Wasser marsch! Wege zu den Königsteiner Lebensadern

Der Wasserfall auf dem Gelände der Klinik Amelung zerschneidet zurzeit noch den Reichenbach und stellt eine unüberwindbare Hürde für Fische da. Das soll im Rahmen des Programms „100 Wilde Bäche in Hessen“ geändert werden, informiert der Königsteiner Baufachbereichsleiter Gerd Böhmig (rechts) bei der Exkursion zu Bachläufen und Gewässern. Fotos: Schramm

Königstein (as) – Wer schon immer wissen wollte, wo der Neue Mühlbach, der Farnbach oder der im Königsteiner Stadtbild omnipräsente Reichenbach entspringen und münden und wo sie ihren Namen lassen müssen, der ist bei Gerd Böhmig an der richtigen Adresse. Der Baufachbereichsleiter der Stadt Königstein ist seit seinem Dienstantritt vor 32 Jahren für die Bachläufe auf Königsteiner Gemarkung zuständig und somit ein profunder Kenner des Elements Wasser und all seiner Wege – und wenn es an den geheimnisvollen Höhenbach geht, kommt der gelernte Gärtner und Landschaftsplaner geradezu ins Schwärmen.

Im wahrsten Sinne eintauchen in die Thematik Gewässer und Bachläufe in Königstein kann man bei einer Exkursion der Königsteiner Kur- und Stadtinformation, die Gerd Böhmig leitet und bei der auch Kenner wie der Königsteiner Vereinsringchef Kurt Nachtsheim oder der städtische Wanderführer Christian Bandy, die sich der zehnköpfigen Gruppe angeschlossen haben, noch Neues erfahren. Die zweite Führung der Saison findet am kommenden Dienstag, 13. August, statt (s. Hinweis Textende).

„Das Kurbad ist mit Abstand unser größter Wasserverbraucher“, steigt Gerd Böhmig ins Thema ein, ohne mit nackten Zahlen seine Zuhörer verschrecken zu wollen. Vielmehr geht der Blick in die Zukunft. In dem Bundesprogramm „Anpassung urbaner und ländlicher Räume an den Klimawandel“ hat Königstein Ende 2023 auch deshalb eine Förderung von fast fünf Millionen Euro bewilligt bekommen, weil eine Zisternenanlage geplant ist, über die aufbereitetes und „fast chlorfreies“ Wasser aus dem Rückspülbecken des Schwimmbades in die Stadtmitte geleitet wird, um dort die Konrad-Adenauer-Anlage und den Kurpark zu bewässern. Überschüssiges Wasser wird dabei wieder dem Rohrsystem des Höhenbachs zugeführt, anstatt in der Kanalisation und in der Kläranlage zu enden. Ein wichtiger Baustein für die Stadt im Sinne der Wassereinsparung.

Ja, Königstein ist eine wasserarme Region; deshalb braucht es auch solche Maßnahmen und die natürlichen, zum Teil künstlich gelenkten Wasserläufe, die Thema der Exkursion sind. Denn die meisten Niederschläge gehen am Westhang des Taunus ab. Von Starkregenereignissen bleibt die Burgstadt meistens verschont. Grundsätzlich habe Königstein auch in Zeiten des Klimawandels aber kein Wasserproblem, sagt Böhmig später. Wenn es in trockenen Sommern zu Trinkwasserknappheit kommt, dann liege das mehr am problematischen Verbraucherverhalten – Stichworte: Rollrasen und private Pools.

Fundstelle am Kurbad

Vom Startpunkt sind es auf dem Pflasterweg entlang des Kurbades nur wenige Meter bergauf zum historischen Verlauf des Höhenbachs – eine Wölbung im Pflaster zeigt die noch vorhandene Verrohrung an. Spätestens seit dem 14. Jahrhundert wurde der Höhenbach als künstliche Abzweigung des Reichenbachs so geschickt mit geringem Gefälle in den Hang gelegt, dass die Altstadt und die heutige Frankfurter Straße mit Wasser versorgt werden konnten, andernfalls hätte sich Königstein mehr in der Tallage des Woogtals gründen müssen. Mittlerweile führt dieser Bereich des Höhenbachs aber kein Wasser mehr, wird bei starkem Regen vielleicht mal zum Feuchtbiotop.

