Kronberg (pf) – Nirgendwo in Deutschland gibt es mehr Stiftungen pro Einwohner als in Würzburg, behauptete kürzlich der Bayrische Rundfunk. Doch Kronberg kann es weit besser. Hier kommt auf jeweils 600 Einwohner eine Stiftung – in Würzburg liegt die Quote pro Stiftung bei 1.600 Einwohnern. Wo könnte es also einen geeigneteren Standort für einen Stiftertag geben als in Kronberg. Und so luden am vergangenen Mittwoch die Stiftung Stifter für Stifter und die Schmitz-Stiftungen zu einem Stifterabend in den Lokschuppen Kronberg ein.
Ann-Kathrin Linsenhoff, Kronbergerin, erfolgreiche Dressurreiterin und Tierärztin, die 2002 unter dem Dach von Unicef eine eigene Stiftung für Kinder in Not gründete, und Anja Rüttermann, gebürtige Lübeckerin, die Psychologie, Pädagogik, Politik und Sozialwissenschaften studierte, heute als selbstständige Beraterin und Trainerin in München lebt und 2007 die Stiftung OrphanAid Africa Deutschland ins Leben rief, waren ebenso charmante wie kompetente Interviewpartnerinnen für Dr. Martin Kasper, den Gründer und ehrenamtlichen Vorstand der Königsteiner Stiftung Childaid Network, bei der Frage, wie Hilfe für Kinder im Ausland wirkungsvoll gelingen kann.
Beide Stifterinnen berichteten im Gespräch mit Dr. Kasper, dass sie schon im Elternhaus soziales Engagement erlebten. Beide hatten nach einschneidenden persönlichen Schicksalsschlägen ihr bisheriges Leben hinterfragt. „Ich habe mir damals die Sinnfrage gestellt, um wieder Boden unter den Füßen zu finden“, so drückte es Ann-Kathrin Linsenhoff aus. Anja Rüttermann erzählte, dass sie nach einem dramatischen Schicksalsschlag nach Ghana gereist war, um ihr Umfeld zu verändern und selbst wieder Balance im Leben zu finden. Dort engagierte sie sich in einem Waisenhaus. „Ghana war für mich die beste Therapie“, meinte sie, „um wieder unterscheiden zu lernen, was wichtig und was nicht wichtig ist.“
Anfangs, erzählte sie, habe sie ein Waisenhaus in Ghana unterstützt. Die Zustände, die sie dort bei ihrem ersten Besuch vorfand, seien katastrophal und herzergreifend gewesen. Es gab nur eine Betreuungsperson für 65 Kinder, kein Wasser, viele der Kinder mussten auf dem Fußboden schlafen, weil es nicht genügend Betten gab und das jüngste Kind war erst wenige Monate alt. All das schrieb sie per E-Mail ihren Freunden und Bekannten in Deutschland, bat um Hilfe und hatte innerhalb kürzester Zeit 9.000 Euro auf ihrem Konto. Davon konnte eine Trinkwasseranlage gebaut, weiteres Betreuungspersonal eingestellt und Impfungen für die Kinder bezahlt werden.
Inzwischen aber hat sich die Stoßrichtung ihrer Hilfe verändert. Bei Untersuchungen gemeinsam mit der Regierung stellte sich nämlich heraus, dass 90 Prozent der Waisenkinder noch eine Familie haben. Sie wurden ausgesetzt, weil die eigenen Eltern und Angehörigen nicht mehr für das Kind sorgen konnten. Daher fließt das meiste Geld heute in die Ausbildung und Unterstützung von Sozialarbeitern, die sich dafür engagieren, dass es den Familien besser geht und sie ihre Kinder bei sich behalten können. „Aber es ist schwierig den Spendern zu erklären, warum wir heute ihr Geld beispielsweise in die Anschaffung von Handys für Sozialarbeiter investieren, denn nur so können sie vor Ort in Kontakt bleiben“, sagte Anja Rüttermann.
Ann-Kathrin Linsenhoff wählte sich Unicef, das Kinderhilfswerk der Vereinten Nationen, als Dach für ihre Stiftung aus, die sie mit einem Startkapital von 500.000 Euro gründete. Seitdem wurden durch Spenden, ihre Schafhof-Festivals und Erträge aus dem Stiftungsvermögen mehr als 3,3 Millionen Euro gesammelt. Anja Rüttermanns Stiftung, die mit einem Stiftungskapital von nur 5.000 Euro ins Leben gerufen wurde, wird unter dem Dach des Kinderfonds Stiftungszentrums verwaltet. Vor allem Familienmitglieder und Freunde unterstützen ihr Projekt regelmäßig. Und die wollen sicher sein, dass ihre Spenden zu hundert Prozent bei den bedürftigen Kindern ankommen. Ihr wichtigstes Kapital, das betonten beide Stifterinnen übereinstimmend, sind daher die persönliche Ansprache und das Vertrauen der Spender. „Dieses Vertrauen darf man nicht verspielen“, waren sich beide einig.
Ann-Kathrin Linsenhoff, die inzwischen stellvertretende Vorstandsvorsitzende von Unicef Deutschland ist, hat inzwischen zahlreiche Projekte unterstützt, unter anderem Waisenhäuser für Aids-Waisen und Straßenkinder in Kambodscha, eine Mädchenschule im Süd-Sudan und ein Frauenhaus in Kairo. Allein in Kairo, berichtete sie, gibt es eine Million Straßenkinder. Vor allem die Mädchen unter ihnen seien ständig Übergriffen und Gewalt ausgesetzt. Viele von ihnen, manche erst zwölf Jahre alt, hätten selbst schon Kinder. Dennoch sei es unglaublich schwer gewesen, diese Mädchen im Frauenhaus zu behalten. Inzwischen lebten dort 30 Mädchen. „30 von einer Million, das kann man nur ertragen wenn man sich immer wieder sagt: Jeder Mensch zählt.“
Straßenkinder, weiß die Kronbergerin, gibt es aber nicht nur in Kairo, sondern auch in Frankfurt. Daher möchte sie jetzt eine zweite Stiftung gründen, um diesen Kindern zu helfen, sie von der Straße zu holen und ihnen eine Zukunft zu geben, kündigte sie an. Und fand im Publikum gleich einen Mitstreiter, der sie bei diesem Projekt unterstützen möchte. Denn auch das war Ziel des Stiftertages – interessierte Menschen zusammen zu bringen und ihnen Wege aufzuzeigen, wie sie das für sie richtige Projekt finden.