Königstein (as) – Das St. Josef Krankenhaus in Königstein ist jetzt Teil eines exklusiven Kreises von Einrichtungen weltweit. Als 241. Haus, als sechstes in Deutschland und als erstes in Hessen hat das Krankenhaus erfolgreich die Zertifizierung als demenzsensibles Krankenhaus nach dem renommierten Silviahemmet-Modell durchlaufen. „Silviahemmet“ ist schwedisch und heißt auf Deutsch „Silvias Heim“. Gegründet wurde die Stiftung 1996 von Königin Silvia von Schweden, deren Mutter selbst an Demenz erkrankt war, zu einer Zeit, als es noch wenige Hilfsangebote für Betroffene gab. Ziel der gemeinnützigen Stiftung ist es, durch Bildungsangebote und Initiativen das Wissen über Demenzerkrankungen zu verbreiten und die Lebensqualität betroffener Menschen nachhaltig zu verbessern. In Stockholm betreibt Silviahemmet unter anderem eine Tagespflegeeinrichtung in Drottningholm.
Der an Demenz erkrankte Patient steht in diesem Konzept im Zentrum, mit seinem ganzen Umfeld als unterstützendes Team, deswegen haben auch alle Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter des St. Josefs Krankenhauses von Chefarzt Stefan Nels bis zur Reiningungskraft die Schulung durchlaufen. Der Grundgedanke von „Silviahemmet“ ist es, die Perspektive des erkrankten Menschen einzunehmen und auf diese Weise seine Bedürfnisse und Reaktionen zu verstehen. Der Erkrankte lehrt also sein Umfeld.
Am vergangenen Mittwoch wurden bei einer von zahlreichen Repräsentanten aus Kreis und Stadt begleiteten Feierstunde im Krankenhaus über dem Woogtal die Zertifizierungsurkunden von den Silviahemmet-Verterinnen, der aus Schweden per Bahn in 13 Stunden angereisten Ulrika Granér sowie von Dr. Ursula Sottong, die in den vergangenen Monaten die Schulungen der Mitarbeiter geleitet hatte, übergeben. „Wir haben eine inspirierende Zeit mit ihnen gehabt“, sagte Eckard Steffin, Geschäftsführer des St. Josef Krankenhaus an die Adresse von Dr. Sottong – und an seine Mitarbeiter: „Mit dem heutigen Tag beginnen wir mit der Umsetzung.“ Dieser Satz sorgte für großen Jubel in der Belegschaft – die Begeisterung für das Silviahemmet-Modell war bei der Feier mehrmals deutlich hörbar.
Die Notwendigkeit, das Krankheitsbild Demenz in den Fokus der Patientenbetreuung zu stellen, hatte Dr. Julia Hefty, die Geschäftsführerin der Hochtaunuskliniken, herausgestellt. Denn die Fallzahlen und die Zahl der Neuerkrankungen – 2024 waren es allein in Deutschland 445.000 Menschen über 65 Jahre – nehmen zu. Zehn Prozent der Patienten der Hochtaunuskliniken hätten mit demenziellen Erkrankungen zu tun, so Hefty – in St. Josef, das als Klinik für Geriatrie den Fokus auf die Behandlung älterer Menschen setzt, habe sogar jeder dritte Patient Demenz zumindest als Nebendiagnose. „Wir haben nach einer Zertifizierung gesucht, sind aber in Deutschland nicht fündig geworden“, berichtete Hefty. Allerdings habe man in Niedersachsen und Brandenburg Klinken gefunden, die nach dem Silviahemmet-Modell arbeiten und so den Kontakt nach Schweden aufnehmen können – mit Erfolg. Im weiteren Prozess sollen alle rund 1.700 Mitarbeitenden des Konzerns nach der Methode geschult werden, berichtete die Geschäftsführerin von dem weiteren Prozess. Bis es so weit ist, hat das St.-Josefs-Krankenhaus dieses Alleinstellungsmerkmal exklusiv für sich und unterstreicht das hohe Engagement des Hauses für eine exzellente, personenzentrierte Pflege.
