Kronberg (pu) – Zweifellos werden die morgen beginnenden Olympischen Spiele in Rio de Janeiro Millionen Menschen in den Bann ziehen, doch auch abseits derart publikumswirksamer Großereignisse gibt es zahlreiche Athleten, die in ihren Disziplinen besonders aufhorchen lassen. Etwa in der Burgstadt trainierende Sportler.
Sarah Kistner, die inzwischen regelmäßig sportliche Schlagzeilen macht, ist so ein Beispiel. Vor fast genau drei Jahren las Martin Lütge-Varney, Leistungsgruppenleiter der Laufabteilung beim MTV Kronberg, eine Titelgeschichte des Kronberger Bote über das damals 15-jährige Berglauf-Ausnahmetalent, das bis zu diesem Zeitpunkt, ausschließlich familiär trainierte und sich anschickte, in die Elite vorzustoßen. Nur wenige Wochen später zählte Kistner dank Lütge-Varneys spontaner Kontaktaufnahme als neues Mitglied des MTV Kronberg zu seinen Schützlingen und seitdem geht es Schlag auf Schlag: Berglauf-Weltmeisterin mit dem deutschen U20-Team und Vize-Weltmeisterin im Einzel 2014, im Jahr darauf U20-Europameisterin im Berglauf im Einzel und im Team, Fünfte der U20-EM über 5.000 Meter und ein starkes 10-Kilometer-Debüt in Berlin, um nur die bisher größten Erfolge zu nennen.
Zwei starten durch
Individuelles und strukturiertes Training ist auch der Erfolgsschlüssel für zwei weitere, durch starke Leistungen nachhaltig auf sich aufmerksam machende ambitionierte Lauf-Asse aus Lütge-Varneys acht- bis zehnköpfigem Spitzenteam: Lara Botha und Marcel Leuze, die aktuell auf dem Sprung in den Hessen- beziehungsweise Bundeskader sind. Grund genug, die 16-jährige Kronberger Leichtathletin mit südafrikanischen Wurzeln und den 1986 in Rudolstadt in Thüringen geborenen und mittlerweile in Mammolshain lebenden Ultramarathoner etwas mehr in den Blickpunkt der Öffentlichkeit zu rücken.
Basketball – Triathlon – Laufen
„Laufen hat mir schon immer am meisten Spaß gemacht“, nennt Lara Botha den Grund, warum sie nach einigen Experimenten mit teils anderen Sportarten nunmehr über die Distanzen 800, 1.500 und 3.000 Metern antritt. Schon seit frühen Kindertagen mit ihrer Familie laufend sei ihr die Begeisterung dafür quasi in die Wiege gelegt worden. Dennoch testete sie zunächst ihr Bewegungstalent aus, schaffte es im Basketball in den Hessenkader, richtete ihr Augenmerk ab 2011/12 ihrem Bruder Jacques folgend, eine Zeitlang auf Triathlon, um schließlich herauszufinden, dass sie beim Laufen ihre Stärken am besten ausspielen kann. Aus dieser Erkenntnis heraus begab sie sich vor eineinhalb Jahren in die Fittiche von Martin Lütge-Varney – ein Schritt, der sich auszahlen sollte. „Laura hatte bereits eine sehr hohe Grundschnelligkeit und Beweglichkeit, wir haben daher besonders am Laufstil gefeilt, was sich nochmals optimierend auf die Schnelligkeit auswirkte“, berichtet der Trainer, der mitnichten die kurzfristigen Erfolge in den Vordergrund stellt, sondern vor allen Dingen den langfristigen Aufbau inklusive Verletzungsprävention. Vor ersten Bahnwettkämpfen stand für Botha deshalb zu Beginn der Zusammenarbeit spielerisches systematisches Training ganz oben auf der Agenda. Diese behutsame, dennoch zielorientierte Arbeitsweise brachte den erhofften und gewünschten Effekt.
