„Und morgen wird die Sonne wieder scheinen“

Kronberg (aks) – Die Sopranistin Patricia Zehme, dem Kronberger Publikum bekannt aus dem „Paulus Oratorium“ von Mendelssohn, wo sie bereits vor einem Jahr in St. Johann brillierte, war sichtlich erfreut über die zahlreichen Kirchen-Besucher am Samstagabend. Begleitet wurde ihr Gesang von Bernhard Zosel an der Orgel, der zu Jules Massenets „Adieu, notre petite table“ und zur Bach Arie „Die Seele ruht in Jesu Händen“ hoch oben auf der Empore saß – mit dem Rücken zu ihr. Die beiden erfahrenen Künstler harmonierten, ohne sich zu sehen, und ließen eine Musik zu Totensonntag erklingen, die mit einem wunderbaren Wohlklang die ganze Kirche für eine halbe Stunde erfüllte. Später wechselte Zosel ans Klavier für die Lieder von Brahms und Richard Strauss, wo er Patricia Zehme mit ihrer ausdrucksvollen Stimme kunstvoll begleitete. Besonders ergreifend das Lied „Morgen“ von Richard Strauss mit seinen träumerischen Akkorden und der Schlichtheit eines Wiegenlied (für Liebende), sehr zart und einfühlsam vorgetragen von Zehme, die große innere Ruhe und Innigkeit ausstrahlte: „Und morgen wird die Sonne wieder scheinen“ – welch ein Trost, und das im November! Das Lied, das Strauss seiner Braut zur Hochzeit 1894 schenkte, mit dem Text des deutschen Zeitgenossen John Henry Mackay, endet mit dem Schweigen als Attribut des Glücks: „...stumm werden wir uns in die Augen schauen, und auf uns sinkt des Glückes stummes Schweigen“. Zum Abschluss zeigte die elegante Sängerin ihr großes Können als lyrischer Spinto-Sopran, den sie bei Prof. Cornelius Reid (Juliard School) in New York vertieft hat, mit der berühmten Arie „La mamma morta“, mit der die Callas unsterblich wurde und die viele aus dem Film „Philadelphia“ kennen. Trotz ihrer stimmlichen Leichtigkeit erreichte sie die dramatischen Höhepunkte, ohne jemals angestrengt zu wirken. Ihre minimale, aber beeindruckende Gestik und Mimik gaben ihr eine starke Bühnenpräsenz, dabei war sie sich ihres Auftritts in einer Kirche stets bewusst, jede allzu große Allüre und Operntheatralik wären fehl am Platze gewesen. Die Arie aus der Oper „Andrea Chénier“ von Umberto Giordano, berührte das Publikum tief. Die junge Maddalena, deren Mutter ermordet wurde, vernimmt die Stimme Gottes: „Io son la vita“ – „Ich bin das Leben, du bist nicht allein... denn ich bin Gott, vom Himmel komme ich, ich bin die unendliche Liebe“. Ein unendlich kraftvoller und ermutigender Zuspruch für jeden gläubigen Menschen. Die Sängerin hatte ein anspruchsvolles Programm zum Thema Tod und Liebe kreiert: „Der schwierige Akt des in den Tod Begleitens eines uns Nahestehenden fällt uns oft schwer. Ihn und uns trösten zu können, Hoffnung zu schöpfen, Geborgenheit während des Begleitens und im „danach“ zu erfahren. Auch nach seinem Ableben, wenn wir jenen Menschen wieder herbeisehnen, die Zeit für einen Moment zurückdrehen möchten und doch zu wissen, dass die geliebte Person immer präsent sein wird, da wir sie in unserem Herzen immerfort tragen dürfen und wir, in der Hoffnung und im tiefen Glauben darum wissen, dass wir ihr nach unserem eigenen Ableben erneut wiederbegegnen werden“, so formuliert sie es selbst. Für einen Sänger sind dramatische Arien voller Gefühl ein schwerer Moment, denn man dürfe vor lauter Gefühl die Kontrolle über seine Stimme nicht verlieren, so erklärt sie es. „Das ist ein Seiltanz, ein „funambule“, so wie auch im Leben so manches Mal“. Sie wird von begeistertem Applaus belohnt. Viele sind gekommen, um diese charismatische Sängerin, die als Schülerin die St. Angela-Schule in Königstein besuchte und seit 2003 in der Nähe von Paris lebt, wo sie als Konzert- und Opernsängerin tätig ist. Seit vier Jahren ist sie regelmäßig Gast in Kronberg. Ihr Gastspiel „Grenzenlos frei!“ wurde letztes Jahr hier aufgeführt, in dem sie sowohl die Opernrollen interpretierte als auch für Kreation und Inszenierung verantwortlich war. Bernhard Zosel, der ausgebildete Orgel- und Klavierspieler und Dirigent, der seit 1997 als Kantor und Organist an der evangelischen Johanniskirche in Kronberg im Taunus, seit 2015 Dekanatskantor für das Dekanat Kronberg, glänzte in seiner Rolle als „Hausherr“ und Liedbegleiter. Jeden Samstag um 18 Uhr bietet er nicht nur allen Kronbergern die Möglichkeit, bei freiem Eintritt halbstündige Konzerte und Orgelspiel in der reich geschmückten gotischen Kirche zu genießen. Kein Geheimtipp: Bernhard Zosel und St. Johann stehen stets für Musik vom Allerfeinsten. Die Emotionalität der Musik ist ein schöner Anstoß, sich noch intensiver oder ganz neu mit dem eigenen Glauben auseinander zu setzen.

Patricia Zehme, Sopranistin aus Paris, überraschte mit ihrer Interpretation von Tod und Liebe, kunstvoll begleitet von Bernhard Zosel.

Foto: Sura



X