Ein Dorf, ein Traum: Mammolshainer Jubiläumskerb begeistert

„Richtig gut“: DJ Fade heizte den Besuchern am Freitagabend ein.Foto: Diehl

Mammolshain (nd/as) – Am vergangenen Wochenende wurde in Mammolshain die letzte Kerb des Jahres in der näheren Umgebung gefeiert. Und was für eine! Für die Mammolshainer war es eine ganz besondere Kerb, denn der Kerbeverein feierte sein 30-jähriges Bestehen, deshalb wurde das Ereignis auch von drei auf vier Tage ausgedehnt. Natürlich wurde aber auch schon vorher Kerb im Dorf gefeiert, Aufzeichnungen reichen bis ins Jahr 1756 zurück. Am 3. Oktober 1948 wurde die heutige katholische Kirche St. Michael in Mammolshain von Bischof Ferdinand Dirichs vom Limburg geweiht. Dieser Tag war der Sonntag nach dem Michaelistag am 29. September und so wird die Kerb, also die Kirchweih, auch heute in Mammolshain so gefeiert, dass der Kerbesonntag auf den Sonntag nach dem 3. Oktober fällt. Der Heilige Michael – auch als Erzengel Michael bezeichnet – ist im katholischen Glauben der Schutzpatron des deutschen Volkes, der Soldaten, der Kaufleute und vieles mehr … bestimmt auch der Kerbegesellschaften.

Stromausfall beim Baumstellen

Los ging es am Donnerstagnachmittag mit dem Aufstellen des Kerbebaums am Bornplatz in der Dorfmitte. Die fünfzehn Meter hohe Douglasie wurde am Vortag in der ehemaligen Schonung im Mammolshainer Wald gefällt. Gemeinsam stellten die zehn Kerbeborsch und -mädels mit den Altkerbeborsch den großen Nadelbaum mit Mannstärke – ohne die Zuhilfenahme technischer Mittel – auf. Zwei Meter tief im Boden versenkt, stand der Baum nun sicher für die Dauer der Kerb. Im Wipfel des Nadelbaumes thronte der Schlagges – die Puppe –, der über die Kerb wachte und dem das bedeutungsvolle, leicht abgewandelte Straßenschild „Apfelwein Schutzgebiet“ umgehängt worden war. In regelmäßigen Abständen kontrollierten die Kerbeborsch unter dem echten Schlagges, Anführer Finn Refflinghaus, und Jan Schneider, dass dieser noch im Baum saß und nicht von anderen Kerbegesellschaften geklaut wurde.

Eine Kuriosität erlebten die Zuschauer und die Kerbeborsch, denn während des Aufstellens kam es in Mammolshain um 16 Uhr zu einem Stromausfall. Aber auch ohne Musik und lautstarke Moderation sollte der Kraftakt gelingen.

Am Abend wurde dann der Kerbeauftakt, wieder mit Strom, in der Halle von Getränke Elzenheimer gefeiert. Für die musikalische Untermalung sorgte Alleinunterhalter Jörg Ratz, während die Altkerbeborsch den Dienst hinter der Theke übernahmen. Allerdings hatten scheinbar nicht alle Kerbegänger mitbekommen, dass in diesem Jahr schon am Donnerstag gefeiert wurde und so blieb der harte Kern unter sich. Oder man wollte die Kräfte für die kommenden Tage schonen …

Viel los schon am Freitag

Am Freitagabend wurde dann wieder in der Halle von Getränke Elzenheimer weitergefeiert. Seit zwanzig Jahren ist sie die Heimat der Kerb, nachdem die Turnhalle nach der Renovierung nicht mehr zur Verfügung stand. Ohne Ralf Elzenheimer wäre die Kerb in ihrer jetzigen Form wohl nicht möglich. Er stellt nicht nur seine Lagerhalle unentgeltlich zur Verfügung, die vom Kerbeverein und den befreundeten Vereinen wie dem OGV und der Feuerwehr noch eingerichtet werden muss, sondern stellt auch Strom und Wasser. „Es ist wirklich eine sehr gute Zusammenarbeit“, bestätigte Kerbeverein-Pressesprecher Martin Igges. Liebevoll wurde die Halle dann noch dekoriert. Ein riesiger Bembel hing von der Holzdecke und die Wände zierten die Kerbefahnen aus den vergangenen Jahren. Liebhaber von elektronischer Musik kamen an diesem Abend voll auf ihre Kosten. DJ Fade brachte die Besucher zum Hüpfen und die Tanzfläche bebte. „Er war wirklich richtig gut“, sagte Jan Schneider. Aufgrund von Auflagen der Unteren Immisionsschutzbehörde durfte dieses Jahr an allen Kerbeabenden nur bis 0 Uhr Musik gemacht werden. Bei vielen der insgesamt wohl über 200 Besuchern stieß das nicht auf viel Verständnis, schließlich ist die Mammolshainer Kerb eine Indoor-Kerb und schon eine Straße weiter ist nichts mehr von der Musik im Innenraum zu hören. Aber auch ohne Musik ging es für manche bis um 4 Uhr weiter, wie aus den Reihen der Kerbeborsch zu hören war.