Das ändert sich, als die Gruppe auf dem Klärchenweg rund hundert Meter in Richtung Falkenstein spaziert. Es beginnt im Graben zu plätschern, auf Höhe des Majer-Leonhard-Denkmals beschreibt der Höhenbach eine 90- Grad-Kurve und fließt zu Tal, um unterirdisch den Kurbad-Parkplatz und die B8 zu kreuzen. Er wird später wieder auftauchen. Zunächst geht es weiter am Hang entlang, das Gelände der Klinik Dr. Amelung wird gequert. „Wir folgen hier dem historischen Verlauf des Höhenbachs, aber gespeist wird er vom Wasser des Neuen Mühlbachs“, informiert Böhmig, der dann über den Mühlweg – die für Fußgänger und Radfahrer nutzbare direkte Verbindung von Königstein nach Falkenstein – hinüberführt zu einem ganz besonderen, versteckten Ort. Er liegt auf einem Privatgrundstück, zu dem Böhmig für diese Exkursion ausnahmsweise Zutritt bekommt. Im hinteren Teil des Gartens ist ein Holzbrett als Querungshilfe über eine unscheinbare, fast eingewachsene Abzweigung gelegt. Genau hier befindet sich die Abzweigung des Höhenbachs vom Neuen Mühlbach, der vom Ellerhang herunterführt. Etwas oberhalb am Hang standen die Obermühle und die Untermühle, die einst das Wasser des Mühlbachs nutzten, deren überschüssiges Wasser aber immer in den Höhenbach geleitet wurde, um die Stadt versorgen zu können.

Gespeist werden beide Bäche im Übrigen vom Reichenbach, dem wichtigsten Königsteiner Wasserlauf. Die alte historische Ableitung des Höhenbachs vom Reichenbach wäre von dieser Stelle nur noch rund 50 Meter entfernt, doch ein Zaun versperrt den Weg zu einem weiteren Privatgrundstück. Der Reichenbach selbst tritt im Übrigen rund 150 Meter unterhalb des Kleinen Feldbergs an mehreren Stellen aus dem Boden und führt durch das schöne Reichenbachtal mit seinem Forellenweiher gen Tal. Gerd Böhmig kennt natürlich auch hier die genauen Stellen – vielleicht mal ein Anlass einer anderen Exkursion? Jetzt geht es aber für die Gruppe hinab zur Altkönigstraße und zum Reichenbach, der als Königsteiner Lebensader schon deutlich geräuschvoller und breiter auftritt.

Nächste Station: Im Park der Klinik Amelung fließt der Reichenbach durch einen Teich mit Springbrunnen und fällt dann rund einen Meter senkrecht nach unten. Schön anzusehen, „aber nicht gewollt“, stellt Böhmig klar. Denn dieser Wasserfall hat einen Zerschneidungseffekt, ist eine unüberwindbare Stufe für Fische wie die Regenbogen- und die Bachforelle, die im Reichenbach leben, ebenso wie für unbekanntere Spezies wie der Bachflohkrebs oder die Köcherfliegenlarve. Da der Liederbach und seine Oberläufe zum Landesprogramm „100 Wilde Bäche in Hessen“ gehören, soll er von der Quelle bis zur Mündung in den nächsten Jahren wieder durchgängig werden für alle Bachbewohner. Das bedeutet, dass der Teich als sogenannter Nebenschluss des Reichenbachs abgeleitet werden muss und der Hauptschluss mit kleinen, für Tiere überwindbaren Stufen am Teich vorbeigeführt wird – so wie beim großen Weiher im unteren Woogtal bereits geschehen. Eine Einigung mit der Klinik Amelung sollte kein Problem sein, denn die Klinik muss für einen geplanten Neubau samt Flächenversiegelung ohnehin Biotopwertpunkte sammeln, plaudert Böhmig ein wenig aus dem Nähkästchen. Die Planung für die Umleitung des Reichenbachs soll im nächsten Jahr in Auftrag gehen, so der Baubereichsleiter. 2026 könnte ein weiteres Mal in die Wegführung eines Königsteiner Wasserlaufs eingegriffen werden – dieses Mal zum Wohl der Tierwelt, wovon aber durchaus auch der Mensch profitiert.

Etwas abseits der Kreuzung der Altkönigstraße mit der B8 ist ein weiterer interessanter Punkt erreicht: Der Reichenbach geht in die Verrohrung, unter der Straße wird zudem der von der Speckwiese nördlich des Tilmannswegs kommende Farnbach zugeführt, um auf der anderen Seite in der Limburger Straße in einer großen Öffnung wieder sichtbar zu werden. Im sogenannten Trog, der bei der Neugestaltung der Limburger Straße vor rund 25 Jahren freigelegt wurde, ist sogar noch die mittelalterliche Brücke, auf der einst die Menschen mit ihren Fuhrwerken den Reichenbach querten.

