Stimmig, ansteckend, spitze – Oscar für die Plaschi-Regisseure

Ja, wo bleiben sie denn, die Helden und Filmstars? Die Plaschi-Smartys sind ein wunderbares Beispiel für die Vereinsausrichtung „Jugend vor!“ Foto: Puck

Königstein/Falkenstein (pu) – Kaum hat das Jahr 2020 an Fahrt gewonnen, erlebte die Burgenstadt am Samstagabend als erstes herausragendes Ereignis eine geradezu filmreife Nacht. Mobilisiert von dem sich im Vorfeld tagelang hartnäckig haltenden Gerücht, Brad Pitt persönlich & Co würden direkt aus Los Angeles kommend für ein paar Stunden auf dem dort ausgelegten roten Teppich erwartet, pilgerte alles, was Rang und Namen hat, Richtung Himbeer-Hill. Allen prompt aufkommenden Spekulationen zum Trotz, der im Falkensteiner Elternhaus aufgewachsene Filmkomponist und Oscar-Preisträger Hans Zimmer hätte womöglich seine Hände dabei im Spiel, hatte klammheimlich ein einheimischer Verein die Regiefäden gezogen und das aus den Nähten platzende Bürgerhaus in Anlehnung seines Namens kurzerhand in „Plaschiwood“ umgetauft.

Multitaskingtalente

Augenscheinlich in allen Belangen eine goldrichtige Entscheidung. Die letzten Straßenkehrer waren gerade von der Bühne verschwunden, tanzten schon sämtliche Puppen, darunter Mary Poppins, Tschaikowskys „Schwanensee“-Ballerinas oder die heißen Ladys vom „Moulin Rouge“. Ein Auftakt nach Maß, dementsprechend strahlte Ela van der Heijden, die an diesem Abend ein wahres Mammutprogramm mit Charme und viel Humor stemmte. Im Hauptjob Moderatorin, führte sie kurzweilig durch das Programm des Königsteiner Narrenclub 1971/79 „Die Plasterschisser“, kurz „die Plaschis“, warf sich zur Überraschung des Narrenvolks als „1.000-fach-Umzieherin“ oscarreif in andere Klamotten oder stand ihre Frau als Tänzerin oder Büttenrednerin. Hut ab!

Nach ihren Worten „haben wir für diese hollywoodreife Eröffnungs-Show unter der Choreografie von Helen Dawson alles an Aktiven mobilisiert, was tanzen kann oder zumindest nicht über die Schnürsenkel stolpert, es hat uns viel Blut und Schweiß gekostet!“ Lang anhaltender Applaus war verdienter Lohn für diese Anstrengungen, schon wechselte die Szenerie zu kleinen Prinzessinnen im Wald. Getreu der Maxime, dazu ist es nie zu früh, begaben sie sich auf die Suche nach ihren Superhelden – „I need a hero!“ Herzerwärmend und mit viel Liebe zum Detail umgesetzte Darbietung. Die 20-köpfigen Plaschi-Smartys mussten einige Abenteuer überstehen, bis sie fündig geworden, fröhlich trällerten „Heut ist so ein schöner Tag!“ Zu ganz anderen Zielen entführte Stimmungssängerin Bettina Kirsten auf ihrer Route von Spider Murphy Gangs „Schickeria“ über „Im Schatten des Doms“ zu „Komm sei kein Narr, es ist die 5. Jahreszeit.“

Klimawandel und allerlei Getier

Den Klimawandel vor Augen holte Protokoller Rolf Krönke in seinem 49. Vortrag das närrische Volk schonungslos wieder auf den Boden der Tatsachen zurück. „Herzlich willkommen auf dem sinkenden Schiff!“ Den Plänen, den Weiher im Woogtal wieder mit Wasser aufzufüllen, erteilte er eine deutliche Absage: „Lasst diese Zicken, denn sonst sind sie schnell da, die chinesischen Mücken!“ Seiner Einschätzung nach mitnichten die einzige Tiergattung, die dort bald zusätzlich heimisch werden könnte, sein Favorit sind Krokodile und Gottesanbeterinnen. Letztgenannte könnten Manfred Colloseus gar zu Wallfahrten ins Woogtal inspirieren.

