Königstein (kw) – Auch in diesem Jahr hatten die Schülerinnen der Jahrgangsstufen G9, R10 und Q2 die Ehre, per Zoom von der NS-Zeitzeugin Michaela Vidláková die tragische Zeit des Holocaust geschildert zu bekommen.
Das Gespräch war durch eine Zusammenarbeit mit dem Zeitzeugenprojekt des Bistums Limburg zustande gekommen.
Michaela Vidláková, 1936 in Prag in eine tschechisch-jüdische Familie geboren, wurde im Alter von fünf Jahren gemeinsam mit ihren Eltern in das KZ Theresienstadt deportiert. Sie berichtete darüber, dass sie zwar schon zuvor unter Ausgrenzungen litt, denn ihr wurde es unter anderem verboten, mit ihren tschechischen Kameraden zu spielen, in den Park zu gehen und viele Geschäfte zu betreten, aber das eigentliche Grauen begann mit der Deportation in das vermeintliche „Vorzeige-Lager“ der SS. Ihre Eltern und sie überlebten den Holocaust, da ihr Vater nach dem Verlust seiner eigentlichen Arbeit als Direktor einer Pelzfabrik Holzarbeiten erledigte. So konnten sie in Theresienstadt bleiben und wurden nicht, wie zuvor ihre Großeltern, in ein Vernichtungslager weitergeleitet. Sie lebte jedoch nicht gemeinsam mit ihren Eltern, sondern im Kinderheim des Lagers, wo sie von ebenfalls gefangenen Lehrkräften unterrichtet wurde. Dies war einzig dem Judenältestenrat zu verdanken, der sich dafür einsetzte, dass wenigstens die Kinder in besseren Verhältnissen leben konnten. Dementsprechend erhielten sie eine Schulbildung sowie mehr Nahrung als die Älteren.
Als nun auch ihr Vater in ein Vernichtungslager gebracht werden sollte, verbot er ihr und ihrer Mutter, ihn zu begleiten. Und rettete ihnen damit das Leben. Denn durch einen glücklichen Zufall gab es kurz vor der Abfahrt des Zuges ins Vernichtungslager Auschwitz ein Unwetter und drei Freiwillige sollten zur Reparatur der Schäden in Theresienstadt bleiben. Ihr Vater blieb, um seinem Chef und „Freund“ zu helfen, wodurch auch er überlebte.
Die Lebensgeschichte von Michaela Vidláková hat die Schülerinnen sehr beeindruckt und gleichzeitig erschüttert. Durch ihre von einer Bildpräsentation unterstützten Schilderung des KZ-Alltags voller Angst, Hunger, Krankheiten und dem Kampf ums Überleben konnten sich die Zuhörerinnen eine konkretere Vorstellung der Grausamkeiten des Nazi-Regimes machen, die in Erinnerung bleiben werden. Zudem führte das Gespräch mit ihr die Wichtigkeit von Toleranz, Menschenwürde und Mut zum Widerstand vor Augen, denn es liegt in den Händen der jüngeren Generationen, zu verhindern, dass es erneut zu einer solchen Grausamkeit kommt. Dies betonte Michaela Vidláková auch, als sie ihre Bedenken in Bezug auf die aktuelle politische Lage ausdrückte. Sie mahnte, dass die größte Gefahr nicht von einer lauten Minderheit ausgehe, sondern von der schweigenden Mehrheit. „Man muss etwas tun!“, forderte sie.
Als wahrscheinlich letzte Generation, die die außergewöhnliche Erfahrung machen durfte, mit einer Überlebenden des Nationalsozialismus ein Gespräch führen zu dürfen, zeigten sich die Schülerinnen beeindruckt von der Souveränität, mit der die Seniorin die moderne Technik einer Videokonferenz handhabte, und dankbar für ihre Zeit, ihren Mut und ihre Offenheit, über traumatische Erlebnisse zu berichten.
Emelie Küls, G9b
Florine Schaefer, G9b