Trauer im Mechtild Westedt

Mechtild Westedt mit ihren Sammlerstücken Foto: Archiv / Westenberger

Kronberg (mw) – Ihren 93. Geburtstag am 30. Januar zu feiern, war Mechthild Westedt nicht mehr vergönnt, nach einem erfüllten Leben ist sie am 1. Dezember friedlich eingeschlafen. Ihren 90. Geburtstag hatte sie noch mit einem kleinen Empfang im Haus Altkönig feiern können, die aktive, engagierte und vielseitig interessierte Kronbergerin. Mit 90 Jahren war ihre Neugierde an allem, was um sie herum passiert, ungebrochen. „Ich habe meine positive Lebenseinstellung nicht verloren, auch wenn meine Augen und Ohren sehr nachlassen“, sagte sie damals. In der Oberen Höllgasse unterhalb der Burg geboren, wurde ihr das große Interesse und noch größeres Wissen über das Kronberger Wahrzeichen bereits in die Wiege gelegt. „Die Burg hat schließlich ein Leben lang durch das Fenster zu mir hereingeschaut“, verriet sie. Aber auch über Kronberg wusste sie viel zu berichten. Ihr Schatz an Anekdötchen war unerschöpflich. Nicht erst einmal hatte sie ihre Geschichtskenntnisse über die Stadt, beispielsweise beim Kronberg Treff unter Beweis gestellt. Mechtild Westedt war aufgrund ihres großen Erfahrungsschatzes lange Zeit eine feste Größe im Kronberger Geschichtsverein. Sie wusste auf fast alle Fragen eine Antwort und wenn dies einmal nicht der Fall war, suchte sie nach Wegen, um dennoch an die gewünschte Information zu gelangen. Beharrlichkeit und eine große Portion Energie waren die zwei Dinge, die sie auszeichneten. Westedt war bekannt für ihre Burg- und Stadtführungen, die sie lange Zeit nicht nur in deutscher Sprache, sondern ebenso souverän in englischer Sprache durchführte. Zwar hatte sie zum Ende 2015 ihre regelmäßige aktive Mitarbeit im Burgverein beendet, aber „mal eben Kaffee und Kuchen ausgeben oder die Burgkasse bedienen“, das fand die „waschechte Kronbergerin „keine große Sache“, die ihre drei Töchter alleine großgezogen hat und auch im Partnerschaftsverein Kronberg-Ballenstedt lange Zeit sehr aktiv war. Ihre Kronberg-Kenntnisse hat sie von ihrem Vater erworben. „Er war ein begeisterter Kronberger, und so bin ich mit ihm an der Hand durch die Stadt spaziert und habe mir, interessiert wie ich nun einmal bin, alles gemerkt, was er erzählt hat.“

Westedts Puppenausstellung in Ballenstedt ist unvergessen, genauso wie 2004 im Stadtmuseums die Schau der alten Haus- und Küchengeräte und Zeitdokumente, die auf viel Interesse gestoßen war. In ihrem Besitz waren über 300 Kochbücher und zwei Kochbücher hat sie selbst veröffentlicht. Die Liebe zum Schreiben hat Mechtild Westedt ihr ganzes Leben lang begleitet. „Doch meinen Wunsch, Journalistin zu werden, hat mein Vater mir allerdings gründlich ausgeredet“, erzählte sie. Ein drittes Kochbuch wollte sie damals auch noch schreiben. Und eigentlich hätte sie gerne auch noch Kronberger Märchen und Sagen geschrieben. Angefangen hat sie damit auch noch, aber zum Fertigstellen war die Zeit zu kurz. In ihrem Leben hat Mechtild Westedt über 50 Puppenhäuser, dazu unzählige Puppen und Plüschtiere gesammelt. Begonnen hatte sie mit dem Sammeln schon früh, nachdem ihr erster Mann, dessen Eltern bis zum Krieg eine Spielwarenfabrik in Thüringen gehörte, sie „auf die Plüschtiere brachte“, verriet sie damals im Gespräch. „Außerdem hatte ich schon zwei alte Puppen, und die haben einfach nach Gesellschaft geschrien.“ Auch wenn es immer weniger Menschen gab, mit denen sie ihre Erinnerungen an das alte Kronberg teilen konnte, weil sie verstorben sind, hatte Mechtild Westedt Lust, noch eine Weile hierzubleiben. „Also, ich habe jedenfalls nichts dagegen, wenn mich der Herrgott noch ein bisschen hierbleiben lässt!“, erzählte sie zum 90. Geburtstag. Fast zwei Jahre war ihr das auch noch vergönnt. Und dabei war sie tatkräftig bis kurz vor ihrem Tod: Beim Herbstfrüchtefest Ende Oktober hatte sie für das Altstadtkreis-Café noch Kuchen gebacken. Aber nach der Goldenen Hochzeit ihrer Tochter Ursula Philippi und ihrem Schwiegersohn Hans Robert Philippi sollten sie ihre Kräfte dann Stück für Stück verlassen.



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