„Auch ein kleines Krankenhaus hat seine Berechtigung. Wir machen hier passgenaue Angebote, allein Größe macht keine Gesundheit“, würdigte Landrat und Vorsitzender des Aufsichtsrats der Hochtaunuskliniken, Ulrich Krebs, in seinem Grußwort das Engagement und die Bereitschaft des gesamten Teams, sich den anspruchsvollen Prüfungen zu stellen – die von allen bestanden wurden. Auch Königsteins Bürgermeisterin Beatrice Schenk-Motzko würdigte den „unglaublichen Einsatz aller und die Kultur des Miteinanders“, um diesen „Meilenstein“ erreicht zu haben: „Das Modell gibt auch eine ,Haltung‘ an die Hand, die die Menschlichkeit in den Mittelpunkt stellt“, so Schenk-Motzko. Und ihr Vorgänger Leonhard Helm, der Vorsitzende des Fördervereins des Krankenhauses ist und persönlich viel Pflegeerfahrung hat, ergänzte erfreut: „Die Zertifizierung ist eine fantastische Idee, es ist wichtig, das Haus in seiner menschlichen Dimension zu unterstützen. Silvias Heim soll auch ein Heim für die Patienten hier sein!“
Umfassende Schulung
Ende März war es so weit: Alle Mitarbeitenden des St.-Josef-Krankenhauses – von den Pflegekräften über die Kolleginnen und Kollegen aus Service, Technik und Empfang bis hin zur Klinikleitung – wurden erfolgreich nach den Grundsätzen des Silviahemmet-Modells geschult. Insgesamt durchliefen rund 70 Mitarbeitende in fünf Lehrgängen die Ausbildung, darunter auch Mitarbeitende der Hochtaunus-Klinik in Bad Homburg. Die Prüfungen wurden von allen Teilnehmenden mit Erfolg abgeschlossen.
„Die Zertifizierung ist ein großer Schritt nach vorn“, so Eckhard Steffin. Gleichzeitig betonte er, dass die Umsetzung der vielen entwickelten Ideen eine kontinuierliche Aufgabe bleibe. Diese Ideen werden in interdisziplinären Arbeitsgruppen stetig weiterentwickelt – oft reichen bereits Kreativität und Engagement, um Verbesserungen zu realisieren. Regelmäßige Fortbildungen und der Zugang zu neuesten wissenschaftlichen Erkenntnissen im Bereich Demenz sind darüber hinaus Bestandteil der Verpflichtung zur kontinuierlichen Qualitätsentwicklung.
Die vier Säulen des Modells
Künftig wird die tägliche Arbeit im St.-Josef-Krankenhaus von den vier Säulen der Silviahemmet-Philosophie geprägt:
1. Teamarbeit: Enge, interdisziplinäre Zusammenarbeit aller an der Versorgung Beteiligten
2. Angehörigenarbeit: Einbindung und Unterstützung der Angehörigen als wichtiger Teil der Betreuung
3. Kommunikation und Begegnung: Wertschätzende, personenzentrierte Kommunikation auf Augenhöhe
4. Symptomkontrolle: Aktive Linderung von Beschwerden und Förderung der Lebensqualität
Ein zentraler Aspekt der neuen Pflegephilosophie ist die konsequente Personenzentrierung: Die individuellen Bedürfnisse, Wünsche und Gefühle der Menschen mit Demenz stehen im Mittelpunkt des Handelns. Unter dem Konzept der Bezugspflege übernehmen feste Ansprechpartnerinnen und Ansprechpartner die Betreuung, bauen vertrauensvolle Beziehungen auf und sorgen für Kontinuität und Sicherheit. Die Methode der Validation trägt dazu bei, die Gefühlswelt und Bedürfnisse der Betroffenen zu respektieren und anzuerkennen.
Steffin fasst das Selbstverständnis der neuen Arbeitsweise prägnant zusammen: „Mache nie einen Menschen, wie Du selbst einer bist. Denke daran, Du bist als eigenständige Persönlichkeit mehr als genug.“
Milieutherapie und Aktivierung als Teil des Konzepts
Die Gestaltung der Umgebung spielt eine weitere Schlüsselrolle. Durch Maßnahmen der Milieutherapie – wie große, gut lesbare Beschilderungen oder angepasste Raumgestaltungen – wird ein sicheres und orientierungsförderndes Umfeld geschaffen. Zusätzlich fördern gezielte Angebote zur Beschäftigung und Aktivierung die kognitive und emotionale Teilhabe der Patientinnen und Patienten. „Es sind kleine Puzzleteilchen, die sich langsam zusammenfügen und die Erlebnisqualität der an Demenz erkrankten Patientinnen und Patienten im Krankenhaus verbessern“, erklärt Katharina Vesper, Referentin der Geschäftsführung der Hochtaunuskliniken.
Passend zu den Namen der Stationen des St. Josef Krankenhauses, die von A bis C nach Obstbäumen benannt sind, kann man das erste demenzsensible Krankenhaus Hessens mit einem kleinen Baum vergleichen, der langsam wächst und Früchte trägt, damit die erkrankten Patienten einen würdevollen und stabilisierenden Aufenthalt im Krankenhaus haben.