Spannung beim Kerberennen

Egal ob früh im Bett oder nicht, am Samstag waren zur Mittagszeit alle wieder auf den Beinen. Um 12 Uhr war der Bornplatz bei strahlendem Sonnenschein bereits dicht bevölkert, warme Kartoffelsuppe mit Würstchen dampfte aus den Behältern und eine Mammolshainerin nach der anderen brachte Selbstgebackenes für die Kuchentheke. „Jeder, der was auf sich hält, ist heute hier“, war dann auch von einigen Ur-Mammolshainern zu vernehmen. Der Anlass war klar: das berühmte Kerberennen. Dabei geht es zwar nicht bierernst zu – auf der Kerb trinkt man ja schließlich Äppler –, es ist vielmehr eine große Gaudi, aber die Ehre steht schon auf dem Spiel.

Die Kerbeborsch denken sich jedes Jahr ein neues Thema für das Rennen und die Geschicklichkeitsprüfungen unterwegs aus. In diesem Jahr war es die Feuerwehr. „Wir wollen ein bisschen Werbung für die Feuerwehr machen und zeigen, wie wichtig sie ist. Vielleicht macht es den Kindern so viel Spaß mit der Kübelspritze, dass sie Lust bekommen“, sagte Finn Refflinhgaus. Und Sven Schneider erzählte, dass die Kerbekarre diesmal komplett neu gebaut wurde. Auf dem Sperrmüll sei er über ein Bollerwagengestell gestolpert, und da der Wagen ja so lang sein muss, dass ein Erwachsener als Passagier Platz findet, wurde im Internet gleich noch ein weiterer Bollerwagen organisiert und die beiden Teile zusammengeschraubt. Deswegen hatte die Kerbekarre auch sechs Räder und sah mit blauen Blinklichtern fast wie ein echtes Feuerwehrfahrzeug im Kleinformat aus.

Zunächst gingen die sechs gemeldeten Nachwuchsteams an den Start. Sie mussten nur die fünf alkoholfreien der sechs Stationen absolvieren und am Ende beim Leeren eines Glases auf „Ex“, womit die Stoppuhr angehalten wurde, gab es natürlich Apfelsaft statt -wein. Am schnellsten war schließlich das Team „Käsebrot“ in der Dreier-Besetzung Jonathan, Florian und Felix (der erst am Mittwoch die Drähte aus seinem gebrochen Arm entfernt bekommen hatte und auf die Zähne biss) in 2:10 Minuten vor dem ersten Team der Mammolshainer Jugendfeuerwehr (2:35), das allerdings wegen seines Wissensvorsprungs bei den zu schraubenden Schlauchkupplungen schwierigere Bilder nachbauen musste und auch einen 20 Meter langen C-Schlauch aufzurollen hatte, statt den halb so langen B-Schlauch.

Richtig spannend war der Ausgang beim Wettkampf der zehn Erwachsenenteams. Gleich mit Startnummer eins legen Alex Kilb und Jakob „Jupp“ Elzenheimer eine starke Zeit von 2:32 Minuten vor. Damit sahen sie wie die sicheren Sieger aus, ehe als letztes Team Marco Diana, der Kassierer des Kerbevereins, mit dem Neuenhainer Marcel Hellwig auf die Strecke ging. Ja, die Rivialität zwischen den Mammolshainer „Schnaken“ und den Neuenhainer „Geeleriewe“ ist wirklich Geschichte! Die Kerbegesellschaften verstehen sich bestens. Das Duo bewältigte die sechs Prüfungen in 2:20 Minuten, auch wenn bei Marcel etwas Haut auf der Strecke blieb. Die beiden hatten gar nicht geplant anzutreten, es war Marcos Frau Vivien mit ihren Überredungskünsten gewesen, die den Überraschungssieg überhaupt erst möglich gemacht hatte.

Auch dahinter wurde eine schöne Geschichte geschrieben. Es muss vor 20 Jahren gewesen sein, dass Sven Klein mit seinen Freunden Christoph Kammerer und Martin Fürst das Kerberennen für sich entschied. Diesmal war Sven mit seinem Sohn Julius am Start und auf Platz drei (2:41) gleich um Minuten schneller als seine Kumpels Christoph und Martin kurz danach, die aber trotzdem eine Riesenspaß hatten und sich im Ziel abklatschten.