Mit Blick auf das Blühwiesen-Idyll an der B 8: „Da summen die Bienen, Ameisen krabbeln, Eichhörnchen springen, am Kurbad die Feldhamster rammeln und der Reiner Kowald freut sich, ist selig vor Glück, die Wasserflöhe sind wieder zurück!“ Bioversität hin oder her, unter einem tragfähigen Konzept für das Kurbad hat der Lokalhistoriker sich jedoch offenbar etwas anderes vorgestellt. Gleiches gilt für den Radweg an der Frankfurter Straße, der nicht nur seiner Meinung nach zu schmal ist. Der Protokoller orakelte, der Bürgermeister tüftele jedoch bereits an einer pragmatischen Lösung: „Die Radfahrer werden alle ins Rathaus bestellt, dann wird von der linken Seite der Lenker entfernt, so stellt man ganz einfach den angemessenen Abstand zu den Autofahrern wieder her!“ Daraus resultierend könne man praktischweise die linke Hand auch für Wichtigeres benutzen, wie beispielsweise zum Telefonieren.

Schönwetter-Stadtpolizei

Als nächstes bekam das Ordnungsamt sein Fett ab für zwei Parkplätze in der Hauptstraße, die sich die Beamten für ihre Dienstfahrzeuge unter den Nagel gerissen hätten. „Das ist die neue Wetterstation“, klärte er spitzzüngig das Volk auf und lieferte Details zu Gepflogenheiten der „Schönwetter-Stadtpolizei“:„Stehen zwei Autos drauf, hocken die oben im Büro und das Wetter wird schlecht, stehen den ganzen Tag keine Dienstfahrzeuge drauf, wird das Wetter schön…“

Schöner Wohnen

Richtig am Herzen liegt dem aufmerksamen Schreiber jedoch unbestritten die Zukunft des Woogtalweihers, drum setzte er noch einen drauf. „Man sollte Hausboote bauen, die würden sich lohnen, das wäre endlich mal günstiges Wohnen!“ Die Vorteile lägen auf der Hand: Die Grundsteuer entfalle, Grundwassersteuer wäre gemein, die Mülltonne könnte man in den Weiher entleeren, den Kanal sparen, weil man ins Wasser pinkeln könne, und als Einbruchsicherung wären die Krokodile geradezu prädestiniert: „Wohnideen sind eine Kunst!“ Damit war der Bogen geschlagen zu den Uhus, ebenso wie die brüte auch Bürgermeister Helm mit Seilbahn und Landesgartenschau etwas aus. Krönke setzte seinen Plan B dagegen: „Wir feiern einfach Burgfest und Christopher Street Day zusammen!“ Dann gäbe es allen voran für den Elferrat kein Halten mehr, der mit Stachelband-Halsbändern und Brustwarzen-Piercing eine Augenweide wäre.

Nach dieser für den einen oder anderen schweren Kost am Oscar-Abend zog es die Resi-Dancers in einer mitreißenden Show dann doch lieber von Plaschi- nach Hollywood, davon ließen sich Burgfräulein Sophia I. und ihr Hofstaat prompt anstecken, die im „Paradise of Caribbean“ und an die Burgfesttage anknüpfend nach Alvaro Solers Hit: „Sofia“ die Bühne rockten.

Neue Notfälle wie Schnapp-Atmung oder Zerrungen wurden danach glücklicherweise keine gemeldet, dennoch hatte „Schwester Naddel (Nadja Sya) von Station IV“ bei ihrer Büttenpremiere jede Menge zu tun – selbstredend der „Gattung Mann“. Dem einen bringt sie sein Abführmittel und prompt hat sie seine Hand im Kittel, der andere erhebt sein Klagelied, wenn er eine Spritze sieht. Als Krankenschwester haste was zu erzählen …

Hätte Mann mal besser nach Erfolgs-Rezepten der Plaschis gefragt, die boten Kreislaufanregung par exellance mit den neu formierten Plaschi-Dancing-Stars in neuen Kostümen, die in atemberaubender Manier über die Bretter fegten. Dem jüngsten Ordensträger in der Riege der „WoogBachWasserBaaBambeler“, Erstem Stadtrat Jörg Pöschl, oblag die ehrenvolle Aufgabe, „Wein“ als Absacker in die Pause zu servieren. Die Vorzüge des „super Getränks“ lägen auf der Hand: „Egal, wie viel sie davon trinken, Sie gelten nie als Säufer, sondern immer als Kenner! Drum seien Sie selbstbewusst, tun lässig und trinken Wein!“ Etwaige Fehleinschätzungen der Frauen rückte er ebenfalls gerade: „Wenn Ihr Mann vornübergebückt über der Kloschüssel sitzt, dann ist dem nicht schlecht, der tut den Wein genießen!“

Bevor jedoch zu viel ermattende Weinseligkeit aufkommen konnte, jagte die Jokus Garde Mainz-Kastel das Stimmungsbarometer der „La Bella notte“ in fieberverdächtige Rekordhöhen unter der Prämisse „Scheiß drauf, Fasching ist nur einmal im Jahr, olé, olé, schalalala …“ und die ersten tanzenden Filmpreisverleihungs-Gäste auf die Tische.

