Was Sie schon immer über unsere Wiesen und Ihren Rasen wissen wollten

Kaum noch zu erkennen: Ein im Frühjahr umgefräster Streifen auf der etwas abgelegenen Wiese zwischen Adelheidstraße und Kurbad wird im Herbst zum Startpunkt für den Versuch „Blühwiese“. Foto: Friedel

Königstein (hhf) – Der Mai ist gekommen, und nicht nur die Bäume schlagen aus, sondern auch der Rasen schreit nach Pflege. Das könnte aber auch anders sein, denn es gibt gute Gründe, die Grünflächen von Privatgärten und öffentlichen Anlagen künftig anders zu bearbeiten. Nach anfänglicher Mehrarbeit kann das Leben dann sogar etwas bequemer werden ...

Wohl nicht ganz zufällig zwischen den Diskussionen um die Innenstadtgestaltung und das immer noch nicht abgeschlossene Pflegekonzept für das Woogtal hatte der BUND Königstein-Glashütten zum Auftakt seiner Jahresmitgliederversammlung noch vor Ostern Dr. Stefan Nawrath eingeladen. Der anerkannte Experte für die Wiesenflora des Taunus referierte über die ökologischen Folgen der über Jahrzehnte lang veränderten Pflegemethoden und Schönheitsideale der Grünpflege sowie die Möglichkeiten, das Rad zurückzudrehen.

Wiesen – Insekten – Vögel

Das Insektensterben und der damit zusammenhängende Rückgang der Vögel – vielleicht sogar der Amphibien – beschäftigt inzwischen viele Menschen und viele wollen auch gerne etwas dagegen tun und sind auch bereit, im eigenen Garten damit anzufangen. Entgegen der landläufigen Meinung sind aber Blumenwiesen aus dem Supermarkt oder auch die von Bauern meist nur vor wenigen Jahren angelegten Blumenäcker keine echten, nachhaltigen insektenfreundlichen Blühwiesen, die – einmal richtig angelegt – keiner weiteren Pflege als einer einfachen Mahd mit Abtransport des Grases zweimal im Jahr benötigen.

Viele Wiesen im Stadtbereich, so zum Beispiel die Wiesen im Woogtal, aber auch die Gärten vieler neuerer Wohnhäuser waren einmal solche echten Blühwiesen. Sie wurden in der Regel durch falsche Mahd fast zerstört – trotzdem bergen sie meist noch das Potenzial, durch kleine Eingriffe und eine richtige Pflege wieder zu gesunden. Hier kann „Nichtstun“ sogar sinnvoll sein!

Da, wo das nicht mehr möglich ist, oder es um eine Neuanlage geht, hat sich die Einsaat mit Spezialsaatgut, „Regiosaatgut“, oder noch höherwertigerem Saatgut aus Mahdgutübertragung oder nach dem Mähdruschverfahren bewährt. Bereits nach zwei Jahren kann dann eine solche Wiese wieder im alten Glanz erstrahlen. Auch für Straßenränder, Parks, Renaturierungen an Bächen oder anderen Ökopunktemaßnahmen bietet sich das vergleichsweise einfache Verfahren der Mahdgutübertragung von gesunden Spenderflächen auf zu renaturierende Flächen an.

Bundesnaturschutzgesetz

Ein Spezialfall sei das Woogtal, so Dr. Nawrath, denn dieses liege im Außenbereich und unterliege damit dem Bundesnaturschutzgesetz. Nach diesem ist es verboten, wild lebende Pflanzen zu entnehmen oder zu zerstören – das wäre die falsche Pflege – oder gar ortsfremde Pflanzen auszubringen.

Unter ortsfremde Pflanzen fällt aber auch sämtliches Zuchtsortensaatgut, so z.B. Sportrasen oder Schattenrasen. Diese Saatmischungen enthalten extrem aggressive Sorten, die alle andern Pflanzen verdrängen. Eine davon ist das Deutsche Weidelgras, das ebenso wie das Jakobs-Greiskraut für Vergiftungen bei Pferden verantwortlich gemacht wird. Überhaupt empfiehlt Dr. Nawrath, auf die herkömmliche Mulchmahd – das Gras wird dabei klein gehäckselt – zu verzichten: Dabei wird nicht nur der Boden überdüngt, auch sämtliche Insekten, Bienen und Schmetterlinge werden getötet und damit der Nahrungskette ein deutlicher Schaden zugefügt. Lachen Sie an dieser Stelle nicht, liebe Leser, denken Sie nicht nur an gebratene Tauben – wenn die Bienen nicht mehr fliegen, gibt es auch kein Obst mehr zum Nachtisch!

Stadt engagiert sich

Erfreulich ist, dass auch die Stadtverwaltung sich bemüht, ihren Teil zum Artenschutz beizutragen. Gabriela Terhorst – als Magistratsmitglied Dezernentin für Grünpflege – verweist dazu auf einen in diesem Frühjahr umgepflügten Streifen in der Wiese rechts neben dem Kurbad, der gerade wieder zuwächst. Dabei handelt es sich um eine vorbereitende Maßnahme für ein im Herbst beginnendes Projekt der Kommune, auf der Fläche eine solche Blühwiese anzulegen. Es waren dabei freilich schon im Vorfeld einige Schwierigkeiten zu bewältigen, so galt es unter anderem, eine passende Bodenfräse zu beschaffen, die sich sogar noch im Eigentum der Stadt fand und nun wieder genutzt werden kann. Mit Hilfe eines hiesigen Landwirts, der Mähen, das Schnittgut abholen und verfüttern wird, kann nun die Fläche neben dem Kurbad wieder richtig gepflegt werden. Und nicht nur das: Die Wiese erhält eine richtige Kur, sie soll „abmagern“ – ein Begriff, der von den Schmetterlingskundlern des Vereins Apollo stets im direkten Zusammenhang mit der Anwesenheit vieler Flatterlinge benutzt wird.

Wiesen bitte in Ruhe lassen

In diesem Zusammenhang bittet der BUND alle Hundehalter, ihre Lieblinge nicht in die höher wachsenden Wiesen laufen zu lassen! Die Gelege der dadurch aufgescheuchten Bodenbrüter, z.B. Lerchen, viele Ammernarten und Rebhühner, kühlen aus und sterben ab! Ein Hund kann dadurch ungewollt die Brut eines halben Jahres zerstören. Außerdem macht Hundekot das Gras für Kühe und Schafe ungenießbar. Wird jedoch das Gras unbenutzbar, findet sich kein Bauer mehr, der es mähen will. Und ohne richtige Mahd denaturieren die Wiesen und mit ihnen sterben die Insekten und ...siehe oben.

Die Idee zu dem Projekt stammt vom BUND, der dabei die Stadtkasse vermutlich um eine vierstellige Summe entlasten wird, indem er die Finanzierung des Saatguts übernimmt. Wenn sich die Wiese zufriedenstellend entwickelt, hoffen die Beteiligten, dass auch die Wiesen im Woogtal eine ähnliche Behandlung erfahren können.

Abschließend noch ein Tipp von der Redaktion aus eigener Erfahrung: Lassen Sie doch beim Rasenmähen versuchsweise einfach ein paar Wiesen-Inseln stehen, vorzugsweise an Stellen mit vorhandenen Blühpflanzen. Es lässt sich nicht in wenigen Jahren eine Veränderung der Pflanzenzusammensetzung mit eigenen Augen feststellen, sondern die hohen Bereiche sind auch ein pfiffiges Gestaltungsmittel, gerade für größere Rasenflächen.



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