Kronberg (kb) – Die Waldkinder sowie zahlreiche ehemalige Waldkindergartenkinder und Eltern kamen letzte Woche in den Wald, um ihren grünen Bauwagen zu verabschieden. Am Montag wurde er von einer Entsorgungsfirma fachmännisch vor Ort zerlegt und abtransportiert.
„Gute Reise“, „Du hast uns immer begleitet“, „Mach’s gut“ oder „I love you“ schrieben die ehemaligen Waldkinder mit Fingerfarbe an den fast 50-jährigen Bauwagen und verewigten sich mit ihren Namen, während die Noch-Kindergartenkinder Bilder malten und an den Bauwagen hefteten. Auch die eine oder andere Erwachsenen- und Kinderträne floss dabei, steht doch der Bauwagen seit über 15 Jahren für den Kronberger Waldkindergarten.
„Es ist schon sehr emotional, wenn das Herzstück des Waldkindergartens aus Altersgründen abdanken muss“, sagt Barbara Kramer, Erzieherin der ersten Stunde des Waldkindergartens.
15 Jahre hat der Bauwagen seine Dienste für die Kronberger Wurzelkinder getan, nachdem er gebraucht für 1 Deutsche Mark beim Flohmarkt des Radiosenders FFH kurz nach der Gründung des Kindergartens erworben wurde. In der Zeit wurde er von fleißigen Eltern ausgebaut, mit Ofen, Bänken, Regalen, Licht und einem Treppenaufgang bestückt, und immer wieder geflickt, besonders am Dach. Das Aus kam letzten Winter, als ein Gutachter das bestätigte, was alle bereits vermuteten: der Bauwagen ist zu gefährlich und wird gesperrt, denn zu stark ist seine Schräglage bereits, er droht zu kippen, morsch ist das Holz und noch dazu von Ungeziefern fast vollständig zerfressen.
Dies bestätigte sich am Montag, als die Mitarbeiter der Entsorgungsfirma mit Spezialgerät anrückten und bei Betreten des Daches, dieses sich so sehr wölbte, als sei es aus Pappe. Der nächste Schnee hätte ein leichtes Spiel gehabt, um das Dach zum Einstürzen zu bringen. Die Kinder schauten stundenlang den Arbeiten zu, um dann dem vollständig auseinandergenommenen, in zwei Hälften geteilten und in Container und Pritsche liegenden Bauwagen ein Abschiedslied zu singen.
Der Platz bleibt allerdings nicht lange leer, denn schon in den kommenden Wochen wird der neue Bauwagen geliefert, der, durch Vermittlung von Bürgermeister Klaus Temmen, von der Lieselott und Klaus Rheinberger Stiftung erst ermöglicht wurde. „Ja, wir haben unsere tolle Blockhütte, die allerdings für das Mittagsessen und anschließende Betreuung benötigt wird. Dafür muss sie natürlich sauber und rein bleiben. Wir können unseren täglichen Morgenkreis und Abschlusskreis darin gar nicht abhalten, da die Kinder doch in Matschhosen und Stiefeln gekleidet sind und was den Grad des Matsches anbelangt- je nach Wetter- häufig nicht unähnlich den Wildschweinen sind!“ lacht Julia von Jussis, Vorsitzende des Waldkindergartens. Einmal in der Woche gibt es den Bauwagentag, an dem die Kinder am Bauwagen bleiben und dort -bei schlechtem oder kalten Wetter- häufig drinnen basteln, malen, schneiden, kleben, filzen, perlen aufziehen, töpfern und vieles mehr gestalten. Auch findet der wöchentliche auf Englisch abgehaltene Morgenkreis im Bauwagen statt, so wie das Vorschulprogramm für die Vorschulkinder. Allein schon aus praktischen und logistischen Gründen können die Kinder sich nicht dauernd an- und aus- bzw. umziehen an einem Tag. „Seit fast einem Jahr werden diese Aktivitäten alle im Freien abgehalten bei Wind und Wetter! Da hat sich ein überdachter Außenbereich der Blockhütte bewährt, die im Winter und bei Regen mit etwas zusätzlichem Plexiglas und einem vorübergehenden Wärmestrahler zu einem einigermaßen geschützten Platz umfunktioniert wurde. Sitzen sie 30 bis 60 Minuten draußen bei 0 Grad und weniger!“ schmunzeln Susanne Kühnemuth und Samantha Wynn, beide ehemalige Vorstandsvorsitzende des Waldkindergartens, die das „neue Bauwagenprojekt“ organisieren.
Trotz dieser Veränderungen soll natürlich der Geist des Kindergartens erhalten bleiben: die Verbundenheit mit der Natur, die individuelle Förderung der Kinder in einer inspirierenden natürlichen Umgebung, die begleitete Entfaltungsfreiheit und das soziale Mit- und Füreinander. Denn auch in diesem Jahr hat der Kindergarten wieder zwei Integrationskindern das nötige Umfeld bieten können, zur Unterstützung der persönlichen Entwicklung. Aber auch praktische Dinge spielen eine große Rolle, wie der Bauwagenaufgang, der von dem Großvater eines Waldkindes einst gebaut, und nun von fleißigen Eltern abmontiert wurde, um an den neuen Bauwagen wieder angebracht zu werden. Oder die Vorbereitungen und Planungen des neuen Bauwagens, die ebenfalls eigenständig von Eltern übernommen wurden, so wie vieles mehr.
„Insbesondere eine Elterninitiative wie der Waldkindergarten lebt von dem engen Zusammenspiel von Eltern, Erziehern, Kindern und natürlich auch den Behörden. Deshalb sind wir dankbar für diese Unterstützung, um den Kindergarten in dieser Form weiterleben zu lassen,“ sagt Julia von Jussis. Das steigende Interesse junger Eltern an dem Konzept Waldkindergarten gibt ihr Recht. Der neue Bauwagen wurde bereits letztes Wochenende mit nur einem Abend Vorlauf geliefert, zur Überraschung aller viel früher als avisiert. So blieb nicht viel Zeit, die Positionierung des Wagens vom anliefernden Tieflader zum Waldkindergarten zu planen. Dank des spontanen und professionellen Einsatzes von Klaus Rapp mitsamt seinem Traktor, konnte der neue Bauwagen mühevoll und nach bangen Minuten, in denen der Bauwagen vom Tieflader zu kippen drohte, fachmännisch in Position gebracht werden. Zahlreiche Waldkindergartenväter halfen mit, das minutiöse Manöver zum Erfolg zu bringen. In den kommenden Wochen wird das heiß ersehnte Stück offiziell von den Sponsoren, der Lieselott und Klaus Rheinberger Stiftung und der Dr. Ludwig Pfannemüller Stiftung, sowie Bürgermeister Klaus Temmen eingeweiht und eröffnet und kann anschließend von den Kindern und Erzieherinnen übernommen werden. Schon jetzt bedankt sich der Waldkindergarten bei allen Beteiligten, die diese Aktion möglich gemacht haben.