Debatte um optische Einfügung von Kleins Bauvorhaben ins Umfeld

Kronberg (pu) – Einen Aufhorchen lassenden Beleg dafür, wie schnell erst vor einigen Monaten durch die Lokalpolitik gefasste Beschlüsse von denselben handelnden Personen wieder infrage gestellt werden, lieferte der Tagesordnungspunkt „Beratung der Vorlage 5170/2018 – B-Plan Nr. 211 ‚Am Henker‘, 1. Änderung, Gemarkung Oberhöchstadt, Flur 17, Flurstücke Nr. 145/16, 15, 16/1, 17/2 und 20/19 sowie Flurstück 177/9“ im Zuge der jüngsten Sitzung des Ausschusses für Stadtentwicklung und Umwelt (ASU).

Das damit verbundene und im Fokus stehende Bauvorhaben der Familie Klein war an sich bereits im Februar 2017 im Bauausschuss beraten worden und die Notwendigkeit des Handlungsbedarfs nach Darlegung der Situation durch den anwesenden Harald Klein als Vertreter der Bauherren als auch
deren
Architekt Tobias Seeger von der E&P Klaus Eismann&Partner Planungs- und Bauleitungs GmbH
, der mittels Gebäude-Ansichten die Pläne vorstellte, erkannt worden.

Vorhaben

Kurz umrissen geht es d
er
mit ihrem Stammhaus im Ortskern in der Limburger Straße angesiedelte
n
Metzgerfamilie Klein
u
m den Fortbestand ihres seit 9
2
Jahren bestehenden Familienunternehmens und den damit verbundenen
langfristigen
Erhalt von aktuell 80 Arbeitsplätzen. Vordringlichster Auslöser für die Bauwünsche waren
den Vorhabenträgern zufolge
anhaltende Schwierigkeiten bei der Anwerbung neuen Personals aufgrund fehlender Verfügbarkeit bezahlbaren Wohnraums. Zum einen wird angesichts erreichter Kapazitätsgrenzen angestrebt, den Betrieb den steigenden Anforderungen an eine moderne Produktion Rechnung tragend zu erweitern, zum anderen ist die Errichtung von zwei Mehrfamilienhäusern mit circa 20 Wohnungen auf dem benachbarten, aktuell als Parkfläche genutzten, Grundstück zur Deckung des Bedarfs an Kleinwohnungen geplant. Dem Bauherren zufolge werden voraussichtlich allein zehn bis 15 Wohn-Einheiten für Mitarbeiter benötigt, die mit moderaten Mietkosten rechnen können. Zur Unterbringung des ruhenden Verkehrs ist ein Garagen
-G
eschoss geplant, das in einem Teilbereich auch Kunden der Metzgerei zur Verfügung stehen soll.

Einstimmig

Zum damaligen Zeitpunkt standen, so dokumentieren dies schriftliche Aufzeichnungen der ASU-Sitzung, die Vertreter der Fraktionen aller Couleur diesem Ansinnen mehr als aufgeschlossen gegenüber. Von großen Befürchtungen in Bezug auf die Gebäudehöhe, Widerstand oder Debatten keine Spur. Dieses Signal spiegelt sich auch im einstimmigen ASU-Votum wieder, der Empfehlung für einen Beschluss der Stadtverordnetenversammlung zur Änderung des Bebauungsplans im beschleunigten Verfahren und eine Ausführung als vorhabenbezogenen Bebauungsplan. Das Parlament folgte dieser Empfehlung 14 Tage später mehrheitlich.

Dieses Prozedere war notwendig geworden, da die Umsetzung des Bauvorhabens mit den engen Festsetzungen des seit 1995 rechtskräftigen Bebauungsplans Nr. 211 „Am Henker“ im Bereich Gemarkung Oberhöchstadt, Flur 17, Flurstücke 145/16, 15, 16/1, 17/2 und 20/19, insbesondere mit den Ausnutzungskennziffern nicht vereinbar ist. Das bewog den Magistrat vor eineinhalb Jahren dazu, darauf zielend den Ortskern als zentralen Versorgungsbereich in seiner Funktion zu stärken, diese Änderung anzuregen. Auch der zweite Änderungswunsch im Bebauungsplan Nr. 211 „Am Henker“ im Bereich Gemarkung Oberhöchstadt, Flur 17, wurde seitens des Bauausschusses und des Parlaments befürwortet. Planungsziel ist hierbei den am Pfarrer-Müller-Weg befindlichen stillgelegten Spielplatz, der als öffentliche Grünfläche festgesetzt ist, als Wohnbaugrundstück nutzen zu können, um so dringend benötigen Wohnraum zu schaffen. Das Grundstück ist in städtischem Besitz.

