Ehrung für Christiane Pless und CharlotteSchaaf zum Weltfrauentag

Die Sängerinnen und Sänger zauberten mit ihrer Musikauswahl eine ganz besondere Festatmosphäre.

Kronberg (pu) – Der seit 1993 von der Stadt Kronberg auf Initiative der Arbeitsgemeinschaft Kronberger Frauenverbände vergebene Frauenpreis steht, wie Bürgermeister Klaus Temmen (parteilos) während der jüngsten Verleihung im frühlingshaft geschmückten Festsaal der Stadthalle in Erinnerung rief, in einer Reihe mit anderen Frauenpreisen, etwa dem Tony-Sender-Preis in Frankfurt, dem auf Landesebene ausgeschriebenen Elisabeth-Selber-Preis, der den Namen der hessischen Juristin und Politikerin trage, die wesentlichen Anteil an der Aufnahme der Gleichberechtigung in die bundesdeutsche Verfassung hatte oder dem in Bayern nach der Frauenrechtlerin Anita Augsburg benannten Preis zur Förderung und Gleichberechtigung von Frauen, die sich in den kommunalpolitischen Bereichen verdient gemacht haben. „Es gibt noch eine ganze Reihe andere Frauenpreise, die sich speziell mit den Themenbereichen Forschung, Medien, Theater, Literatur und Recht befassen und wo Frauen Besonderes erreicht und bewirkt haben. Aber es gibt nur wenige Frauenpreise in Städten unserer Größenordnung und darauf sind wir stolz“, unterstrich Temmen.

Des Bürgermeisters Blick ging dabei auf die diesjährigen Kronberger Preisträgerinnen, Charlotte Schaaf und Christiane Pless, die sich mühelos in die Riege derer einreihen, die sich für die Emanzipation der Geschlechter einsetzen, zukunftsweisende und innovative Ideen und Konzepte entwickeln, ehrenamtlich eintreten für soziale Gerechtigkeit, für Völkerverständigung, Menschenrechte und den Kampf gegen Rassismus und Antisemitismus. Charlotte Schaaf engagiert sich seit vielen Jahren bei der katholischen Frauengemeinschaft, der Bürgerselbsthilfe Silberdistel, im Kronberg Treff und bei den „hannemanns“. Christiane Pless organisiert seit 20 Jahren den Erholungsaufenthalt der Tschernobylkinder in der Burgstadt (wir berichteten).

„Beide Preisträgerinnen haben sich insbesondere auch auf diesen Gebieten für das Allgemeinwohl verdient gemacht“, bekräftigte er in seinem Grußwort im Namen des Magistrats der Stadt und schloss in seinen Dank außerdem noch die herzlichsten Glückwünsche für Charlotte Schaaf ein, die an diesem 10. März ihren 81. Geburtstag feierte. Ein vielstimmiges Geburtstagsständchen des die Veranstaltung musikalisch umrahmenden Chors der Sängervereinigung 1861 Oberhöchstadt, „Vox Musicae“, gab es obendrein. Darüber hinaus gewährten die Sängerinnen und Sänger einen kleinen Einblick in ihr aktuelles, begeisterndes Konzertprogramm und zauberten damit eine ganz besondere Festatmosphäre für die Urkundenübergabe durch den Bürgermeister. Zuvor hatten die aktuelle Vorsitzende der Arbeitsgemeinschaft Kronberger Frauenverbände, Christina Nicolai, und ihre Vorgängerin Prof. Dr. Wilma Aden-Grossmann, den beiden Preisträgerinnen die silberne Ehrennadel als Anerkennung der ehrenamtlichen Tätigkeit ans Revers beziehungsweise Kleid gesteckt und während der Laudatio nochmals Rückblick auf die jeweilige Biografie, die Motivation und Wirkungsgebiete gehalten. (wir berichteten)

Bei aller berechtigten Freude, zwei Tage nach dem Internationalen Frauentag, an den die Verleihung des Kronberger Frauenpreises üblicherweise direkt geknüpft ist, die dieses Mal nur wegen der Kommunalwahl verspätet stattfand, nutzte Nicolai die Gunst der Stunde für einen aufrüttelnden Hintergrundbericht zum Thema „Gewalt gegen Frauen“ in einem Jahr, das nach dem Willen des europäischen Parlaments zur Beendigung von Gewalt gegen Frauen erklärt werden soll. Wie sie vor Augen hielt, ist zwar seit 1948 die Gleichstellung der Geschlechter in der Allgemeinen Erklärung der Menschenrechte verankert, die Realität sehe allerdings nach wie vor anders aus.