„Ad hoc wurde Lara beim ersten Start in Pfungstadt im letzten Jahr über 800 Meter und 3.000 Meter Kreisbeste und qualifizierte sich darüber hinaus über die 3.000 Meter sogar für die Deutschen Meisterschaften“, schildert der stolze Trainer. Ein erstes Messen mit bundesdeutscher Konkurrenz blieb ihr zwar verwehrt wegen des zeitgleich stattfindenden, bereits gebuchten, jährlichen Familiensommerurlaubs in Südafrika, dennoch bestärkte sie die motivierende Erkenntnis, in der Entwicklung auf dem richtigen Weg zu sein.
Zielstrebig wurde im Winter nochmals an der Grundschnelligkeit gefeilt. Selbst Heuschnupfen im Frühjahr warf die junge Athletin lediglich marginal zurück, vielmehr war das Defizit rasch aufgeholt, was sich in jüngsten Resultaten widerspiegelt. Beim Abendsportfest in Pfungstadt Anfang Juli startete sie über 800 Meter und lief dort mit 2:28 Minuten erneut die Qualifikationsnorm für die Hessischen Jugendmeisterschaften. Hier wird sie allerdings voraussichtlich erst 2017 starten.
5:03 Minuten benötigte sie beim Debüt über die 1.500-Meter-Distanz in der Altersklasse U18 beim Leichtathletik-Abendsportfest in Wiesbaden, belegt damit aktuell Platz 9 in der hessischen Bestenliste U18 und empfahl sich dadurch für den hessischen Laufkader von Landestrainer Georg Schmidt. „Ich denke, dass wir hier kurz- bis mittelfristig Erfolg haben werden und Lara aufgenommen wird“, so Lütge-Varney. Das Nachwuchstalent will dennoch nichts überstürzen, peilt für die zu Ende gehende Bahn-Wettkampf-Saison lediglich noch das Knacken der 5-Minuten-Schallmauer über die 1.500 Meter an und einen Start beim 3.000-Meter-Lauf in Bergisch-Gladbach Ende des Monats.
Anschließend geht der Blick auf die im November startende Cross-Saison mit der Referenz, im letzten Jahr auf Kreisebene einen Einstieg nach Maß hingelegt zu haben mit promptem Sieg und über einer Minute Vorsprung auf die Zweitplatzierte. Nunmehr will sie sich der Konkurrenz in Hessen und Deutschland stellen.
Ehrgeiziges, aber realistisches Ziel
Seine Visitenkarte bei Deutschen Meisterschaften abgeben wird Marcel Leuze bereits am 20. August beim Straßenlauf in Leipzig. 100 Kilometer stehen für den Extremsportler auf der Agenda, der inzwischen großen Spaß daran gefunden hat, seine Grenzen auszutesten. Geradezu läppisch dagegen die 3.000 Meter beim letzten Härtetest in Wiesbaden, die er in neuer persönlicher Bestzeit von 9:50 Minuten lief.
„Marcel ist aktuell in absoluter Topform. Er hat die letzten Monate auf meine Empfehlungen hin sehr strukturiert trainiert und das macht sich jetzt bezahlt. Auch bei Marcel ist eine Kadernominierung angepeilt und zwar im Bundeskader Ultra-Marathon. Dies ist zwar ein sehr ehrgeiziges Unterfangen, aber ein durchaus realistisches Ziel. Wir müssen sehen, was in Leipzig passiert“, umschreibt es Trainer Martin Lütge-Varney.
Auch bei Marcel Leuze dauerte es eine Weile, bis er seine Lieblingsdisziplin herausfand. Anfangs war für den Thüringer Fußball das Maß aller Dinge, bis er 1999 in der Schule bei „Jugend trainiert für Olympia“ seine Leidenschaft für Cross-Wettkämpfe entdeckte und sich der Laufabteilung des Saalfelder Leichtathletikvereins anschloss. Dort trainierte er jahrelang, mittlerweile Marathon, trotz Ausbildung und Job als Beton- und Stahlbetonbauer in Frankfurt am Main. Erst durch den Hinweis von Arbeitskollegen wurde er auf Kronberg und die landschaftsbedingten idealen Trainingsbedingungen aufmerksam, beendete im September 2011 die Pendelei mit der Unterschrift unter einen Mitgliedsantrag beim MTV Kronberg. Ein Jahr später wurde er Schützling von Martin Lütge-Varney, als der zum MTV kam. Zu diesem Zeitpunkt organisierte sich Leuze sein Training noch selbst, nahm zwischendurch zum Spaß am Lauftreff teil.
