europäischen Weitblick und Pathos gehaltene Rede stehende und begeisterte Ovationen hervorrief. Bei der Gelegenheit darf erwähnt werden, dass speziell Faringdon als auch die gesamte Region um Faringdon herum mit außergewöhnlich hohem Anteil seinerzeit für einen britischen Verbleib in der EU votiert hatte. Die kunstvoll beschriftete zweisprachige Partnerschaftsurkunde wurde dann von Peter Castle, Leonhard Helm sowie den beiden Ersten Stadträten Jörg Pöschl (Königstein) und Dr. Mike Wise (Faringdon) unterschrieben, flankiert von den ebenfalls signierenden Vertretern der beiden Partnerschaftsvereine, Alan Ford, Christoph Scharr, Bethia Thomas und Gabriela Terhorst.
Dabei wurden auch die Gastgeschenke der beiden Städte getauscht. So wird demnächst ein gusseiserner Wetteranzeiger, versehen mit dem Wahrzeichen des „White Horse“, in Königstein an Faringdon erinnern, während die Engländer einen großen hölzernen Schilderbaum überreicht bekamen, der demnächst an zentraler Stelle im Ort die exakte Himmelsrichtung und Distanz in Faringdons Partnerstädte Königstein und Le Mêle sur Sarthe anzeigt.
Es war ein ebenso feierlicher wie würdevoller Festakt, der mit drei hochkarätigen musikalischen Stücken einer in Faringdon beheimateten ukrainischen Flüchtlingsfamilie umrahmt wurde, deren drei Töchter ihr außergewöhnliches Talent mit verschiedenen Instrumenten zeigten. Kulinarische Begleitung des Festaktes war der für England so typische „Sunday Roast“ (vergleichbar mit dem deutschen Sonntagsbraten), dessen Zartheit und wunderbarer Geschmack viele leichtfertige Vorurteile über die Qualität der englischen Küche verstummen ließ. Burgfräulein Angelika I. stellte in einer Tischrede nochmals heraus, wie angetan sie als „Neuling“ von der Wärme und Herzlichkeit der Gastgeber sowie der Schönheit der Region sei und überreichte kleine Geschenke an die Honoratioren auf englischer Seite.
Nach so viel Formalität war abends dann Bewegung angesagt, und im ortsansässigen „Swan-Pub“, welches über eine eigene Brauerei verfügt, wurde gemeinsam gefeiert und getanzt, hatte doch die dortige DJ-Legende Al Cane zum gemeinsamen „deutsch-englischen Vergnügen“ eingeladen, und sehr zur Begeisterung aller füllte sich die Tanzfläche sehr schnell.
Der Montag war dann „Heimreisetag“. Man traf sich im ebenso historischen wie prachtvollen Ballsaal des Hotels „Old Crown“, um bei einem original englischen Breakfast voneinander Abschied zu nehmen. Bei gebratenem Frühstücksspeck, kleinen gebratenen Würstchen, Spiegel- und Rührei, gegrillten Tomaten und gebratenen Champignons, Baked Beans sowie Black Pudding und Hash Browns wurde eine deftige Grundlage für die Heimreise gelegt. Vorsitzender Christoph Scharr resümierte im Einklang mit seinen deutschen Vorstandskollegen Gabriela Terhorst, Jörg Pöschl (beide Vize-Vorsitzende), Jost Laumeyer (Schriftführer) und Patricia Peveling (Schatzmeisterin) voller Dankbarkeit und Anerkennung in Richtung Alan Ford und seines ganzen englischen Partnerschafts-Teams die hervorragende Organisation des Aufenthaltes. Und als auf Veranlassung der englischen Freunde noch gemeinsam und voller Überzeugung die Europa-Hymne mit Klavierbegleitung und deutschem Text gesungen wurde, hatte der eine der andere bewegte Reiseteilnehmer ebenso wie die Gastgeber doch recht nahe am Wasser gebaut und man lag sich beim Abschied lange in den Armen.
Wie sagte ein Reiseteilnehmer so treffend: „Ich bin erstmalig und als Fremder hier hergekommen und gehe nach vier Tage wieder mit dem Gefühl, eine neue, große Familie gefunden zu haben. Ich bin überwältigt von der Herzlichkeit, die uns hier entgegengebracht wurde.“ Dem, so waren sich alle einig, ist nichts hinzuzufügen, und so freuen sich sowohl diesseits wie auch jenseits des Ärmelkanals bereits jetzt alle auf ein Wiedersehen zum Weihnachtsmarkt im Dezember in Königstein.
Aber auch auf der sogenannten „Arbeitsebene“ geht es weiter mit großen Schritten voran. Waren im Frühjahr erstmals bilateral zwei Jugendliche aus Königstein bzw. Faringdon im Austausch und Faringdons Verwaltungsleiterin Sally Thurston zu einem viertägigen Arbeitsbesuch in Königstein, um die Arbeitsweise und politische Struktur in Königsteins Rathaus kennenzulernen, so wurden während des Treffens in Faringdon nun auch Kontakte zwischen den beiden Fußballclubs aufgenommen, und auch seitens der Feuerwehren soll ein möglicher Besuch oder Austausch ins Auge gefasst werden. Dies alles korrespondiert mit dem Wunsch, den Jugendaustausch weiter zu forcieren, gegebenenfalls sogar in einem eventuellen Gemeinschaftsprojekt mit den anderen Königsteiner Partnerschaftsvereinen, die für die Partnerschaften mit Le Mêle sur Sarthe, Le Cannet, Kornik und Königstein in Sachsen bzw. in der Oberpfalz verantwortlich zeichnen, so Vorsitzender Christoph Scharr abschließend.
Weitere Infos zum „Förderverein der deutsch-englischen Partnerschaft Königstein im Taunus - Faringdon e.V.“ im Internet unter www.koenigstein-faringdon.eu