Angebotsverfahren

18 Monate nach diesem Stadtverordnetenbeschluss, einigen Verzögerungen durch nachzureichende Unterlagen durch das Architektenbüro sowie durch die personellen Veränderungen der Zuständigen im Rathaus, steht nun der Vorschlag des Magistrats auf der Agenda, die am 2. März 2017 gefassten zwei Aufstellungsbeschlüsse zur Änderung des Bebauungsplans Nr. 211 „Am Henker“ aufzuheben und den seit dem 3. Januar 1995 rechtskräftigen Bebauungsplan Nr. 211 „Am Henker“ für zwei Teilbereiche gemäß § 2 (1) Baugesetzbuch in Verbindung mit dem § 1 (8) zu ändern. Der Bebauungsplan soll im sogenannten beschleunigten Verfahren gemäß 13a Baugesetzbuch als Bebauungsplan der Innenentwicklung aufgestellt werden. Im Prinzip ging es demnach lediglich um eine Änderung des formellen Verfahrens, nach Aussage von Erstem Stadtrat Robert Siedler (parteilos) und Sandra Poschmann, der Leiterin des Fachbereichs Stadtentwicklung und Umwelt (siehe auch weiteren Bericht in dieser Ausgabe), soll das seit 2011 vom Gesetzgeber zur Verfügung gestellte sogenannte Angebotsverfahren die Abwicklung durch mehr Effizienz nicht nur erleichtern und beschleunigen, sondern auch kostengünstiger gestalten. Auf den ersten Blick eine scheinbar schnelle Angelegenheit für den Ausschuss.

Beratungsbedarf

Nicht jedoch offenbar aus Sicht der Christdemokraten, denn Ausschuss-Vorsitzender Max-Werner Kahl (CDU) informierte zur Überraschung eines Teils der übrigen Ausschusskollegen über noch bestehenden Beratungsbedarf seiner Partei, lud darüber hinaus zu einer Ortsbegehung mit der Gelegenheit, sich persönlich ein Bild der Situation und den geplanten Veränderungen zu machen und präsentierte in diesem Verlauf Alternativpläne. Den Blick lenkte Kahl bewusst auf die seiner Einschätzung nach suboptimale optische Einfügung des geplanten Einfamilienhauses in die Umgebung, auf Baumasse und Gebäudehöhe. Kahl sprach von einem „brutalen Übergang“ und brachte unter anderem den Vorschlag einer Geschossreduzierung ins Spiel. Rückenwind erhielt er von Seiten der Wählergemeinschaft KfB. Sandra Poschmann umriss ihrerseits das eigentliche Bauvorhaben und beantwortete Fragen.

Im Mittelpunkt der anschließenden, sich hinziehenden Debatte stand neben des Umfangs der geplanten Dachbegrünung, die mit 60 Zentimetern Erde das Anpflanzen von Büschen und kleineren Bäumen ermöglicht, was Bündnis90/Die Grünen-Vorstand Udo Keil mit einem „damit kann man schon eine ganze Menge machen“ kommentierte, obwohl auch er nicht verhehlte, dass ihm natürlich 80 Zentimeter Substrat lieber wären, vor allem die Gebäudehöhe und die Länge der durchgehenden Sockelansicht. Nach Meinung von Hans-Werner Kahl passt die künftige Ansicht nicht zum Dorfcharakter, er forderte die Stadtverwaltung auf, zur Verbesserung der Massenverteilung Alternativen ausarbeiten zu lassen zwecks eleganterer Lösung und schlug ein Schieben des Tagesordnungspunkts in die nächste Sitzungsrunde vor.

Diese nochmalig drohende Verzögerung stieß jedoch auf massiven Widerstand vor allem bei den Sozialdemokraten sowie bei Baudezernent Robert Siedler, der erklärte, es könne eventuell ein besserer Übergang geschaffen werden und gemeinsam mit Sandra Poschmann vorschlug, die Architekten um die Zeichnung einer weiteren Variante zu bitten, die nach Möglichkeit zur Parlamentssitzung vorliegen soll. In diesem Zusammenhang erklärte der Baudezernent mit Nachdruck, der gegenüberliegende Parkplatz und das benachbarte kleine alte Gebäude könnten wohl nicht der Maßstab sein, um möglicherweise „nur einen zweigeschossigen Bau plus Dach“ zu fordern.

S
eitens
des
Magistrat
s
und Stadtverwaltung
steht man bekanntlich Kleins Bauvorhaben
aus zweierlei Hinsicht positiv gegenüber. Nicht nur hinsichtlich der Wirtschaftsförderung wird das nachhaltige Bekenntnis des Unternehmens, dessen vierte Generation schon bereitsteht, zum Standort Kronberg ausdrücklich begrüßt, sondern durch die harmonische städtebauliche Einfügung der Baukörper bietet sich nach Einschätzung von Magistrat und Verwaltung die Chance für eine deutliche Aufwertung dieses Bereichs.

Für die Familie Klein meldete sich nach dem Ausschussabend Richard Klein zu Wort. Er brachte zum einen seine Verärgerung und Enttäuschung darüber zum Ausdruck, dass man den Bauherren aus den Reihen der Lokalpolitik deutlich zu verstehen gegeben habe, ihre persönliche Anwesenheit bei der öffentlichen Ortsbegehung, um eventuell auftauchende Fragen zu beantworten, sei nicht erwünscht. Zum anderen zeigte er sich verwundert über die nun aufkommende Debatte „zu einem bereits mit den zuständigen Ansprechpartnern der Stadt ausverhandelten Bauvorhaben“. „Wir sind schon an unsere Schmerzgrenze in Sachen Wirtschaftlichkeit gegangen und im letzten Jahr deutete nichts auf diesen nun völlig überraschend auftauchenden Widerstand der Politik hin“, machte Klein seinem Unmut Luft.

Sandra Poschmann erläutert die Pläne der Bauherren
Foto: S. Puck



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