Gewalt gegen Frauen an der Tagesordnung

Dem UN-Bevölkerungsbericht zufolge ist die Diskriminierung von Frauen in vielen Kulturen weit verbreitet und tief verwurzelt. Der „Entwicklungsfonds der Vereinten Nationen für Frauen“ geht davon aus, dass in einigen Ländern der Erde bis zu 70 Prozent aller Frauen mindestens einmal im Laufe ihres Lebens Opfer psychischer oder sexueller Gewalt werden – in der Mehrzahl durch vertraute Partner und im häuslichen Bereich. Nach Schätzungen der Weltgesundheitsorganisation (WHO) sind weltweit allein rund 140 Millionen Frauen von Genitalverstümmelung betroffen, die inbesondere in den afrikanischen Staaten praktiziert wird, jährlich kommen weitere 3 Millionen Frauen und Mädchen dazu. Tagtäglich bestätigen die Schlagzeilen, dass in bewaffneten Konflikten Frauen besonders häufig Gewalt ausgesetzt sind. Vergewaltigungen und Folter als Mittel der Kriegsführung eingesetzt werden. Die Meldungen über rund 3.000 jesidische Frauen und Mädchen in der Hand des Islamischen Staates, rund 1.500 von der Terrorgruppe Boko Haram verschleppte vorwiegend christliche Mädchen, im letzten Jahr 234 in Nigeria befreite Mädchen – 214 hiervon schwanger – sind in frischer Erinnerung.

Die Situation in Deutschland ist mit solch unhaltbaren Zuständen zwar nicht vergleichbar, dennoch sind die aktuellen Zahlen alarmierend. „Nach Angaben des Bundesfamilienministeriums werden rund 37 Prozent aller Frauen zwischen 16 und 85 Jahren mindestens einmal in ihrem Leben Opfer von körperlicher Gewalt oder Übergriffen, durch häusliche Gewalt werden mehr Frauen verletzt und geschädigt als durch Körperverletzung mit Waffen, durch Überfälle, durch Raub oder Wohnungseinbrüche“, so die Vorsitzende der Arbeitsgemeinschaft Kronberger Frauenverbände. All das, obwohl sich auf gesetzlicher Ebene so manches getan hat. Nicolai verwies in diesem Zusammenhang auf das volle Recht auf sexuelle Selbstbestimmung auch für verheiratete Frauen, während bis 1997 lediglich eine außereheliche Vergewaltigung einen Straftatbestand erfüllte.

Dem Schutz der Frau dient außerdem das Gewaltschutzgesetz von 2002; Zwangsheirat wird seit 2011 als eigenständiger Straftatbestand behandelt.

Hemmschwelle vor Anzeige

„Aber die Rechtslage ist das eine, die Realität hingegen häufig etwas ganz anderes“, erklärte Nicolai mit Nachdruck. So dauere es oft sehr lange, bis Straftaten zur Anzeige gebracht werden. „Da existieren seelische und finanzielle Abhängigkeiten, da ist oftmals auch die Hoffnung auf Neubeginn in der Beziehung, da sind nicht zuletzt Schamgefühle, die Angst vor der Öffentlichkeit, davor, dass – wenn der Polizeiruf gewählt wird – die Sache dann auch öffentlich wird.“ Allmählich mehren sich den Beobachtungen zufolge die Zeichen für einen beginnenden Umdenkprozess in der Öffentlichkeit. Häusliche Gewalt werde immer seltener als Familienstreit beschönigt oder als Ruhestörung abgetan. „Immer mehr Frauen fassen den Mut, ihre Scham zu überwinden. Viele Frauenhäuser sind inzwischen an ihre Kapazitätsgrenzen angelangt.“ Mehr als 40.000 Frauen und ihre Kinder seien es in Deutschland, die Jahr für Jahr Zuflucht in einem Frauenhaus suchen. „Diese Frauen wurden Opfer ihrer Ehemänner, Partner, Väter oder Brüder, die ihrem Dominanzstreben und ihrem Herrschaftsanspruch gewaltsam Geltung verschafft haben.“ In der Burgstadt existiert zwar kein Frauenhaus, „das heißt jedoch nicht, dass nicht auch in Kronberg Frauen betroffen sind“. Dankenswerterweise nehme sich das Frauenhaus in Oberursel dieser Frauen an.

Aktuellen Untersuchungen zufolge lasse sich weder ein Bildungs- noch ein Schichtzusammenhang feststellen, das heißt, im Akademikerhaushalt wird genauso häufig Gewalt gegenüber Frauen ausgeübt wie anderswo. „Doch weder fehlende Empathie noch kulturelle oder religiöse Traditionen rechtfertigen Unterdrückung und Gewalt gegen Frauen. Beides steht im Widerspruch zu den Grund- und Menschenrechten und zu unseren Gesetzen. Gewalt ist auch nicht das individuelle Problem der einzelnen Frau, sondern das Problem einer Gesellschaft, die diese Gewalt duldet, durch Verhältnisse produziert. Deshalb ist unsere Gesellschaft und damit wir alle verpflichtet, Frauen ausreichend zu schützen“, so Nicolai abschließend.

Die Verleihung des 24. Kronberger Frauenpreises nahmen ferner einige Vertreter der jeweiligen Vereine zum Anlass, Christiane Pless und Charlotte Schaaf auf ganz persönliche Weise für deren langjähriges Engagement zu danken, sei es mit Präsenten, Blumen, Worten oder einem kleinen Theaterstück. Wie üblich stellten die Kronberger Frauenverbände außerdem den Schwerpunkt ihrer Arbeit im Foyer der Stadthalle vor.

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