Sein neuer Trainer erkannte schnell großes Potenzial, musste jedoch Überzeugungsarbeit zum Thema strukturierteres Training leisten. „Er war unser Rebell und stellte alles erst einmal in Frage“, schmunzelt Lütge-Varney. Auf der Wunschliste ganz oben stand zunächst eine Marathonzeit unter drei Stunden, ein Vorhaben, das bei einem Test in Hamburg auf der Stelle gelang, als die Zeitmessung bei 2:45 Stunden stehenblieb.
Durch sich häufende „signifikant bessere Zeiten“ motiviert und mit wachsender Erkenntnis „Da geht noch mehr“ wagt sich Leuze längst an Herausforderungen wie „Salomon 4 Trails Etappenlauf“, bei dem vier Etappen in Deutschland/Österreich/Schweiz mit einer täglichen Laufstrecke von 38 bis 46 Kilometer zu bewältigen sind oder die Chiemgau 100 mit 4.500 Höhenmeterunterschied, die er im letzten Jahr als Gesamtsieger in 11:55 Stunden abschloss.
Nicht zu vergessen die „Ultratrail de Mont Blanc“ in Chamonix, die inoffizielle Weltmeisterschaft, mit zirka 10.000 Metern Höhenunterschied – Marcel Leuzes bisher größtes sportliches Highlight. Dort finishte er im letzten Jahr auf Platz 240, ein mehr als respektables Ergebnis, wenn man bedenkt, dass es von 2.300 Startern letztendlich 1.600 Starter ins Ziel packten.
Nur vier Tage nach dem Leipzig-Start will er erneut am Mont Blanc starten – vor dem Hintergrund der kurz hintereinanderfolgenden Wettbewerbe allerdings dieses Mal „nur zur Gaudi“.
Trainer Martin Lütge-Varney, geprägt durch 30-jährige Lauferfahrung ein „alter Hase“, sowohl auf Strecken wie 800 Meter bis Marathon und darüber hinaus, ist durchaus vorsichtig optimistisch, dass Leuze die angepeilten Ziele schaffen kann und froh, selbst „immer noch recht flott unterwegs zu sein und noch bei vielen der Trainingseinheiten mit meinen Schützlingen mithalten kann.“
Als jüngste Erfolge schlagen für ihn jeweils Silbermedaillen bei der Masters- WM in Lyon (Einzelzeit 1:18:35 Stunden, Halbmarathon) und Masters-Europameisterschaften zu Buche. „Interessant und spannend“ ist es für ihn, neben der Bewältigung der eigenen Wettbewerbe seine Erfahrungen an den Nachwuchs weitergeben zu können. „Von 800 Metern bis Ultra-Marathon beschäftige ich mich nun mit allen Distanzen des Mittel- und Langstreckenbereichs.“
Von Lara Botha, Marcel Leuze, Sarah Kistner und Martin Lütge-Varney werden zweifellos nicht nur die Kronberger weiter hören. Wer nun Geschmack am Laufen gefunden hat: Informationen zur Laufabteilung des MTV Kronberg gibt es auch unter www.mtv-kronberg.de. Nicht nur Spitzenathleten sind bei den Läufern jederzeit willkommen, sondern auch all jene, die einfach mal zum Schnuppern vorbeikommen wollen.
Marcel Leuze bringt es auf den Punkt: „Man muss ja nicht unbedingt auf die Bahn, es gibt hier beste Voraussetzungen, Berge, Wald oder beispielsweise auch mit dem Fahrrad Richtung Nidda fahren und man muss sicher nicht Pokemons jagen, um sich in der freien Natur zu bewegen.“
Marcel Leuze kurz vor dem Start beim Ultratrail de Montblanc in Chamonix, seinem bisher größten sportlichen Highlight.
Fotos:
privat