Weniger vom Fieberwahn geschüttelt, vielmehr vom „Tanzrausch“ des Castellum Mainz-Kastel in Bann gezogen, rückten einige im Elferrat rasch ihre Brillen zurecht, um ungetrübten Blick auf die in farbenfrohen Kostümen daherkommenden feschen Mädels und deren phänomenal verpackte Grippebehandlungsmethoden für erkrankte leidende Mannsbilder zu haben. Bei der rasanten Show fehlten weder überdimensionales Nasenspray noch Fieberzäpfchen, doch nachdem alle konventionellen Versuche dennoch nicht den erhofften Effekt hatten, geht‘s den Herren der Schöpfung, wen wundert‘s, nach ein paar gekippten Bier so „richtig gut“.

Nach diesen auswärtigen Gästen bewarben sich erneut Eigengewächse um den begehrten Oscar – das „Duo Gnadenlos“ (Ela van der Heijden und Nicole Hülsmann), das den Wahnsinn am Rande des roten Teppichs hautnah verfolgte. Im Geranienalter (Übergang von stehend zu hängend), in dem Frau ihrer Aussage nach keinen Applaus mehr erwarten kann, fällt auch die Abnahme von drei Kilo nicht mehr ins Gewicht: „Das ist so ähnlich, als ob beim Scheibenwischer des Lkw der Gummi abfällt …!“ Einmal in Fahrt gekommen, hagelte es weitere Komplimente: „Wenn du 20 Versuche machen musst, um ein Selfie zu machen, bist du wohl einfach hässlich!“ Göttlich auch die mehr als anschauliche Beschreibung, als das Paar in den Fünfzigern mitten in der Küche stehend mit ihrer Shaping Unterwäsche kämpft und der Ehemann kurzerhand die Schere aus der Schublade holt. „Da hab ich ganz schnell ‚Halt‘ geschrien, denn wir wissen doch alle, wie das aussieht, wenn man bei einer Nordmanntanne das Transportnetz aufschneidet …“.

Apropos Verpackung. Waren die Königstänzer in ihren knallroten Bankräuber-Overalls samt musikalischem Ohrwurm „Bella Ciao“ im Falkensteiner „Haus des Geldes“ bereits ein Hingucker, schnalzte das Publikum richtig mit der Zunge, als sie sich als Königstänzer in ihren schwarz-goldenen Kostümen entpuppten und mit ihrer großartigen Darbietung gefielen.

Den krönenden Schlusspunkt unter die tänzerischen Beiträge konnten allerdings konsequenterweise nur „Die Kronjuwelen“ setzen als Darth Vader (Der schwarze Lord) und seine Sturmtruppen (Stormtrooper). Angeführt von Vereinschef Daniel Georgi, mit Konfetti-Regen empfangen durch Burgfräulein Sophia I. und trainiert durch ihre schon bekannte Nachfolgerin Angelika Orzechowsky, feierte dieses sechsköpfige Männerballett frenetisch bejubelte Premiere. Dieser Auftritt machte eindeutig Lust auf ein Wiedersehen, wenn es am 6. Februar 2021 auf vielfachen Wunsch des närrischen Publikums heißt: „1001 Fastnacht – Magische Momente mit den Plaschis“.

Zum bunten diesjährigen Finale versammelten sich alle Aktiven nochmals auf der Filmpreis-Verleihungsbühne. Einhellige Meinung des Publikums: Das war ganz großes Kino, der Oscar für dieses stimmige Konzept, in dem von der Musik- und Kostümauswahl bis zur liebevollen Tischdekoration alles passte, selbst einzelne Auszeichnungen für das Publikum eingebunden waren, und ein späterer gemeinsamer Kinobesuch für alle beteiligten Akteure in den Kronberger Lichtspielen die Saison abschließt, geht eindeutig an die kreativen Plaschi-Regisseure!

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