Kerbeverein verjüngt sich weiter

Für Gewinner Marco Diana und Gattin Vivien gab es neben dem mit Getränkegutscheinen von – natürlich – Elzenheimer dotierten Sieg an diesem Tag eine zweite schöne Überraschung. Der Kerbeverein überreichte für den vor wenigen Wochen geborenen Sohn Matteo einen Teddybären mit Kerbepulli und Kerbeschnuller.

Für Nachwuchs ist also gesorgt, aber bereits jetzt verjüngt sich der Kerbeverein. Da hat er offenbar weniger Probleme als andere Vereine, der Vorstand hat sogar zehn Mitglieder. Der Vorsitzende Sven Vollrath kündigte jetzt nach sechs Jahren an der Vereinsspitze an, bei der nächsten Jahreshauptversammlung nur noch als Beisitzer zu kandidieren. „Wir wollen das Momentum nutzen, wenn die Jungs da sind, die dazu bereit sind.“ Gemeint sind der erst 21-jährige Finn Refflinghaus, bereits seit 2019 als Schlagges in der Verantwortung, und Jan Schneider, die vom Beisitz weiter nach vorne rücken werden im Vorstand.

Wichtig bleibe, so Vollrath, dass der Kerbeverein in der Mitte der Dorfgesellschaft bleibe. Immerhin richtet man mittlerweile auch den Adventsmarkt aus und unterstützt den Bienenkorb bei seinem Sommerfest. „Wir wollen das Dorfzusammensein weiter aktiv vermitteln“, sagte auch Finn Refflinghaus.

Vereine unterstüzen sich

Abends wurde dann wieder in der Elzenheimer-Halle gefeiert. Die beliebte Partyband „Krifteler 3stigkeit“ heizte mit Rock- und Pophits dem Publikum in der proppenvollen Halle ordentlich ein. Mehrere Polonaisen zogen durch den Raum, allen voran Finn Refflinghaus. Mitten auf der Tanzfläche wurden Kirmesbänke aufgestellt und zu dem Lied „Wir fahren mit dem Bob“ von der Band „Die Stieflziacha“ setzten sich die Feierwütigen auf die Bänke und taten so, als ob sie mit einem Bob fahren würden, indem sie nach links, rechts und nach vorne kippten. Eine riesengroße Gaudi für alle Beteiligten. In der Hütchenbar, die in einem Zelt der Freiwilligen Feuerwehr aufgebaut war, drängten die Besucher an die Theke, um sich Hochprozentiges zu gönnen. Auch der Heimatverein Mammolshain stellte eine Thekenmannschaft. An der Apfelweintheke, wo das Stöffche von der „Neuenhainer Apfelschmiede“ ausgeschenkt wurden, übernahmen am Samstagabend die Schneidhainer Kerbeborsch einen Dienst, denn die Mammolshainer hatten umgekehrt auf der Schneidhainer Kerb im Schankbereich geholfen. Statt sich den Schlagges zu klauen, unterstützt man sich lieber gegenseitig. „Die Kerbegemeinschaften hier im Kreis sind in den letzten Jahren stärker zusammengewachsen“, erklärte Sven Vollrath. Schließlich gilt es, eine gemeinsame Tradition zu erhalten. Bei bester Stimmung und guter Musik wurde gefeiert, getanzt und gelacht. „Die Kerb ist sehr gut, viele Besucher, der Äppler schmeckt und ich liebe die Kerb“, sprudelte Kerbeborsch Ben Reul.

Gottesdienst und Beerdigung

Am Sonntag hieß es dann nochmal früh aufstehen, denn zum Kerbegottesdienst um 9.30 Uhr in der Kirche St. Michael zu erscheinen, ist Ehrensache. Danach zog man gemeinsam durch das Dorf Richtung Kerbehalle zum Frühschoppen und Mittagessen. Es kamen nochmals mehr Leute als gedacht, so Marin Igges. Am letzten Tag hatte, wie in den Vorjahren, Stephan Gogl, Inhaber der Fisch Factory in Bad Soden, ehrenamtlich gekocht, wofür er mit einem Ehrenpreis der Kerbeborsch gewürdigt wurde. Es gab Schweinebraten mit Klößen und Rotkohl – ein Hauch Oktoberfest auf der Kerb. Und Jörg Ratz sorgte als Alleinunterhalter ein weiteres Mal für Stimmung. Doch irgendwann muss auch die schönste Jubiläumskerb zu Ende gehen: zunächst mit der amerikanischen Versteigerung des Kerbebaums, bei der Sven Vollrath – Zufall oder nicht – als Letzter in den Topf eingezahlt hatte und damit den Zuschlag erhielt. Dann wurde der Schlagges unter lautstarkem Wehklagen der Kerbeborsch und -mädels verbrannt und somit die Kerb beerdigt. Bis zum nächsten Jahr, wenn es wieder heißt: „Wem ist die Kerb?“ – Unser!

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