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Unser Leser, Ludwig Heuse, Albanusstraße, Kronberg, schreibt zur geplanten Konzerthalle am Bahnhof Folgendes: Leser Becker fordert ein „Gutachten unabhängiger Sachverständiger“. Gibt‘s so was? Ich dachte, „unabhängige Sachverständige“ schreiben immer das in ihre Gutachten, was die Auftraggeber lesen wollen. „Gründliche Analyse“ von „Planbilanzen“? Schall und Rauch, mit einem bisschen Drehen an den Parametern bekommt man jede gewünschte Planbilanz hin. Und was soll ein Straßenverkehrsgutachten bringen? Dass vor einem Konzert die Straßen voll sind und danach wieder leer? Das wäre wie ein Wettergutachten mit dem Ergebnis, dass es manchmal regnet und dann wieder die Sonne scheint. Die Betreiber der minderausgelasteten Berliner Tiefgarage freuen sich dagegen sicher schon jetzt auf die beschworene „harte Dauerkonkurrenz zwischen Stadt- und Konzerthalle“, dann kriegen sie endlich einmal ihre Garage voll. Das bringt uns alles nicht weiter, die Wege zu den Bau-Flops der Republik, seien es nun die Flughäfen in Berlin oder Kassel-Calden und viele andere mehr, sind mit unzähligen Gutachten „unabhängiger Sachverständiger“ und den schönsten Planbilanzen gepflastert. Mit dem eigenen Geld ins Risiko gehen ersetzt X Gutachten von Leuten, die selbst nicht leiden, wenn‘s schief geht. Weiterhin moniert Leser Becker, dass die Betreiber doch tatsächlich fordern, das Risiko auf ein separates Konzerthallen-Betreiberunternehmen weiterreichen zu dürfen, weil sie nicht bereit sind, für „Jahre und Jahrzehnte“ mit ihrem Privatvermögen zu haften. Ja, was denn sonst? Wird hier erwartet, dass jemand für den Bau einer Konzerthalle erst sein Geld in die Hand nimmt und dann auch noch seine Enkel in Regress nehmen lässt, so wie im Alten Testament „Gott die Schuld der Väter an den Söhnen und Enkeln verfolgt bis in die dritte und vierte Generation“?
Die Höhe des eingezahlten Kapitals einer solchen Betreibergesellschaft, das wird allerdings für die Stadt schon ein Thema sein. Ja und wenn den Promotoren irgendwann einmal die Luft oder die Lust ausgeht und damit das jetzige Betriebskonzept hinfällig wird? Warum soll sich dann kein neues Betriebskonzept finden lassen? „Musik hören die Leute immer“, hätte Adenauer gesagt. Es gibt eine Reihe von Immobilien in Kronberg, die zunächst für eine Nutzung gebaut wurden und für die später andere Nutzungen gefunden werden mussten: Schloss Friedrichshof, geplant als private Residenz, heute ein Hotel. Der Lokomotivschuppen, zunächst genau das, heute ein Büro und Veranstaltungsort. Und die Burg nicht zu vergessen, beschützt die uns heute noch vor den bösen Frankfurtern?
Worauf es ankommt, ist sicherzustellen, dass die geplante Halle tatsächlich erst einmal fertig gebaut wird, sodass am Schillerweiher keine „Investitionsruine“ entsteht. Dieses Risiko kann die Stadt für sich aber eingrenzen, indem sie zum Beispiel die Baugenehmigung erst dann erteilt, nachdem sich ein finanzstarker Generalunternehmer – gegebenenfalls durch entsprechende Bankgarantien gesichert – verpflichtet, die Halle zu einem Festpreis auf Basis eines von den Beteiligten final abgesegneten architektonischen und technischen Konzeptes zu bauen. Und die Promotoren müssten den Nachweis über das Vorhandensein der entsprechenden Mittel führen. Selbstverständlich verfügen Generalunternehmer über ihre eigenen Tricks, zunächst zu einem Festpreis einen Auftrag an Land zu ziehen und dann auf Grund von Planungsänderungen Nachforderungen zu stellen. Bei entsprechender Disziplin von Seiten der Bauherren und der Bereitschaft, den Auftrag wirklich erst nach abgeschlossener Planung zu erteilen, lässt sich dieses Risiko aber im Zaum halten. Dazu rate ich. Ob nun die Halle etwas früher oder später fertig wird, zählt nicht gegenüber dem Stress, der immer dann entsteht, wenn auf Grundlage einer halbgaren Planung bereits die Bagger rollen, „damit es endlich los geht“. In Kronberg wurde auch in der Vergangenheit immer mal wieder etwas Neues gewagt, was über das übliche Klein-Klein hinaus ging und den Charakter der Stadt durchaus veränderte, so zum Beispiel das bereits genannte Schloss Friedrichshof oder die Ansiedlung von Braun. „Kultur“ wird heute vielerorts als das Schlüsselwort beschworen, das über die künftige Entwicklung von Städten entscheiden wird. Muss nicht, kann so sein. Da das Risiko für die Stadt aber eingegrenzt werden kann, sollten wir die Initiative zum Bau der Konzerthalle unterstützen.