Königstein (as) – Nach fünf Jahren Pause wird die Stadt Königstein in diesem Jahr wieder den renommierten Eugen-Kogon-Preis verleihen. Bei der insgesamt 15. Verleihung der internationalen politischen Auszeichnung werden am Freitag, 9. Mai, im Rahmen einer feierlichen Veranstaltung im Haus der Begegnung gleich zwei herausragende Persönlichkeiten für ihr besonderes Engagement für die Demokratie geehrt: Marianne Birthler erhält den Eugen-Kogon-Preis für das Jahr 2022, Karoline Preisler wird mit dem Preis für das Jahr 2024 ausgezeichnet. Damit wechselt die Stadt Königstein nach der Corona-Zwangspause auf einen zweijährigen Verleihungsrhythmus, was die Bedeutung des Preises hervorheben soll. Bislang letzte Trägerin des seit 2002 verliehenen Preises war im Jahr 2019 Literatur-Nobelpreisträgerin Herta Müller.
Die Preisverleihung, zu der alle Interessierten eingeladen sind, am 9. Mai – einen Tag nach dem 80. Jahrestag des Endes des Zweiten Weltkriegs – beginnt um 18 Uhr im Großen Saal des Hauses der Begegnung. Die Laudationen auf die beiden Preisträgerinnen hält Alois Theisen, ehemaliger Fernsehchefredakteur des Hessischen Rundfunks und früheres Mitglied des Kuratoriums des Eugen-Kogon-Preises. Dessen Vorsitzender qua Amt, der Königsteiner Stadtverordnetenvorsteher Dr. Michael Hesse, sagte, dass sich das 15 Mitglieder starke Kuratorium ganz bewusst dafür entschieden habe, „nicht so sehr im Fokus der Öffentlichkeit stehende Persönlichkeiten auszuwählen“. Frühere Preisträger mit absolutem „VIP-Status“ sind unter anderem der frühere polnische Außenminister Władysław Bartoszewski bei der ersten Vergabe 2002, Hildegard Hamm-Brücher, 1994 Kandidatin für das Bundespräsidentenamt, der tschechische Staatspräsident Václav Havel und der deutsch-französische Publizist Alfred Grosser.
„Eintreten für Demokratie auf der Ebene des Normalbürgers“
Trotz ihrer beeindruckenden Vita würden sowohl Marianne Birthler, die ehemalige Bundesbeauftragte für die Stasi-Unterlagen, als auch Karoline Preisler als Kämpferin gegen Rechtsextremismus ihr „Eintreten für Demokratie auf die Ebene des Normalbürgers herunterholen und in Zeiten des Populismus an die Zivilcourage appellieren“, so Hesse – und weiter: Sie stehen dafür, Auseinandersetzungen durch friedlichen Austausch statt durch Gewalt auszutragen. Sie stünden für Dialogbereitschaft und als „streitbare Mahner für die Zukunft“, so der Stadtverordnetenvorsteher, „das hat uns bei den Preisträgerinnen am meisten inspiriert“.
Hesse berichtete auch vom Prozess innerhalb des Kuratoriums, dem als Nachfolgerin Theisens auch die HR-Journalistin Esther Schapira angehört und zum Beispiel auch der ehemalige Bürgermeisterin Leonhard Helm sowie die aktuelle und die ehemalige Stadtarchivarin. Die Suche nach neuen preiswürdigen Persönlichkeiten beginne mit einem Brainstorming, aus dem eine Long List von sechs bis acht Kandidaten entstehe. Die Short List ergebe sich dann unter Bezug auf die tagesaktuelle Diskussion – in diesem Jahr, dass die Prinzipien der Meinungsfreiheit mehr und mehr bedroht sind.
Der mit 5.000 Euro dotierte Eugen-Kogon-Preis wird seit 2002 verliehen und erinnert an den Publizisten, Historiker und NS-Widerstandskämpfer Prof. Dr. rer. Eugen Kogon (1903–1987), der die Befreiung des Konzentrationslagers Buchenwald als dessen Insasse erlebte und der bis zu seinem Tod 36 Jahre lang in Falkenstein lebte.
Sein Buch „Der SS-Staat“, in dem er das System der deutschen Konzentrationslager analysierte, gilt noch heute als Standardwerk. Alfred Grosser zählte ihn zu den „drei geistigen Gründervätern Europas“. Der nach Eugen Kogon benannte Ehrenpreis zeichnet Persönlichkeiten aus, die sich in besonderer Weise für Demokratie, Menschenrechte und eine offene Gesellschaft einsetzen.
Bürgermeisterin Beatrice Schenk-Motzko freut sich auf die Preisverleihung. „Der Eugen-Kogon-Preis ist ein Preis, der uns an unsere historische Verantwortung erinnert. Es ist mir eine besondere Ehre, zwei Persönlichkeiten auszuzeichnen, die sich in besonderer Weise den Werten einer lebendigen Demokratie verpflichtet fühlen.“ Einträge der Presiträgerinnen ins Goldene Buch der Stadt Königstein werden die Feierstunde abrunden.
Marianne Birthler – eine engagierte Stimme
Marianne Birthler wurde 1948 in Berlin geboren. Bereits in den 1980er-Jahren setzte sie sich als Mitglied oppositioneller Gruppen für Demokratie und Menschenrechte ein. Nach der friedlichen Revolution 1989 wurde sie Abgeordnete der Volkskammer und später Ministerin in Brandenburg. Von 2000 bis 2011 war sie Bundesbeauftragte für die Stasi-Unterlagen und spielte eine entscheidende Rolle in der Aufarbeitung der DDR-Vergangenheit. Heute ist sie unter anderem im Beirat der Gedenkstätte Berliner Mauer und im Stiftungsrat der Körber-Stiftung aktiv.
„Ich gehöre zur ersten Nachkriegsgeneration. Der politische Hintergrund meiner Kindheit, meiner Jugend und meiner ersten fünf Lebensjahre ist die zweite Hälfte des 20. Jahrhunderts. Der Nachhall von Nationalsozialismus und Krieg, das eingemauerte Leben in der kommunistischen Diktatur und die Erfahrung der Befreiung durch die Herbstrevolution 1989 haben mich geprägt“, schrieb Marianne Birthler in ihrer Autobiografie.
Karoline Preisler – Einsatz gegen Extremismus
Karoline Preisler wurde 1971 in Ost-Berlin geboren und ist Juristin sowie Politikerin der FDP. Durch ihre klare Haltung gegen Extremismus und ihren offenen Dialog mit Kritikerinnen und Kritikern der Demokratie wurde sie zu einer prominenten Stimme für eine offene Gesellschaft.
Während der Covid-19-Pandemie suchte sie das Gespräch mit Gegnern der staatlichen Maßnahmen, während sie selbst schwer an dem Virus erkrankte. Ihr mutiger Einsatz brachte ihr sowohl Anerkennung als auch Anfeindungen ein. Darüber hinaus engagiert sie sich gegen rechtsextreme Bewegungen und thematisiert gesellschaftspolitische Herausforderungen, etwa in der Auseinandersetzung mit Antisemitismus und demokratiefeindlichen Strömungen.