Statt Stille und Einkehr jubelnder Gesang mit dem Chor der Johanniskirche und den Solisten Jonas Boy, Jasmin Hörner, Anna Hezel, Ruth Katharina Peeck und Florian Küppers, begleitet vom Main-Barockorchester unter der Leitung von Bernhard Zosel.
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Kronberg (aks) – Kronberg glänzte am dritten Advent mit festlicher Weihnachtsbeleuchtung und die Gassen hinauf zu St. Johann waren mit weißem Schnee überpudert. Ach, wäre doch schon Weihnachten, mag sich so mancher späte Spaziergänger am Sonntagabend gedacht haben. Aber noch sind es ein paar Tage bis zum Fest und so galt das Weihnachtskonzert diesmal der Vorfreude über die Ankunft des Jesuskinds – mit Pauken und Trompeten wie es für Könige und Kaiser im Barock üblich war. Statt Besinnlichkeit also glorreiche und klangmächtige Kirchenmusik in St. Johann, die sicher auch die Engel hocherfreut aus allen Wolken fallen ließ. Die ersten barocken Klänge des Te Deum von Marc-A. Charpentier von 1692 sind ein allgemein bekannter wunderbarer Ohrschmeichler – nämlich die „Eurovisions-Melodie“, die fast jeder mitsummen konnte. Als Musikmeister an der Pariser Jesuitenschule St. Paul standen Charpentier ausreichend Musiker für eine prächtige Orchesterbesetzung mit Trompeten, Pauken, Holzbläsern und Streichern für dieses Te-Deum zur Verfügung. Was für ein Wohlklang gelang dem Main-Barockorchester mit Konzertmeister Jörg-Sebastian Kuhlmann, das schwungvoll aufspielte. Eine besondere Leistung vollbrachte die Cellistin, die viele der Solo-Arien begleitete. Der Chor von St. Johann stimmte in diese funkelnde Musik ein und jubelte in schönstem Einklang. Das „Magnificat“ von Johann-Sebastian Bach, komponiert zu seinem ersten Weihnachtsfest 1723 in Leipzig, folgte, von den Kirchgängern heiß ersehnt, gleich nach der Pariser Concerto Sinfonia Nr.5 C-Dur von Antonio Vivaldi, einem Juwel der Barockmusik. Bachs Lobgesang ist in seiner Pracht unübertroffen. Diese Musik drückt den Freudentaumel Marias aus, die von Gott auserwählt ist, seinen Sohn zur Welt zu bringen. Gott hat sie angesehen, sein Blick ist der Grund für ihr großes Entzücken: „Der Blick Gottes ist ein Blick mit den Augen der grundlosen Liebe – mit den Augen der Gnade...Die Augen der Liebe sehen nicht auf das, was ist, sondern auf das, was sein wird.“ (Zitat Concentus Musicus Wien). Der euphorische Lobgesang Marias ist ansteckend. Auf einmal möchte man es ihr nachtun und mitjubeln, und auch wer nicht singen kann, kann diese Vorfreude in seinem Herzen empfinden. So wächst die Hoffnung, das Vertrauen in die eigene Zukunft.
Luthers Auslegung des Magnificat von 1521 betonte, dass Maria nichts weiter als eine Magd war. Sie bedurfte keiner ausgezeichneten Eigenschaften, um auserwählt zu werden, und so appelliert der Reformator an alle Menschen: „Du musst ohne alles Wanken, ohne alles Zweifeln Gottes Willen über dich vor Augen stellen, sodass du fest glaubst, er werde und wolle auch mit dir große Dinge tun.“
Die Solisten sind jung, bestens ausgebildet für den Barock-Gesang mit vielen atemberaubenden Koloraturen und sehr talentiert. Tenor Jonas Boy und die Sängerinnen Jasmin Maria Hörner (Sopran), Ruth Katharina Peeck (Alt) und Anna Hezel (Sopran) sowie der Bass Florian Küppers brillieren in Einzelarien und Tutti. Sie drücken in wunderbaren Arien Gefühle wie Mitgefühl, Barmherzigkeit, Gotteslob, aber auch die Warnung vor Hochmut aus.
Das finale „Gloria“ meistert der Chor in einer Glanzleistung. Ja, dieser Klang geht durch Mark und Bein und ist in seiner Pracht unübertroffen. Bach fügte in sein „Magnificat“ vier weihnachtliche Sätze ein, die in diesem Kontext fröhlich und beschwingt klingen. Sogar das allen bekannte feierlich gesetzte „Vom Himmel hoch“ wird recht flott gesungen. Bernhard Zosel ist es gelungen, der voll besetzten evangelischen Kirche St. Johann eine weitere Sternstunde zu schenken, mit Musik, die nicht nur unter die Haut und zu Herzen ging, sondern die ein großes Freudenfeuer in vielen entfachte und Mut machte für den Jahresausklang. Was soll schon schiefgehen, wenn man solch ein Konzert genießen konnte? Pfarrer Hans-Joachim Hackel fiel Bernhard Zosel in einer herzlichen Geste begeistert um den Hals. So hält die Vorfreude auf die Geburt Jesus Christus hoffentlich noch ein wenig an – das Weihnachtsfest kann getrost kommen. Wer auf mehr Stille und Einkehr gehofft hatte, dem spricht vielleicht Karl Valentin aus der Seele: „Wenn die stille Zeit vorbei ist, dann wird es auch wieder ruhiger!“