Die Tafel Hochtaunus unterstützt Familien mit notwendigen Lebensmitteln

Bei der morgendlichen Anlieferung der Lebensmittel aus dem zentralen Verteildepot in Bad Homburg ist Teamarbeit gefragt: Stefanie Kluge,Andreas Langner, Gudrun Lingner und Bernd Grübel arbeiten Hand in Hand. Fotos: Scholl

Königstein (gs) – Bei einem Spaziergang durch Königstein freuen sich die Bürgerinnen, Bürger und Gäste der Stadt über ansprechend dekorierte Schaufenster, leuchtende Farben im herbstlich bepflanzten Kurpark und die Schönheit einer pittoresk anmutenden Altstadt. Die Aufenthaltsqualität in der Stadt ist hoch und dass Königstein mit seiner Zugehörigkeit zum Hochtaunuskreis zu einer der einkommensstärksten Landkreise in Deutschland gehört, ist ebenfalls weit über die Grenzen der Stadt hinaus bekannt – allerdings gilt dieser „Reichtum“ nicht für jede und jeden, denn wirtschaftliche Not macht auch vor Königstein nicht halt.

„Explodierende“ Lebenshaltungskosten

Nicht erst die jüngsten Preissteigerungen bei Gas und Strom oder die aktuelle Inflationsrate in Höhe von stolzen 10 Prozent lassen zahlreiche Menschen – auch in Königstein – verzweifeln und darüber nachdenken, ob die stark steigenden Kosten aus dem begrenzten Familienbudget zukünftig überhaupt noch zu stemmen sein werden. Menschen mit niedrigen Einkommen bekommen dabei die Preissteigerungen im Bereich der Lebensmittel ganz besonders zu spüren. Wo auch bisher schon jeder Cent mehrfach „umgedreht“ und jedes Sonderangebot genutzt wurde, bleibt kein finanzieller Spielraum mehr, um die gestiegenen Lebensmittel- und Lebenshaltungskosten abzufangen.

Um es plakativ auszudrücken: An der Stelle, wo der gut situierte Bürger sich über die gestiegenen Preise ärgert, geht es bei Menschen mit niedrigen Einkommen mittlerweile um die nackte Existenz. Wer darüber nachdenken muss, ob er lieber eine Tüte Milch oder doch ein kleines Paket Brot beim Discounter kauft, der denkt über Ananas oder frischen Salat gar nicht mehr nach! Darüber nachzudenken, ob diese – für manche – existenzbedrohende Situation selbstverschuldet oder durch äußere Einflussfaktoren ausgelöst wurde, ist müßig, denn es ändert an der Situation selbst nichts.

„Die Tafel“ unterstützt

Eine wichtige Anlaufstelle in solchen schwierigen Lebenssituationen ist für Königsteiner Bürgerinnen und Bürger „Die Tafel Hochtaunus“, die im I-Punkt in der hinteren Hauptstraße eine Ausgabestelle eingerichtet hat. Aktuell werden hier im 14-tägigen Rhythmus neunzehn Haushalte mit gespendeten Lebensmitteln versorgt – in nackten Zahlen sind dies 47 Personen, darunter 13 Kinder. Betreut wird die Ausgabestelle von acht ehrenamtlichen Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern, von denen fünf Mitglieder regelmäßig im Einsatz sind und drei Teammitglieder als Springer fungieren. Stefanie Kluge, selbst ehrenamtlich in der Lebensmittelausgabe engagiert, fühlt sich in „ihrem“ Team recht wohl. „In Königstein sind wir eine relativ junge Gruppe und ergänzen uns hervorragend“, berichtet sie zwischen Kisten und Tüten am Ausgabetag. Sie selbst ist seit zwei Jahren im Einsatz, ihre Teamkollegin Imke Böker betreut die Ausgabe seit sechs Jahren und Gudrun Lingner ist bereits seit 12 Jahren dabei – ein eingespieltes Team, das auch mit den geänderten Ausgabemodalitäten aufgrund der Coronapandemie keine Probleme hat.

