Pauken, um zu bleiben

Ein Teil der Jugendlichen posierte gemeinsam mit Bürgermeister Klaus Temmen (letzte Reihe Mitte) für ein Erinnerungsfoto. In den Händen halten sie ihre gerahmten Unterschriften, die sie Temmen als Erinnerungsgeschenk überreichten. Foto: S. Puck

Kronberg (pu) – Ajmal, Gull Agha und Sabur zählen zu den 33 männlichen Jugendlichen, die alle etwas gemeinsam haben: wegen unzumutbarer Verhältnisse verließen sie ohne Eltern, Geschwister oder andere Verwandte, auf sich gestellt, ihr Geburtsland, begaben sich auf eine strapaziöse Reise mit ungewissem Ausgang und leben aktuell in der DRK-Einrichtung Campus Kronberg. Seit ihrer Ankunft als minderjährige unbegleitete Flüchtlinge pauken sie Deutsch und vieles mehr in der Hoffnung auf positive Bewilligung ihres gestellten Asylantrags und auf ein Leben mit Perspektive.

Dieser Tage besuchten Bürgermeister Klaus Temmen (parteilos), Integrations-Dezernent Hans Willi Schmidt, die Leiterin des Fachbereichs 3 – Soziales, Kultur und Bildung, Marion Bohn-Eltzholtz, sowie Pressevertreter auf Einladung des Roten Kreuzes die Unterkunft in der Geschwister-Scholl-Straße, um sich einen persönlichen Eindruck zu verschaffen und das Gespräch mit den jungen Asylbewerbern zu suchen.

Seit Januar 2016 hat der Kreisverband Hochtaunus des Deutschen Roten Kreuzes die für ihre ursprünglichen Zwecke nicht mehr benötigten Räumlichkeiten angemietet, die Jugendlichen im Alter von 15 bis 19 Jahren weit mehr als nur ein Dach über dem Kopf bieten. „Aktuell betreuen insgesamt 28 Personen, teils Voll- und Teilzeitkräfte, darunter allein 20 Pädagogen, unsere Schützlinge“, informierte Einrichtungsleiter und Diplom Sozialpädagoge Thomas Willnow während eines kleinen Rundgangs. Damit eine 24-Stunden-Betreuung durch Fachkräfte gewährleistet ist, laufe das Ganze im Mehrschichtbetrieb.

Kochen gehört zum Konzept

Neben einem Blick in die Ein- und Zweibett-Zimmer und die Gemeinschaftsräume stand die Küche im Mittelpunkt des Interesses. „Kochen und Essen ist ein ganz wesentliches Element und gehört zum Konzept der Vorbereitung, selbstständig leben können“, verriet Willnow. Obwohl die Jugendlichen in der Regel wochentags durch den afghanischen Koch und am Wochenende durch das Kaiserin-Friedrich-Haus versorgt werden, können „fast alle selbst kochen.“ Zu den Hauptnahrungsmitteln zählt mit Gewürzen und Gemüse verfeinerter Reis. An diesem Nachmittag hing der Duft von Koriander noch in der Luft. Auch das Erlernen des Einkaufens mache den Betreuten, die teils die Altkönigschule, teils berufsorientierte Schulen in Oberursel besuchen, großen Spaß. Die Einrichtungsleitung lobte die hohe Wissbegierigkeit der jungen Leute und ihr Bestreben, einen guten Schulabschluss zu erlangen. In ihrer Freizeit stünden Angebote wie Theater AG, Wandern oder Fahrrad-Werkstatt hoch im Kurs. Naturgemäß ebenfalls weit oben auf der Beliebtheitskala: Fußball spielen. „Wir haben gute Kicker in unseren Reihen. Einige spielen in den umliegenden Fußballvereinen, wir haben allerdings auch eine eigene Mannschaft, die in den letzten beiden Jahren bei Turnieren für Freizeitmannschaften mit Platz zwei und drei recht erfolgreich abschnitt“, berichtet er. An diesem Nachmittag stand jedoch als Höhepunkt die Aufführung eines kleinen amüsanten Sketchs auf dem Programm. Ajmal Ghulami und Gull Agha Hassany spielten gemeinsam mit ihrem Einrichtungsleiter bei Kaffee und selbst gebackenem Kuchen zum Vergnügen aller als typische Szene aus dem Flüchtlingalltag die durch Sprachbarrieren zu überwindenden Schwierigkeiten bei Behördengängen nach. Im Rahmen einer kurzen anschließenden Vorstellungsrunde gewährten die Flüchtlinge Einblick in ihre Herkunft. Die größte Gruppe sind Afghanen, andere Zukunftssuchende kamen aus Eritrea, Syrien, Somalia und dem Iran. Infolge der aktuellen Abschieberichtlinien sind insbesondere die Afghanen hinsichtlich ihrer Zukunft in Deutschland derzeit in großer Sorge.

Zur Erinnerung an seinen Besuch in der DRK-Einrichtung Campus Kronberg überreichten die Jugendlichen dem Bürgermeister ihre eingerahmten Unterschriften. Temmen zeigte sich beeindruckt von ihrem Mut, ihr Schicksal in die Hand zu nehmen, lobte ihre guten Sprachkenntnisse als wichtigste Voraussetzung zur Integration, ihr sportliches Engagement, die spürbar familiäre Atmosphäre und dankte allen, die ihren Beitrag zur Betreuung und zum Aufzeigen von Perspektiven leisten, wie beispielsweise Diplompädagogin Inge Papouschek, die nach 25 Jahren im Landratsamt zum Roten Kreuz wechselte und trotz aller Herausforderungen viel Freude an der Arbeit mit den Jugendlichen hat.

Nach den Worten Willnows und des DRK-Bereichsleiters Soziale Dienste, Sebastian Fischer, will die Einrichtung ihre Schützlinge so lange wie möglich begleiten, um jederzeit Hilfestellung geben zu können, vor allem auch bei der schwierigen Ausbildungsplatzvermittlung. Bisher habe einer der Jugendlichen einen Ausbildungsvertrag unterschrieben, ein weiterer stehe kurz vor Abschluss.

Einen kleinen Eindruck, welche einschneidenden Erlebnisse all diese Jugendlichen hinter sich haben, gab im persönlichen Gespräch der 16-jährige Sabur Rasekh. Seitdem er vor drei Jahren aus seiner Heimatstadt im Norden Afghanistans aufbrach, hat er seine Mutter, die ihren Mann durch Krankheit verlor, nicht mehr gesehen. Der damals 13-Jährige schlug sich in den Iran durch, arbeitete dort zwei Jahre als Tischler, setzte dann seine Flucht Richtung Deutschland fort. Seit gut einem Jahr lebt er in der Burgstadt, hat Freunde gefunden, spielt als Stürmer für den EFC Kronberg und hofft in Deutschland bleiben zu können, um hier zu studieren und Arzt zu werden.



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