Auf dem Weg in die nahe Fassbender-Anlage fließt der Reichenbach dann wieder weitgehend überirdisch durch enge Kanäle, die gefährlich nahe an den Häusern liegen, doch ein Hochwasserproblem hat es hier noch nie gegeben, sagt Böhmig, dessen Wissen noch weiter zurückreicht als seine Dienstzeit. Am Rechen kurz vor der nächsten Verrohrung am Übergang zur Herzog-Adolph-Straße verdeutlicht der 62-Jährige dann die Wassermengen, die das Wasserrohr hier aufnehmen muss. Sind es bei einer normalen Wetterlage 20 bis 30 Liter, schießen hier bei Starkregen bis zu 7.000 Liter in der Sekunde durch. Ein großes Hochwasser hat es hier vor Jahrzehnten gegeben, bei dem der Hof der St. Angela-Schule überschwemmt wurde und im Keller sogar eine Schwester ertrank. Ja, Wasser kann gefährlich sein – umso wichtiger, dass man die Gefahren zu kontrollieren lernt. Dazu zählen die Rechen, die regelmäßig vom angespülten Unrat befreit werden, damit die Kanalisation frei bleibt, und vor allem das große Regenrückhaltebecken, das sich unter der Herzog-Adolph-Straße befindet. Kritisch werde es in Sachen Starkregen in Königstein nur, wenn das Wetter aus dem Liederbachtal kommt, „wenn es hinter der Burg schwarz wird“, so die Beobachtung des Altkönigsteiners Kurt Nachtsheim.

Spurensuche in der Altstadt

Wer jetzt glaubt, dass man den Königsteiner Gewässern nur noch durch das Woogtal – wo der Reichenbach seinen Namen kurz in Woogbach ändert – folgen muss, der hat die Rechnung ohne den Höhenbach gemacht. Und so führt Böhmig die Gruppe wieder bergauf zum Platz vor dem Alten Rathaus. Wir erinnern uns: Der historische Höhenbach führte einst über die heutige Le-Cannet-Rocheville-Straße und den Ellasprudel in die Hauptstraße. Dort wurde er getrennt in einen Oberlauf für das Frischwasser und einen Unterlauf für das Dreckwasser, das durch einige Gerbereien diese Bezeichnung auch verdiente. Der Höhenbach verlief dann unter einigen Gebäuden der Woogtalstraße hindurch und kam an der Ecke Haintürchenstraße wieder ans Tageslicht (wie unsere historische Aufnahme zeigt). Heute hört die Gruppe noch ein kleines Wasserrauschen im Kanal, das beweist, dass das Kanalsystem noch intakt ist. Jetzt ist es aber nicht mehr das Wasser des Höhenbachs, sondern Oberflächenwasser und Wasser aus Drainagen, das hier durchfließt. Historisch fiel der künstlich abgezweigte Höhenbach steil hinab ins Woogtal, um sich wieder mit dem Reichenbach/Woogbach zu vereinigen – etwa an der Stelle nahe des alten Ursulinenklosters, wo der Bach zwei, immer wieder hochwasseranfällige 90-Grad-Kurven vollzieht – eine weitere Stelle, die in den kommenden Jahren baulich angepasst werden soll, um dem Wasser mehr Platz zu geben.

Das Woogtal ist rund 800 Meter lang und endet an der Holzbrücke unweit der Bahnunterführung. Wer über diese Brücke geht, der überquert bereits den Liederbach, seit rund zehn Metern heißt er so. Denn der Blick nach rechts zeigt deutlich den Zusammenfluss des Rombachs – der von der Billtalhöhe kommt und sicher auch so einige Bachgeschichten schreibt – mit dem von rechts mündenden Reichenbach. Diesen letzten Abstecher spart sich die Gruppe an diesem Tag, der dunkle Himmel droht weiteres Wasser an, dieses Mal aber von oben.

Hinweis: Der zweite, gut zweistündige Abendspaziergang mit Gerd Böhmig findet am Dienstag, 13. August, statt. Treffpunkt ist um 18 Uhr am Kurbad, eine Anmeldung ist nicht erforderlich. Der Unkostenbeitrag ist 5 Euro, mit Kurkarte 2,50 Euro.

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