Gepackte Tüten statt freier Auswahl

Konnten die Kunden in den Jahren vor der Pandemie frei aus dem Lebensmittelangebot und entsprechend der eigenen Bedürfnisse auswählen, ist dies aktuell nicht möglich. „Die Lebensmittel werden seit Pandemiebeginn für jeden einzelnen Haushalt namentlich in Kästen vorsortiert von den Fahrern angeliefert“, beschreibt Stefanie Kluge das Prozedere. In der Ausgabestelle erfolgt dann zunächst die Verpackung der vorsortierten Lebensmittel in Papiertüten. Separat angeliefert werden Kühlprodukte (Milchprodukte, Fleisch, Fisch, etc.) sowie Obst und Gemüse. Bei diesen Produkten erfolgt die Verteilung über das Ausgabeteam, das stets bemüht ist, die Bedürfnisse ihrer Kunden zu berücksichtigen. „Manche Kunden essen kein Schweinefleisch, andere sind laktoseintolerant. Diese speziellen Anforderungen gilt es zu beachten“, so Stefanie Kluge.

Entspannte Atmosphäre bei der Ausgabe

Sind alle Vorbereitungen getroffen, kann die Ausgabe beginnen. Jeder Haushalt hat eine Zeitvorgabe, innerhalb derer er die Lebensmittel abholen kann, um größere Personenansammlungen bei der Ausgabe zu verhindern. Das klappt auch ganz hervorragend – ist der eine oder andere manchmal auch etwas früher dran –, die Kunden warten geduldig, haben immer ein nettes Wort für die Ehrenamtlichen und wenn etwas Zeit bleibt, dann wird auch gerne ein wenig geplauscht. „Man kennt sich oft seit einigen Jahren und wir kennen viele der Geschichten, die die Menschen zu uns geführt haben“, so Stefanie Kluge. Königstein ist mit „nur“ 19 Haushalten eine kleine Ausgabestelle, bei der es sehr freundlich und teilweise familiär zugeht, was sowohl die Kunden, als auch die ehrenamtlichen Helferinnen zu schätzen wissen.

Bedürftigkeit muss nachgewiesen werden

Einfach ist der Weg zur „Tafel“ nicht. Aufgrund der begrenzten Lebensmittelspenden hat die Tafel Hochtaunus aktuell ihre Kapazitätsgrenze erreicht und alle Plätze sind belegt. Bevor die Aufnahme in die Warteliste erfolgt, muss eine Bedürftigkeitsprüfung erfolgen. Wer diese „Hürde“ gemeistert hat, muss oft lange warten, bis ein Platz bei der entsprechenden Ausgabestelle frei wird. Darüber hinaus sind die Lebensmittel nicht ganz kostenlos: Zwei Euro bezahlt jeder Haushalt bei Abholung der Lebensmittel. „Uns, aber auch den Kunden, ist es wichtig, dass die Waren bezahlt werden“, so Stefanie Kluge, denn damit werde auch der Eindruck vermieden, dass es sich um „Almosen“ handelt. Aufgrund der Aktion einer großen Handelskette erhält aktuell jeder Haushalt – zusätzlich zu den frischen Lebensmitteln – eine von den Supermarktkunden erworbene und anschließend gespendete Tüte mit haltbaren Lebensmitteln, was von den Helferinnen sehr begrüßt wird, denn lange haltbare Produkte wie z.B. Nudeln, Mehl, Kakao oder Reis haben einen hohen Warenumsatz und sind in den Spenden der Supermärkte meistens nicht vorhanden, da das Verfallsdatum eigentlich nie erreicht wird.

Unsichtbare Not

Die wirtschaftliche Not trifft auch Haushalte in den wohlhabenden Städten und Gemeinden – man sieht sie nur nicht. Bei einem Besuch in der Ausgabestelle der Tafel Königstein im Oktober waren zahlreiche Bürgerinnen und Bürger zugegen, die uns täglich in der Stadt begegnen und deren oft existenzielle Not wir nicht wahrnehmen. Familien mit kleinen Kindern, alleinstehende Senioren oder einfach der freundlich grüßende Mann auf dem Fahrrad – die Not hat viele Gesichter und man sollte die Augen nicht davor verschließen, dass die Menschen oft vollkommen unverschuldet in Not geraten sind oder eine Tätigkeit ausüben, die eben nicht hoch bezahlt wird. Sie gehören in die Mitte der Gesellschaft und es wäre eigentlich schöner, wenn eine Einrichtung wie die der Tafel in einem wohlhabenden Land wie Deutschland gar nicht notwendig wäre.

Ein eingespieltes Team mit gutem „Draht“ zu ihren Kunden: Gudrun Lingner, Imke Böker und Stefanie Kluge

Obst und Gemüse sind für die Kunden der Tafel im Supermarkt mittlerweile fast unerschwinglich geworden.

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